Dirck Süß, der neue Chefvolkswirt der Handelskammer Hamburg, setzt sich für eine starke Metropolregion ein

Hamburg. Er hätte selbst Unternehmer werden können, doch nun analysiert Dirck Süß, 45, die wirtschaftliche Lage und Zukunft der Firmen in Hamburg und der Umgebung. Das besondere Anliegen des neuen Chefvolkswirts der Handelskammer Hamburg ist dabei die Stärkung der Metropolregion. So sieht er großes Zukunftspotenzial für die Region an der Unterelbe. "Vor dem Hintergrund steigender Transportkosten, die besonders den Gütertransport auf dem Landweg verteuern, wird es immer sinnvoller, Produktionsstätten in der Nähe eines großen Seehafens anzusiedeln, anstatt Vorprodukte erst nach Süddeutschland zu bringen und die fertigen Erzeugnisse dann für den Export wieder in den Norden zu schicken", sagt Süß dem Abendblatt.

Hinzu komme, dass im Zuge der Energiewende künftig Strom aus Windparks in Norddeutschland reichlich vorhanden sein werde. Die Möglichkeiten, die diese geografischen Vorteile böten, müssten noch stärker genutzt werden. Dazu ist nach seiner Auffassung eine bessere Kooperation zwischen den Nordländern nötig. "Unternehmer denken nicht in den Grenzen der Bundesländer oder der Kammerbezirke", sagt Süß. "Wir müssen so denken, wie es die Firmen tun."

Wenn aber Umlandkreise versuchten, Betriebe aus Hamburg zum Beispiel mit dem Argument niedrigerer Gewerbesteuern wegzulocken, sei das aus Sicht der Metropolregion ein "Nullsummenspiel und Verschwendung von Ressourcen", findet der Handelskammer-Geschäftsführer: "Gesunder Wettbewerb ist legitim, aber gezielte Abwerbungen halte ich für kontraproduktiv. Wenn wir uns als Metropolregion sehen, sollte der Fokus darauf liegen, Unternehmen neu in die Region zu holen."

In seinem neuen Amt hat Süß acht fest angestellte Mitarbeiter. Sie beschäftigen sich außer mit der Wirtschaftspolitik auch mit Steuerpolitik: "Wir versuchen, auf die Steuergesetzgebung Einfluss zu nehmen, und geben Orientierungshilfe für Unternehmen in steuerlichen Fragen." Darüber hinaus ist der Geschäftsbereich von Süß für die Beobachtung der Wirtschaftslage zuständig: "Mit der vierteljährlichen Konjunkturbefragung fühlen wir den Puls der Hamburger Wirtschaft." Ein noch aktuelleres Stimmungsbild liefert das wöchentliche Treffen mit den Handelskammer-Kollegen, die für die verschiedenen Branchen verantwortlich sind.

Dem Erfahrungsaustausch mit anderen Institutionen dient das "Hamburger Konjunkturgespräch", an dem Experten der örtlichen Bundesbank-Hauptverwaltung, des HWWI, der Handwerkskammer, der Arbeitsagentur, der Wirtschaftsbehörde und des Statistischen Landesamts teilnehmen.

Aktuell befinde sich die Wirtschaft in einer "etwas unwirklichen Situation", sagt Süß: "Man befasst sich ständig mit der Schuldenkrise, aber die Unternehmen merken derzeit nicht viel davon" - so als liege Deutschland im ruhigen Auge eines Wirbelsturms. Generell aber sei die Wirtschaft in der Hansestadt weniger anfällig gegen Abschwünge als in anderen Bundesländern: "Die ausgewogene Branchenstruktur macht uns relativ robust."

Auf längere Sicht sei die Hansestadt ohnehin gut aufgestellt: "Wir haben eine vergleichsweise junge Bevölkerung. Außerdem ist hier der bedeutendste Hafen für die mittel- und osteuropäischen Länder, von denen sich viele sehr dynamisch entwickeln." Und wenn die Brücke über den Fehmarnbelt realisiert sei, liege die Stadt "mitten auf einer neuen europäischen Wachstumsachse". Es gelte aber, im Hinblick auf die Verkehrsinfrastruktur die Voraussetzungen zu schaffen, diese Chancen nutzen zu können. Dazu werde mindestens eine weitere Elbquerung gebraucht.

In seiner jetzigen Position arbeitet Süß an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik. Das war immer sein Wunsch. Dabei ist er auch mit dem Unternehmertum gut vertraut: "Mein Vater hatte einen mittelständischen Betrieb, und ich hätte dort einsteigen können. Aber mich hat mehr das 'große Ganze' interessiert."

So hat Süß in Kiel und Marburg Volkswirtschaftslehre studiert und in Frankfurt/Oder promoviert. Im Jahr 1999 sah er zufällig eine Stellenausschreibung der Handelskammer Hamburg und so kehrte er in seine Geburtsstadt zurück: "Ich hatte das gar nicht geplant, habe die Möglichkeit aber gern angenommen." Zunächst arbeitete Süß als Referent für internationale Verkehrspolitik, dann als Assistent des Hauptgeschäftsführers Hans-Jörg Schmidt-Trenz. Es folgten sieben Jahre als Leiter der Abteilung, die die Branche der beratenden Dienstleistungen betreut - das sind etwa Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater, Personaldienstleister und Immobilienmakler.

Auch im Privatleben schlägt Süß die Brücke zwischen Hamburg und dem Umland: Der Vater von drei Kindern wohnt in Lütjensee in Schleswig-Holstein. In der Freizeit trainiert er für Marathonläufe und für den Hamburg-Triathlon. Außerdem spielt er bei den Lütjensee Lakers eine Breitensportvariante des amerikanischen Baseballs. Damit hat Süß, wie er sagt, einen "guten Gegenpol" zu den vielen Stunden im Büro der Handelskammer gefunden.