Konzern Dong will deutscher Marktführer werden. Ein Besuch auf der Ostsee, wo derzeit einer der größten Windparks Dänemarks entsteht.

Grenaa. Gut eine Stunde nach dem Ablegen des Schiffes im Hafen von Grenaa zeichnet sich auf der Ostsee die Silhouette eines Windkraftwerks ab. Rundherum ragen aus den Wellen leuchtend gelbe Röhren, immer mehr von ihnen werden sichtbar, bis weit hinein ins Kattegat. Zwischen Jütland und der dänischen Insel Anholt entsteht der größte Offshore-Windpark Dänemarks. 111 Windturbinen werden dafür auf einer Fläche von 88 Quadratkilometern errichtet. Die erste von ihnen ist montiert, sie steht rund 18 Kilometer vor der Küste. Nach der Fertigstellung im Herbst 2013 soll das Meereskraftwerk mit 400 Megawatt installierter Leistung vier Prozent zur Deckung des dänischen Strombedarfs beitragen.

Christina Grumstrup Sørensen steht auf dem Oberdeck der Fähre "Anholt", mit der eine Besuchergruppe an diesem Tag den Offshore-Windpark besichtigt. Das Schiff pflügt bei Windstärke 6 und eineinhalb Meter hohen Wellen durch die Ostsee, Gischt bricht über die Reling. Das Montageschiff "Sea Power", das die Türme und die Maschinenhäuser der Windturbinen auf die Fundamente hebt, muss bei diesem Wetter im Hafen von Grenaa bleiben.

"Für die Mannschaften, die den Windpark aufbauen, ist das ziemlich anspruchsvoll. Das Wetter ist im Zeitplan nie genau berechenbar. Aber Sicherheit hat oberste Priorität", sagt Grumstrup Sørensen, 39, die beim größten dänischen Energiekonzern Dong das Offshore-Windkraft-Geschäft für Dänemark und für Deutschland verantwortet. "Von der ersten Offshore-Windturbine, die Dong 1991 in Dänemark installiert hat, bis hierhin war es eine weite Reise", sagt sie. "Jetzt wird die Windkraft auf See im industriellen Maßstab geplant, gebaut und betrieben. Wir setzen dabei auch auf den deutschen Markt für Offshore-Windparks."

Bereits eine Reihe großer Windparks gebaut

Kein anderes Unternehmen weltweit hat, glaubt man der Selbstdarstellung, so viel Erfahrung mit Windparks auf See wie Dong. Mehr als zwei Dutzend Offshore-Kraftwerke hat der dänische Konzern bislang bereits in Betrieb genommen oder baut die Anlagen auf, vor allem in Dänemark und Großbritannien - und künftig auch in der deutschen Nordsee. Im vergangenen Jahr gründete Dong eine Niederlassung in Hamburg mit Sitz im Geschäftshaus Dockland am Altonaer Elbufer. 42 Menschen arbeiten derzeit dort, und es werden ständig mehr. 65 Mitglieder soll das Team bis zum Jahresende zählen. Hoch qualifizierte Fachkräfte für den Windkraft-Markt muss man mittlerweile allerdings länger suchen als noch vor einigen Jahren. "Ich habe noch nie so viele Vorstellungsgespräche geführt wie in diesen Monaten", sagt Christoph Mertens, 43, der bei Dong für den Aufbau der deutschen Offshore-Windparks verantwortlich zeichnet.

+++ Windenergie: Der Norden fühlt sich ausgebremst +++

+++ Husum oder Hamburg? Verhandlungen über Windmesse +++

+++ Windstrom: Albig fordert Priorität für den Norden +++

Spät erst trat Dong am deutschen Offshore-Windmarkt in Erscheinung, dann aber mit Wucht. Sechs Großprojekte kaufte der Konzern im zurückliegenden Jahr von der Entwicklungsgesellschaft PNE Wind AG, früher Plambeck Neue Energie. Werden alle Pläne realisiert, sollen auf den vorgesehenen Meeresarealen Windturbinen mit mehr als 1000 Megawatt Leistung aufgebaut werden. Im kommenden Jahr will Dong mit Borkum Riffgrund 1 gut 54 Kilometer vor der deutschen Küste beginnen, es folgen Riffgrund 2 und Borkum West sowie die Projekte Gode Wind 1 bis 3. "Es gab am deutschen Offshore-Windkraft-Markt viele Verzögerungen aus politischen, wirtschaftlichen oder juristischen Gründen. Wir glauben, dass der Markt jetzt reif ist", sagt Mertens, während sich das Fährschiff in rauer See der Sammelstation des Offshore-Windparks "Anholt" nähert.

Erfahrungen aus anderen Ländern nützlich für Projekte in Deutschland

Die Erfahrungen und Erkenntnisse aus vielen früheren Projekten sollen in Deutschland mit einfließen. Vor Anholt rammte die "Svanen", ein 100 Meter hohes Spezialgerät des niederländischen Unternehmens Ballast Nedam, für jede Windturbine eine stählerne Fundamentröhre in den Meeresboden. Bei einer Wassertiefe von 14 bis 20 Metern mussten die sogenannten Monopiles noch einmal 20 bis 30 Meter ins Erdreich hineingetrieben werden, je nach Art des Bodens. Auch beim Projekt Borkum Riffgrund will Dong mit Monopiles arbeiten. Dort ist das Wasser rund 28 Meter tief. Alternativen dazu sind deutlich aufwendigere und teurere dreibeinige Stahlfundamente, sogenannte Tripods. "Mit den Monopiles haben wir in diesen Wassertiefen bislang sehr gute Erfahrungen gemacht", sagt Mertens.

Mit dem Aufschwung der deutschen Offshore-Windkraft-Branche wachsen die Verbindungen zwischen Deutschland und Dänemark und auch zwischen Unternehmen aus beiden Ländern. Der Siemens-Konzern stieg 2005 mit der Übernahme des mittelständischen dänischen Herstellers Bonus in das Geschäft mit Windturbinen ein. Mittlerweile ist Deutschlands größter Elektronikkonzern Weltmarktführer bei Windturbinen, die speziell für den Einsatz auf dem Meer konzipiert sind. Für Dong ist Siemens derzeit der wichtigste Ausrüster. Das Unternehmen lässt Siemens-Windturbinen mit 3,6 Megawatt Leistung vor Anholt ebenso montieren wie in den großen britischen Windparks. Auch Borkum Riffgrund 1 soll mit Siemens-Maschinen bestückt werden. Gefertigt werden die Großanlagen in Dänemark. Von Hamburg aus aber steuert Siemens sein weltweites Geschäft mit der Windkraft.

Auch auf regionaler Ebene bringt die Offshore-Windkraft beide Länder enger zusammen. Auf der Insel Rømø nördlich von Sylt will das Bremer Unternehmen wpd, ein führender Anbieter für die Entwicklung und den Betrieb von Offshore-Windparks, einen Basishafen für eine neue Anlage rund 56 Kilometer westlich von Rømø aufbauen. Dong plant die Verschiffung seiner Fundamente und Maschinen für Borkum Riffgrund 1 vom dänischen Esbjerg aus in die deutsche Nordsee. Basishafen für die deutschen Nordsee-Windparks des Konzerns soll Norddeich im wirtschaftlich strukturschwachen Landkreis Aurich in Ostfriesland werden.

Auch der Konzern selbst steht für den tiefen Umbruch in der Energiewirtschaft. In den zurückliegenden Jahren war Dong in Deutschland vor allem mit Plänen für neue Kohlekraftwerke an den Standorten Emden in Niedersachsen und Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern aufgefallen. Diese Pläne aber gab das Unternehmen im Jahr 2009 auf. Grund dafür war der Strategiewechsel in der Konzernzentrale im dänischen Fredericia. "Im Jahr 2006 betrug der Anteil der fossilen Energien an der Stromerzeugung in unseren Kraftwerken 85 Prozent, 15 Prozent kamen aus erneuerbaren Quellen", sagt Offshore-Managerin Grumstrup Sørensen. "Bis zum Jahr 2040 will Dong dieses Verhältnis genau umdrehen."

Installation von Windturbinen auf dem Meer bleibt hartes Geschäft

Der deutsche Offshore-Markt spielt bei diesen Plänen eine zentrale Rolle. Tausende Windturbinen sollen in den kommenden Jahren vor allem auf der Nordsee installiert und mit den Landnetzen verbunden werden. In der vergangenen Woche beschloss das Bundeskabinett, dass die Stromverbraucher künftig durch eine Umlage beteiligt werden sollen, wenn die Kosten für die Netzanschlüsse steigen und dadurch die ehrgeizigen Zeitpläne für den Ausbau verzögert werden. Das nötige Gesetz muss noch von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Für die Stromkunden ist das eine schlechte Nachricht, für die investierenden Unternehmen hingegen eine wesentliche Erleichterung bei ihrer mittelfristigen Projektplanung. "Wir vertrauen darauf, dass die Politik das Richtige tut", sagt Grumstrup Sørensen.

Der Aufbau riesiger Windparks auf dem Meer gleicht in der Tat einer weiten Reise. Das spürt manch einer auch an Deck der Fähre "Anholt" auf dem Rückweg zum Hafen Grenaa. Mit der berüchtigten Ostseewelle im Kattegat hat das Schiff gut zu tun. Der eine oder andere seekranke Passagier muss vor der Heimkehr die Sanitäranlagen in Anspruch nehmen. An der Pier in Grenaa liegt die "Sea Power" vertäut neben Stapeln von Siemens-Windturbinen, Rotorblättern und stählernen Turmsegmenten. Für den Weiterbau des Windparks "Anholt" war es ein verlorener Tag. Von 111 Windturbinen müssen noch 110 hinaus auf See. Jede ist eine Herausforderung. Und die Zeit drängt.