Der GründungsService der Hamburger Hochschule HAW macht Studenten zu Unternehmern - etwa mit der Kunsthandelsplattform GrandArtClub

Hamburg. Der Büroraum in der siebten Etage des Hochschulgebäudes wirkt wie ein Studierzimmer, in dem sich Absolventen gemeinsam auf ihr Examen vorbereiten: mehrere Computerarbeitsplätze, Bücher, Zeitschriften, Prospekte, wenig Ordnung, viel Bewegung. Nur die Radierung, die an einer der Wände hängt, fällt in dieser Umgebung aus dem Rahmen, gerade weil sie fest in einem solchen steckt, in einem vergoldeten Reliefrahmen mit weißem Passepartout. Es ist die Radierung "Schiessbude" von Max Beckmann, 32,2 Zentimeter hoch, 25,1 Zentimeter breit. Man kann sie kaufen, direkt von der Wand weg, für 4800 Euro.

Das Zimmer in der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in der Alexanderstraße ist die Firmenzentrale der Internetplattform GrandArtClub, zumindest vorübergehend, bis die Jungunternehmer ein neues Domizil gefunden haben. "Der Beckmann stammt von 1921, die Radierung wurde 125-mal gedruckt", erklärt Sebastian Braun, 32, gelernter Kunsthändler und einer der Geschäftsführer. Gemeinsam mit Karol Domagalski, 28, Stanislaw Schmidt, 28, und Marc Alexander Holtz, 37, gründete er im Frühjahr GrandArtClub, seit Juni steht die Internetseite der Firma im Netz. "Wir wollen unter anderem Menschen ansprechen, die sich normalerweise nicht trauen, eine Kunstgalerie zu betreten oder in exklusiven Kunstzirkeln zu kaufen", sagt Braun, der lange bei der renommierten Hamburger Galerie Huelsmann gearbeitet hat. "Der Kunstmarkt ist stark im Umbruch, und viele traditionsreiche Galerien arbeiten noch nicht mit dem Internet", ergänzt Holtz. "Das ist der richtige Zeitpunkt, um ein Unternehmen wie GrandArtClub aufzubauen."

Seit 2010 überlegten die Gründer, wie man ein Unternehmen mit Perspektiven, aber ohne allzu viel Bedarf an Eigenkapital in Gang bringen kann. "Der Kunstmarkt war unsere Topidee", sagt Schmidt. Die HAW, an der er und Holtz studiert haben, half ihnen dabei unter anderem mit logistischer Unterstützung wie dem Arbeitsraum für die Aufbauphase. Auch das Gründerstipendium Exist des Bundeswirtschaftsministeriums, das Schmidt und Domagalski für ein Jahr bekommen hatten, war wertvoll für die Firmengründung. Nicht in Geld zu messen dürfte hingegen die Starthilfe sein, die Werner Krassau den Nachwuchsunternehmern gegeben hat.

Vor fünf Jahren baute Krassau, 63, den GründungsService der HAW auf. Anlass dafür war eine neue Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums, Studenten zum Aufbau eigener Unternehmen zu motivieren. Die HAW gestaltete gemeinsam mit der Universität Hamburg und der TU Hamburg-Harburg ein Projekt mit verschiedenen Elementen. Die Aktion endete 2010, der GründungsService aber lief weiter. "Seit 2007 haben wir 87 Ausgründungen von Unternehmen betreut", sagt Krassau stolz. "Insgesamt arbeiten in den Firmen derzeit rund 200 Mitarbeiter."

Krassau hat in seiner beruflichen Laufbahn die Verbindung von Hochschule und Unternehmertum selbst gelebt. Vor 36 Jahren kam der studierte Ingenieur als wissenschaftlicher Mitarbeiter zur HAW. Dort organisierte er Ausgründungen von Unternehmen vor allem in der Lasertechnologie. Unter anderem leitete er zehn Jahre lang als Geschäftsführer das Norddeutsche Laserausbildungszentrum, das Fachwissen für die Arbeit etwa beim lasergestützten Schweißen vermittelt.

Etliche Studenten haben davon profitiert, dass Krassau wieder zur HAW zurückkam. Der GründungsService bietet ein breites Programm: von der Qualifikation, wie man eine Unternehmensgründung plant und vorbereitet, über die Anbahnung von Kontakten und Stipendien bis hin zur eigentlichen Betreuung in der Gründungsphase. Die voll ausgestatteten Büros in der Gründerwerkstatt bieten für eine Übergangszeit einen räumlichen Rahmen. Doch dahin muss man erst einmal kommen. Krassau berät Studenten, die eine Unternehmensgründung erwägen. Er ermutigt, bremst aber auch, wenn ihm Ideen nicht substanziell erscheinen.

"Wir lassen viele Ideen gleich durch Patente schützen", sagt er. "Bei mir im Schrank steht zum Beispiel eine neuartige, besonders hygienische Toilettenbürste. Tolles Konzept!" Mitunter lege man aber sogar Teams, die bereits in der Gründerphase seien, nahe, die Gründerwerkstatt zu verlassen, wenn keine Fortschritte zu erkennen seien. Sieben Teams mit insgesamt 28 Teilnehmern arbeiten derzeit in den Büros in der Alexanderstraße. "Das ist die Elite derer, die ein Exist-Stipendium bekommen haben", sagt Krassau.

Zur Aufnahme in der Gründerwerkstatt brauchen die Kandidaten einen ersten Studienabschluss, sie müssen immatrikuliert sein und ein gutes Konzept für den Aufbau eines Unternehmens vorlegen. In der Zeitspanne von der Idee bis zur Eintragung eines Unternehmens ins Handelsregister nimmt Krassau häufig Einfluss - vom ersten Zuspruch bis zur Vermittlung von Investoren und externen Räumen.

Derzeit begeistern ihn vor allem die Möglichkeiten der Internationalen Bauausstellung (IBA) in Hamburg, die 2006 begann und deren Ergebnisse 2013 im Stadtteil Wilhelmsburg präsentiert werden. "Wir wollen in einem Gebäude im Wilhelmsburger Reiherstiegviertel, in dem bereits das Projekt des Textilen Werkhofes sitzt, Flächen mieten, um Studenten aus unserem Designbereich dorthin zu bringen." Dafür sucht er Förderer und Finanziers.

Rund 14 500 Menschen studieren derzeit an der HAW. "Gut zwei bis drei Prozent der Studenten erreichen wir mit dem GründungsService, sodass sie mit Ideen zu uns kommen", sagt Krassau. Zumeist haben die Konzepte mit dem Internet und der Entwicklung von Software zu tun, vom elektronischen Handel bis zu Computerspielen, aber auch mit Dienstleistungen in sozialen Berufen wie der Altenpflege oder mit Produkten aus der Medizintechnik. Junge Unternehmen wie Gewerbeparkour, das Konzepte für nachhaltige Gewerbegebiete entwickelt, sind in der Gründerwerkstatt gestartet, Aircraft Technics HAM, das schwer zugängliche Ersatzteile für Flugzeuge designt, fertigen lässt und vertreibt, aber auch der Filmrecherchedienst, der Hintergrundinformationen für Filmproduktionen recherchiert und aufbereitet.

Und eben der GrandArtClub. Im Mai gewann das Team des Kunsthandelsunternehmens den Gründungswettbewerb "Senkrechtstarter" der Wirtschaftsförderung Bochum. Seit dem Sommer läuft das Geschäft. Die junge Mannschaft will die Bestände von Galerien mit der Nachfrage am Markt vernetzen, auf der eigenen Plattform im Internet ein breites Angebot an klassischen und zeitgemäßen Künstlern schaffen - stets mit konkreten Preisen, zu denen man ein Bild erwerben oder auch mieten kann. "Ein Internetportal kann den Besuch einer Galerie und die direkte Ansicht eines Bildes letztlich nicht ersetzen", sagt Sebastian Braun. "Aber wir können den Horizont sowohl für die Galerien wie auch für potenzielle Kunstkäufer erweitern." Zeitgemäße Zahlungssysteme, Haftungsbedingungen und ein entsprechender Zustellservice gehört zum Angebot dazu.

Bis zum Jahresende nutzen die Gründer den Raum in der HAW. Noch leben sie von Ersparnissen, die ersten Einnahmen fließen komplett in den Aufbau. Zumindest in seiner Prognose für das vierte Quartal des Jahres klingt Co-Geschäftsführer Stanislaw Schmidt schon wie ein alter Hase: "Wir hoffen auf das Weihnachtsgeschäft."