Düsseldorf. Der Sexskandal bei Deutschlands drittgrößtem Versicherer Ergo hat offenbar weit größere Ausmaße als bislang bekannt. Freie Vertreter seien noch bis 2011 auf Unternehmenskosten mit Bordellbesuchen oder dem Aufenthalt in einem Swingerklub in Jamaika belohnt worden, berichtet das "Handelsblatt" unter Berufung auf Revisionsberichte der Versicherung.

Bereits 2011 hatte das Bekanntwerden einer im Jahr 2007 veranstalteten Sexorgie für besonders erfolgreiche Vertreter der Ergo-Tochter Hamburg-Mannheimer in den Budapester Gellert-Thermen dem Konzern negative Schlagzeilen beschert. Vorstandschef Torsten Oletzky bezeichnete die Veranstaltung, für die eigens 20 Prostituierte engagiert worden waren, damals als einen "groben Fehler" und betonte, es habe sich um einen Einzelfall gehandelt.

Ergo-Sprecher Alexander Becker sagte gestern, das Unternehmen halte weiter an dieser Einschätzung fest. Das Unternehmen habe bei seinen internen Untersuchungen bisher keinen anderen Fall gefunden, in dem die Versicherung gezielt Prostituierte zur Motivation von Vertretern eingesetzt habe. Nach Einschätzung des "Handelsblatts" zeigen drei Berichte der Konzernrevision aber, dass "Sexreisen als gängiges Belohnungsinstrument" bei der Versicherung eingesetzt wurden. Bei einer Incentive-Reise für freie Vertreter nach Mallorca soll 2005 ein Besuch im Bordell von der Firma bezahlt worden sein. Abgerechnet wurden die Kosten in Höhe von 2428 Euro zwar unter der Rubrik "Speisen und Getränke". Doch sei es "wahrscheinlich", dass damit "Aufwendungen für einen Nachtklub/Bordellbesuch finanziert wurden", zitierte das Blatt die Konzernrevision. Ergo-Sprecher Becker sagte, der Konzern sei den Vorwürfen nachgegangen, habe aber am Ende nicht klären können, was passiert sei.

In den Jahren 2009, 2010, 2011 fuhren dem Bericht zufolge außerdem freie Vertreter auf Kosten der Hamburg-Mannheimer in einen Swingerklub auf Jamaika. Das Hotel selbst wirbt in seinem Internetauftritt: "Seit dem Augenblick als Hedonismus II die Tore öffnete, vor rund 25 Jahren, ist es das berüchtigste Hotel in der Welt für Singles und Paare ab 18 Jahren." Ergo-Sprecher Becker räumte die Reisen nach Jamaika zwar ein, betonte aber, sie seien nicht vom Unternehmen organisiert worden. Dies hätten die selbstständigen Vermittler in Eigenregie getan und einen Zuschuss vom Unternehmen bekommen. Der Charakter der Reise sei damals nicht überprüft worden.