Reederei-Chef Gast rechnet mit niedrigeren Wachstumsraten als vor der Finanzkrise. Zusätzliche Kosten belasten. Welthandel verändert sich.

Berlin. Die Zeit des stürmischen Wachstums in der Containerwirtschaft dürfte vorüber sein. Das zumindest glaubt Ottmar Gast, Chef der Hamburger Linienreederei Hamburg Süd. "Die Containerschifffahrt wird zwar nicht schrumpfen. Aber die Wachstumszahlen von vor der Weltfinanzmarktkrise werden wir nicht mehr sehen", sagte Gast gestern beim 29. Deutschen Logistik-Kongress in Berlin, einer Art jährlichem Gipfeltreffen der Branche in Deutschland und Europa.

Nicht die Folgen der Finanzmarktkrise allerdings dämpften das Wachstum der Branche auf lange Sicht, sondern vor allem steigende Energiekosten und verschärfte Umweltauflagen. Gast berichtete, dass eine Tonne Bunkeröl, der Brennstoff für die Containerschiffe, im laufenden Jahr durchschnittlich 655 Dollar (rund 500 Euro) koste. 2009 waren es, mit Beginn der Finanzmarktkrise, rund 350 Dollar je Tonne. Im Jahr 2020 aber könnten, so eine Einschätzung der Schifffahrtsbranche, 1000 Dollar je Tonne fällig werden. "Das hat primär nicht einmal mit den steigenden Rohölpreisen zu tun", sagte Gast. "Der Mehrpreis ergibt sich schon daraus, dass wir in der internationalen Schifffahrt den Anteil des Schwefels im Brennstoff von heute rund 3,5 Prozent bis 2020 - zu Recht - auf 0,5 Prozent senken müssen. Dafür brauchen wir teurere Öle und Marinediesel."

Bislang fahren Seeschiffe vor allem mit geringwertigem sogenannten Bunker-C-Öl, das als Abfallstoff der Raffinerien gilt. Doch selbst dafür steigt der Preis tendenziell immer weiter an.

Hamburg Süd müsse im Jahr 200 Millionen Dollar mehr aufwenden, wenn der Brennstoffpreis im Durchschnitt um 100 Dollar je Tonne steige, sagte Gast. Teurer werde der Seetransport auch durch steigende Abgaben auf den Ausstoß von Kohlendioxid und durch strengere Auflagen zur Vermeidung von Stickoxid-Emissionen. Letztlich schlage auch die Überlastung von Infrastrukturen wie etwa Hafenterminals negativ zu Buche: "Chronische Verstopfungen, etwa auf dem für uns wichtigen Terminal der brasilianischen Hafenstadt Santos, kosten uns im Jahr bis zu 120 Millionen Dollar."

Gast rechnet damit, dass die steigenden Kosten für den Seetransport den Umschlag von Containern langfristig dämpfen. In den Boomjahren der Branche wuchs der Containertransport im Verhältnis zum Wert des Welthandels um das Dreieinhalbfache. Dieser Faktor wird vermutlich auf 1,5 sinken, sagte Gast. Das dürfte Folgen auch für die industrielle Arbeitsteilung haben. Seit Jahrzehnten wird in Schiffscontainern nahezu jedes denkbare Gut um die Welt gefahren, um an bestimmten Orten endmontiert, veredelt und vermarktet zu werden. Mittlerweile landet sogar Sand in den Stahlboxen. Rund 90 Prozent aller Stückgüter und Waren werden in Containern transportiert.

Weiter steigende Transportkosten könnten allerdings dazu führen, dass die regionale Produktion verschiedener Waren wieder an Bedeutung gewinnt: "Güter, die man hoch automatisiert im Prinzip an jedem Ort herstellen kann - zum Beispiel Solarmodule oder Mobiltelefone - wird man künftig vermutlich näher an ihren Absatzmärkten herstellen als heute", sagte Gast, "zumal auch das Lohnniveau in vielen Schwellenländern, vor allem in Asien, weiter steigt."

Die Verschiebungen im Welthandel, die sich bereits statistisch abzeichnen, haben aus Sicht Gasts auch Auswirkungen auf das Wachstum des Hamburger Hafens. Die Planer der städtischen Wirtschaft und Politik rechnen damit, dass der Containerumschlag von derzeit etwas mehr als neun Millionen Einheiten (TEU) im Jahr bis 2025 auf bis zu 25 Millionen TEU ausgebaut werden kann. Diese Annahme liegt auch dem neuen Hafenentwicklungsplan zugrunde. Gast sagte, ohne Hamburg ausdrücklich zu nennen: "Ich habe gewisse Zweifel, ob es bei den Häfen in Europa innerhalb von 15 bis 20 Jahren eine Verdoppelung oder Verdreifachung des Containerumschlags geben wird."