Bundesregierung plant Erhöhung des Satzes von sieben auf 19 Prozent für zahlreiche Sachwerte. Galeristen fordern anderes Berechnungsmodell.

Hamburg. Alle potenziellen Kunden hat die Nachricht noch nicht erreicht. Während Silberfreunde im Netz darüber diskutieren, ob sie ihren Bestand an Münzen jetzt noch aufstocken sollen, bevor die Mehrwertsteuer steigt, sind die Kunst- und Antiquitätenkäufer weitgehend ahnungslos. "Unsere Kunden wissen noch nicht, was auf sie zukommt", sagt Kunsthändler Winfried Bobsien, der ein Geschäft an der Steinstraße in Hamburg betreibt.

Die Bundesregierung plant, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent für Silbermünzen auf 19 Prozent anzuheben. Auch für Gemälde, Zeichnungen, Collagen, Radierungen, Lithografien und Skulpturen sowie eine Reihe von Antiquitäten soll der ermäßigte Mehrwertsteuersatz im nächsten Jahr wegfallen. Die Regelungen werden im Jahressteuergesetz 2013 verankert. "Die Details sind noch in der parlamentarischen Beratung", sagt ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums dem Abendblatt. Hintergrund sei eine Richtlinie der EU, die Deutschland nach Einschätzung aus Brüssel nicht ausreichend umgesetzt habe. Deshalb seien jetzt die Änderungen erforderlich.

Werden die Pläne realisiert, wovon viele Experten ausgehen, wird das Investieren in Sachwerte wie Silber, Kunst und Antiquitäten teurer. Sie haben mit der Euro- und Staatsschuldenkrise an Bedeutung gewonnen, weil sie verstärkt als Wertanlage gesehen werden. Für ein Gemälde, das jetzt 2500 Euro kostet müssten nach der Mehrwertsteueranhebung Kunden dann 280 Euro mehr bezahlen. Ein Silber-Philharmoniker (31,1 Gramm reines Silber) wird jetzt für 28,50 Euro verkauft. Künftig kostet er dann bei unverändertem Silberpreis 31,70 Euro.

Von der Flucht der Anleger in Immobilien, die bei den Deutschen als bevorzugter Sachwert gelten, haben die Bundesländer bereits profitiert. Schon vor dem großen Preisanstieg bei Immobilien wurde die Grunderwerbssteuer erhöht. In Hamburg und Niedersachsen stieg sie von 3,5 auf 4,5 Prozent, in Schleswig-Holstein wurde sie sogar auf fünf Prozent erhöht. Das Saarland plant jetzt, den bundesweit höchsten Satz in Höhe von 5,5 Prozent einzuführen.

Jetzt sollen weitere Sachwerte höher besteuert werden. Die betroffenen Händler rechnen mit Umsatzeinbußen, weil die Käufer die höheren Preise nicht so einfach hinnehmen werden. Rainer Herold betreibt an den Colonnaden eine Galerie für norddeutsche Kunst von den Anfängen des Impressionismus bis in die 1950er-Jahre. "Wir müssen im Einzelfall abwägen, wie wir mit der Steuererhöhung umgehen", sagt Herold. Die Steuererhöhung lasse sich nicht in jedem Fall an die Kunden weitergeben. Zwar können die Galerien auch eine andere Form der Besteuerung wählen, wenn sie Werke von einem Sammler aufkaufen und an Kunden weiterveräußern. Bei der sogenannten Differenzbesteuerung unterliegt nur der Unterschiedsbetrag zwischen An- und Verkaufspreis der Mehrwertsteuer. Doch auch in diesem Fall werden künftig 19 statt sieben Prozent fällig.

Die Galerie für zeitgenössische Kunst Bräuning Contemporary am Heidenkampsweg wurde 2010 gegründet. "Etablierte Sammler denken in Budgets", sagt Inhaber Till Bräuning. "Sie werden dann weniger Bilder kaufen, und die Menschen, die ihr erstes Bild von einem Künstler kaufen, sind meist jung und müssen erst recht auf das Geld gucken." Probleme erwartet auch Dirk Rose von der Galerie Rose am Großen Burstah. "Wir können den Künstlern nicht einfach weniger Geld zahlen, denn das sind keine reichen Leute", sagt er. Wenn die Regelung kommt, werde sie für die Galerien eine "große Belastung". Bei Antiquitäten fürchtet Bobsien, dass der Handel weiter zurückgedrängt wird und die Auktionshäuser im Gegenzug profitieren. Denn dort können millionenschwere Kunstwerke versteigert werden, ohne dass darauf Mehrwertsteuer anfällt. "Sie wird nur fällig auf die Caveling-Gebühr, die Verkäufer und Ersteigerer an das Auktionshaus zahlen müssen", so Bobsien.

Der Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler (BVGD) möchte in letzter Minute noch einen Ausgleich für den Verlust des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes erreichen. "Wir stehen in Verhandlungen mit dem Bundesfinanzministerium", sagt Silvia Zörner vom BVGD. "Wir wollen die Einführung einer 30-prozentigen Margensteuer erreichen." Dann würden vom Verkaufspreis nur 30 Prozent mit 19 Prozent Mehrwertsteuer belegt, 70 Prozent bleiben unversteuert.

Die Edelmetallhändler haben sich bereits mit der neuen Besteuerung abgefunden. "Wir rechnen damit, dass der Absatz von Silbermünzen im neuen Jahr zurückgehen wird", sagt Stefan Rose, Leiter des Edelmetallhandels der Hamburger Sparkasse. Es sei auch eher zu erwarten, dass dann Silberbarren, statt -münzen gekauft wurden, weil das günstiger sei. Jetzt wird das noch durch den Unterschied bei der Mehrwertsteuer verhindert. Auf Barren entfallen 19 Prozent und auf die Münzen nur sieben Prozent. Mit dieser Ungleichbehandlung ist Deutschland im europäischen Vergleich eine absolute Ausnahme. Gleichzeitig gehören deutsche Investoren zu den größten Nachfragern von Anlagemetallen. "Die Österreicher und Slowenen müssen einen Aufpreis von 20 Prozent bei Barren und Münzen hinnehmen, in Finnland sind es sogar 22 Prozent", sagt Benjamin Summa vom Edelmetallhändler Pro Aurum.

Schon jetzt gibt es bei Silbermünzen zwischen An- und Verkaufspreis einen Unterschied von 13 Prozent. Diese Spanne wird sich durch die Mehrwertsteueranhebung weiter erhöhen. "Wir sehen noch keine massiven vorgezogenen Käufe bei Silbermünzen", sagt Wolfgang Wrzesniok-Roßbach vom Degussa-Goldhandel. "Die Käufer achten eher auf den Silberpreis statt auf steuerliche Änderungen. Bei einem sinkenden Preis verzeichnen wir eine erhöhte Kaufbereitschaft." Da sich Silber nach einem kräftigen Anstieg gerade in einer Konsolidierungsphase befindet, könnte es noch zu größeren Käufen zum Jahresende kommen. "Das Interesse an nicht inflationierbaren Sachwerten ist unverändert hoch", sagt Thorsten Proettel von der Landesbank Baden-Württemberg.

Die Mehrheit der Edelmetallanleger setzt allerdings ohnehin auf Gold. Bei diesem Edelmetall bleibt alles unverändert. Es ist mit Rücksicht auf den ehemaligen Status als gesetzliches Zahlungsmittel komplett von der Mehrwertsteuer befreit. Bei der Wertentwicklung liegt Silber allerdings vorne. Sein Wert verfünffachte sich innerhalb von zehn Jahren. Gold schaffte eine Vervierfachung.