Ob für Aspirin, Bahlsen oder Milka - Designer aus der Hansestadt erfinden die richtigen Hüllen. 14.000 Menschen arbeiten in der Branche.

Hamburg. Tom Leistenschneider sitzt im Büro seiner Designagentur Ropelius; er ist der kreative Kopf, der zahlreichen Gegenständen im Alltag ihr Aussehen gibt. Durch die Hände des 51-Jährigen in weißem Hemd und mit stylischer Brille sind Designs gegangen, die fast jeder Verbraucher in seinem Haushalt verwendet: Aspirin-Schachteln, Milka-Tafeln, Packungen mit Bahlsen-Keksen. Viele namhafte Konzerne sind Kunde bei Ropelius, und die Bekanntheit der Hamburger Designer hilft bei der Akquise von neuen Aufträgen: "Wenn die Marketingverantwortlichen zu einer anderen Marke wechseln, wird man auch dort empfohlen", sagt Leistenschneider, der in seinem früheren Berufsleben selber auf der anderen Seite gesessen hat: Über Jahre arbeitete er bei Unilever für Marken wie Langnese.

Ropelius ist eine der erfolgreichen Designagenturen Hamburgs - und sie gehört zu einem der am stärksten wachsenden Wirtschaftsbereiche der Stadt. Insgesamt setzt die Branche an Alster und Elbe gut 1,2 Milliarden Euro im Jahr um. Die Hamburger Designer sind in der gesamten Kreativwirtschaft nicht nur der Teilmarkt mit den meisten Selbstständigen, sondern haben mit knapp 14 000 Angestellten in nahezu 3000 Designbüros, internationalen Agenturnetzwerken und Unternehmen im bundesweiten Vergleich auch die höchste Anzahl an Erwerbstätigen. Das geht aus dem aktuellen Kreativwirtschaftsbericht für Hamburg hervor.

Der Erfolg der Designer beruht nicht zuletzt auf der Wirtschaftsstruktur Hamburgs: "Mit zahlreichen Medien- und Markenartikelherstellern verfügt Hamburg über einen großen Pool an Auftraggebern für die Branche" sagt Babette Peters, Direktorin der Initiative hamburgunddesign°, die bei der Kulturbehörde angesiedelt ist. Dieser Standortvorteil gelte insbesondere in den Bereichen Kommunikations-, Verpackungs- und Markendesign. Die Designer der Stadt "veredelten" die hier im Hafen umgeschlagenen Waren und Materialien auf dem Weg zum Konsumenten in und außerhalb Hamburgs.

Die einen gestalteten Dienstleistungen und Informationen, Alltagsgegenstände, Hightech- und Lifestyle-Produkte, Mode, Fahrzeuge oder Spiele. Die anderen konzentrierten sich auf reale und virtuelle Räume oder Möbel. So wie die Agentur BFGF: Zu den Kunden der Kreativen gehören die Werbeagentur Philipp und Keuntje, die Zigarettenmarke West oder die Laeiszhalle. Für die Agentur gestalteten die Designer Büroräume, welche die Kommunikation in der Firma fördern sollten, für West Produkte wie Aschenbecher und für die Musikhalle einen Tresen im Brahms-Foyer. "Gerade Hamburg ist mit den unterschiedlichen Großprojekten, wie die HafenCity oder die Elbinseln im Rahmen der IBA städtebaulich sehr aufgeschlossen. Das eröffnet uns als Gestalter viel Raum", sagt BFGF-Geschäftsführer Sebastian Mends-Cole.

Auch die zahlreichen Ausbildungsmöglichkeiten in Hamburg befruchten die Branche immer wieder neu: "Wir, also die Geschäftsführer von BFGF, haben an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg studiert und bereits während des Studiums als Designer gearbeitet und Hamburger Agenturen und Bars gestaltet", sagt Mends-Cole. Daher habe für das Team schnell festgestanden, sich auch hier selbstständig zu machen. Auch heute sind die Ausbildungsstätten äußerst zahlreich und umfassen neben der Hochschule für bildende Künste renommierte Institutionen wie die Fakultät Design, Medien und Information an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, die AMD Akademie Mode & Design, die Macro-media Hochschule für Medien und Kommunikation, die Kunstschule Alsterdamm oder die FSG Freie Schule für Gestaltung.

"Es ist allerdings wichtig, dass sich die Wirtschaft hier nicht nur auf Airbus und den Hafen konzentriert", findet Designprofi Leistenschneider. Die "gute Mischung" der Stadt mit dem Schanzenviertel, mit Programmkinos und anderen Kulturangeboten dürfe nicht dem Sparzwang zum Opfer fallen. In der klassischen Werbung habe Berlin bereits mehr Anhänger gefunden als die Hansestadt, sie müsse für die kreative Szene weiter attraktiv bleiben.

Doch die Stadt weiß um die Herausforderung, den bekannten Firmen der Branche wie die Peter Schmidt Group, Mutabor, Design3, oder Peter Maly hier weiterhin einen attraktiven Standort bieten zu müssen. Das aktuell wichtigste Projekt von hamburgunddesign° ist das in Bau befindliche Designzentrum designxport. 2012/2013 wird designxport als öffentliche Plattform für Ideen, Informationen und Diskussionen rund um das Thema Design aus Hamburg und der Welt im Elbtorquartier am Magdeburger Hafen in der HafenCity eröffnet werden.

Zuvor soll der Branche ebenfalls eine Möglichkeit gegeben werden, sich zu präsentieren: Am kommenden Wochenende wird in der Neustadt das unter anderem von hamburgunddesign° initiierte "designxport pop-up festival 2012" stattfinden: In Designbüros und -geschäften rund um die Wexstraße herum werden Hamburger Produkt-, Kommunikations- und Modedesigner ihre eigenen Arbeiten zeigen. Darüber hinaus werden Hamburger Designer, drei Hochschulen aus Köln und Hamburg sowie die Designzentren aus Groningen (Niederlande) und Tallinn (Estland) aktuelle Projekte vorstellen - in insgesamt zehn Lkw, die eine temporäre Wagenburg auf dem Großneumarkt bilden werden. Die Eröffnung des Festivals ist am Sonnabend um 19 Uhr auf dem Großneumarkt.