Der US-Ökonom Lloyd Shapley und sein Kollege Alvin Roth werden für ein Modell ausgezeichnet, wie Marktakteure am besten zueinanderfinden

Stockholm. Auf seinen Wirtschafts-Nobelpreis hat Lloyd S. Shapley lange warten müssen. Stolze 89 Jahre ist der US-Ökonom und Mathematiker alt. Bereits in den 1960er-Jahren sorgte er für die theoretische Grundlage, wie Märkte effektiv funktionieren. Jahre später setzte dies Alvin E. Roth, der sich den Preis mit Shapley teilt, in die Praxis um. Der heute 60 Jahre alte Alvin Roth half beim Aufbau von Institutionen, um Marktteilnehmer bestmöglich zusammenzubringen - etwa bei einer Tauschbörse von Spendernieren.

Damit geht der international umstrittene Wirtschafts-Nobelpreis 2012 abermals in die USA - wie fast in jedem Jahr. Die beiden Forscher hätten bahnbrechende Erkenntnisse dafür entwickelt, wie man "verschiedene wirtschaftliche Akteure zueinanderbringt", erklärte die Schwedische Wissenschaftsakademie. Als Beispiel nannte die Akademie, dass etwa Schüler mit den richtigen Schulen zusammengebracht werden müssten.

Roth sagte am Telefon von Kalifornien aus, er sei "überrascht und glücklich" über den Nobelpreis. Auf die Verleihung in Stockholm am 10. Dezember freue er sich, weil "das eine sehr gute Party sein soll". Roth ist Professor an der Harvard-Universität in Cambridge. Shapley kommt von der University of California in Los Angeles. Er ist der zweitälteste Empfänger der Wirtschafts-Auszeichnung zum Zeitpunkt der Vergabe.

Shapley untersuchte Märkte mittels der Spieltheorie. Der inzwischen emeritierte Professor entwickelte in den 1950er- und 1960er-Jahren den sogenannten Gale-Shapley-Algorithmus, wonach die Zuordnung zwischen Marktteilnehmern stabil ist. Dies ist dann der Fall, wenn es keine zwei Marktteilnehmer gibt, die besser zusammenpassen, als sie es mit ihren aktuellen Pendants bereits tun. Roth nutzte diese Erkenntnis, als er später half, Auswahlsysteme zu optimieren. Dabei verbesserte er etwa die Verteilung von jungen Ärzten, die Jobs an Krankenhäusern suchen, und den Bewerbungsprozess von Schülern an Highschools in New York.

Die Akademie würdigte die Leistung der Preisträger, die von abstrakter Theorie über empirische Arbeit bis hin zu "fortdauernden Bemühungen reicht, um praktische Lösungen für Probleme der echten Welt zu finden".

Die Auszeichnung ist mit umgerechnet gut 920 000 Euro dotiert. Sie wird erst seit 1969 vergeben und ist offiziell kein Nobelpreis, denn sie geht nicht auf das Testament des Preisstifters Alfred Nobel zurück. Die Dotierung für den "Preis der schwedischen Reichsbank zum Andenken an Alfred Nobel" ist allerdings mit den anderen Nobelpreisen identisch.

Umstritten ist die Auszeichnung, weil von den bisher 71 Wirtschaftspreisträgern 56 an US-Instituten arbeiteten. 2009 erhielt die US-Ökonomin Elinor Ostrom als bisher einzige Frau einen Wirtschaftsnobelpreis. Einziger deutscher Preisträger war 1994 der Bonner Spieltheoretiker Reinhard Selten.

"Wir können kein nationales Quotensystem einführen", sagte der Stockholmer Nationalökonom und Nobel-Juror Mats Persson der Nachrichtenagentur dpa zur Dominanz der US-Forscher. "Wir müssen den Preis für die beste Forschung geben. Da ist nun mal Fakt, dass das meiste in unserem Fach aus den USA kommt." Persson wies auch Überlegungen zurück, bei der Auswahl der Preisträger verstärkt Lösungsansätze für aktuelle Probleme wie etwa die Euro-Krise zu berücksichtigen. "Unser Preis ist nicht tagesaktuell", erklärte Persson. "Dass die richtige Niere zum richtigen Empfänger kommt, ist wohl genauso konkret und wichtig wie die Lösung der Euro-Krise." Die Arbeit der beiden US-Professoren sei "ein sehr schönes Beispiel dafür, wie man von mathematischer Theorie zu praktischer Anwendung kommen kann."

Der deutsche Wirtschafts-Nobelpreisträger Reinhard Selten begrüßte die Auszeichnung des US-Ökonomen Shapley. "Shapley hätte den Preis schon lange bekommen sollen", sagte Selten der "Financial Times Deutschland". Das Leben eines Ökonomen werde durch einen Nobelpreis verändert, sagte Selten: "Man muss plötzlich Interviews führen, plötzlich gibt es das Interesse der Öffentlichkeit und der Presse. Bei der Karriere als Wissenschaftler hilft das nicht unbedingt."