16 500 Beschäftigte in Hamburg gesucht. Agentur vermittelt aber weniger Jobs als vor einem Jahr. Herbstaufschwung fällt bundesweit schwach aus

Hamburg. Yvonne Wortmann ist glücklich. Innerhalb von acht Wochen, noch während ihrer Kündigungsfrist, hat die alleinerziehende Mutter einen neuen Job gefunden und war nicht einen Tag arbeitslos. Für die Schuhkette Eggers verkauft sie nun in einer gerade eröffneten Filiale in Blankenese und soll künftig auch die Verantwortung für das Geschäft tragen. Nach mehreren Jobwechseln fühlt sich die Textilfachverkäuferin endlich "angekommen".

Den raschen Wechsel verdankt Wortmann dabei auch ihrem ehemaligen Arbeitgeber. FahnenFleck-Chef Andreas Fleck musste zwar ihren befristeten Vertrag auslaufen lassen, weil er eine Auszubildende nach bestandener Prüfung einstellen wollte. Doch gleichzeitig stellte er Wortmann, mit deren Arbeit er sehr zufrieden war, mit Beginn ihrer Kündigungsfrist frei. "Bei guten Mitarbeitern machen wir das immer so. Schließlich brauchen sie jede Stunde, um sich zu bewerben", sagt Fleck. Wortmann legte umgehend los und brauchte mithilfe der Arbeitsagentur in Altona nur zwei Vorstellungsgespräche, um ihren neuen Job bei Eggers perfekt zu machen. "Wir nehmen gerne Leute, die noch in ihrer Job-Routine sind. Sie sind erfahrungsgemäß besser qualifiziert, als wenn sie schon ein Jahr lang nicht gearbeitet haben", sagt Dirk Eggers, einer der drei Geschäftsführer der Schuhkette, die in Kappeln an der Schlei ihren Sitz hat.

Wie Wortmann haben seit dem Jahresbeginn mehr als 4000 Menschen in Hamburg in der Kündigungsfrist eine neue Anstellung gefunden. Optimal für Arbeitgeber und Arbeitnehmer: Der eine erhält rasch eingearbeitetes Personal, der andere muss keine Einkommenseinbußen hinnehmen. Dazu kommt, dass die Arbeitsagentur allein bis Ende August mehr als 15 Millionen Euro eingespart hat. Denn im Durchschnitt erhält jeder, der sich in der Hansestadt arbeitslos meldet, knapp 3700 Euro ausbezahlt. Solche Beträge fallen nun nicht an. "Die Vermittlung Job-to-Job wollen wir ausbauen", sagte Agentur-Chef Sönke Fock gestern, als er die Zahlen für den Arbeitsmarkt vorstellte. Denn an der Elbe waren im September 16 500 Stellen offen - ein Jahreshoch.

Fock konnte aber mit noch weiteren guten Nachrichten aufwarten. So sank die Zahl der Arbeitslosen gegenüber dem August um 2294 auf 68 431 und damit erstmals in diesem Jahr auf weniger als 70 000. Die Arbeitslosenquote liegt jetzt bei 7,2 Prozent nach 7,4 Prozent im Vormonat. "Auch Langzeitarbeitslose, ältere Menschen oder Behinderte haben profitiert, überall ist die Zahl der Arbeitslosen gegenüber dem August gesunken", sagte der Agenturchef. Nach ähnlich guten Zahlen im Mai lagen die Quoten in Eimsbüttel mit 4,9 Prozent wieder unter fünf und in Harburg erneut unter zehn Prozent.

Dagegen gibt es auf dem bundesweiten Arbeitsmarkt erste Anzeichen einer schwächeren Entwicklung. So ist in allen Jahren seit 2008 die Zahl der Erwerbslosen nach der Sommerpause deutlich stärker zurückgegangen als jetzt. Bundesweit verringerte sich die Arbeitslosenzahl im September gegenüber dem Vormonat nur um 117 000 auf 2,788 Millionen. Die Quote sank um 0,3 Punkte auf 6,5 Prozent. "Der Arbeitsmarkt ist zwar robust, die schwächere wirtschaftliche Entwicklung wirkt sich aber aus", sagte der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise. Die Gefahr, den Job zu verlieren, sei zwar gering. "Ich sehe aber schon, dass es für Arbeitslose schwieriger geworden ist, eine Beschäftigung zu finden."

Hamburgs Agentur-Chef Fock hat dies ebenfalls erkannt. Die Entwicklung machte er gestern an den Vermittlungszahlen von Arbeitslosen gegenüber September 2011 deutlich. Hier konnten jetzt knapp 3500 Arbeitslose weniger in neue Jobs gebracht werden als vor Jahresfrist. "Auch wir spüren für Hamburg eine leichte konjunkturelle Abkühlung", sagte Fock. Dazu kommt, dass Förderungen vor dem Hintergrund der bisher guten Entwicklung zurückgefahren wurden. Ein Beispiel: Seit November ist der Gründungszuschuss nicht mehr obligatorisch, sondern wird nur gezahlt, wenn die Agentur zustimmt. "Um dem etwas gegenzusteuern, haben wir die berufliche Weiterbildung seit Jahresbeginn ausgeweitet. Gegenüber 2011 sind gut 1000 Bewerber mehr in den Kursen", sagte Fock. Da die Qualifizierungen aber erst nach einigen Monaten bis hin zu drei Jahren abgeschlossen sein werden, wird sich dies auch nur mit Verzögerung auswirken.

So bleibt problematisch bei der Vermittlung, dass unter den arbeitslosen Bewerbern ausgebildetes Personal fehlt. "Ich kann hier nur an die Unternehmen appellieren, sich sowohl für freie Stellen als auch für Ausbildungsplätze auch vermeintlich schwächere Bewerber anzuschauen und ihre Unterlagen nicht gleich zur Seite zu legen", sagte Fock. Derzeit erscheinen ihm die Betriebe in diesem Punkt noch zu zögerlich. "Ändert sich das Verhalten nicht, werden die Arbeitslosenzahlen bis zum Jahresende über denen von 2011 liegen", warnte er. Derzeit ist die Zahl noch um genau einen Arbeitslosen niedriger als im September 2011.

Trotz seiner Einschränkungen erwartet der Agenturchef keine Trendwende für Hamburg. Immerhin lag die Zahl der Beschäftigten in der Hansestadt im Juli - neuere Zahlen gibt es nicht - mit 856 500 um 21 387 höher als im vergangenen Jahr. Auch bei den Arbeitslosen soll es bis zum Jahresende bei unter 70 000 Betroffenen bleiben.