Adam Opel baut erst Nähmaschinen. Vor 150 Jahren gründet er sein Unternehmen, wird größter deutscher Autobauer - vom Glanz ist wenig geblieben.

Als Adam Opel im Sommer 1862 mit der Hessischen Ludwigs-Bahn aus Paris in die Heimat zurückkehrt, ist er voller Tatendrang und Zuversicht: Von den Wanderjahren inspiriert und motiviert, gründet der Schlosserlehrling am 23. August in Rüsselsheim seine eigene Firma. Zunächst geht es ihm nur um die Herstellung von Nähmaschinen. Doch legt Opel mit der Arbeit erst noch in der väterlichen Werkstatt und dann in einem ehemaligen Kuhstall vor exakt 150 Jahren das Fundament für einen Automobilhersteller, der in seiner Geschichte immer wieder Pioniertaten vollbringt - und für Schlagzeilen sorgt.

Die meiste Zeit sind es rundweg gute Nachrichten, die da aus Rüsselsheim kommen: Immerhin bringt Opel als erstes Unternehmen die Fließbandproduktion nach Deutschland. Während Mercedes oder Horch vor allem die Reichen und Mächtigen bedient haben, steht Opel lange vor Volkswagen für die halbwegs bezahlbare Mobilisierung des Bürgertums. Opel - das sind Erfindungen wie den Raketenwagen RAK2 oder der Corsa Eco 3 als erstes echtes Öko-Auto. Und zwischendurch haben es die Hessen sogar zum größten Automobilhersteller in Europa sowie in vielen Klassen zum Marktführer in Deutschland Welt gebracht.

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Doch seit den 1980er-Jahren hat der markante Blitz im Markenlogo stetig an Strahlkraft verloren. Selbst innovative Modelle wie der Minivan Zafira, das kleine Coupé Tigra, der leidenschaftliche Calibra und das allerorten gelobte Flaggschiff Insignia konnten den Niedergang doch nicht stoppen: Fehler in der Produktplanung, der ewige Streit mit der amerikanischen Konzernmutter in Detroit, dazu die Konjunkturflaute und die Finanzkrise haben Opel aktuell zu einem traurigen Sanierungsfall gemacht. Die Marktanteile brechen weg, der Absatz stockt, die Fabriken laufen mit Standgas, die Mitarbeiter fürchten um ihre Jobs, und positive Schlagzeilen gibt es selbst zum 150. Geburtstag kaum. Dabei hat alles so gut angefangen. Damals.

Zwar sind Opels Nähmaschinen schnell begehrt, doch setzt der Schlosser frühzeitig auch auf das Mobilitätsbedürfnis seiner Kunden und erweitert sein Programm um Fahrräder: 1886 verlässt das erste Velociped seine Fabrik. Die Fahrräder aus Rüsselsheim sind so populär, dass Opel Mitte der 1920er-Jahre zum größten Zweiradproduzenten der Welt aufsteigt. Da ist es mit Muskelkraft allein nicht mehr getan; längst baut das Unternehmen da auch schon Motorräder.

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1899, vier Jahre nach dem Tod Adams, denken seine Nachfolger noch einen Schritt weiter und starten ins Automobilgeschäft: Sie kaufen dem Erfinder Friedrich Lutzmann dessen Dessauer Motorenfabrik ab, machen ihn zum Direktor der Opel-Fahrzeugwerke und glänzen noch im selben Jahr mit der Premiere des "Patent Motorwagen Systems Lutzmann". Drei Jahre später präsentiert Opel im Herbst 1902 Opel mit dem Modell 10/12 PS seine erste Eigenkonstruktion. Die Rechnung der Rüsselsheimer geht auf: Bis 1906 verlassen bereits mehr als 1000 Fahrzeuge die Werkshallen. 1914 haben sie alle Konkurrenten überflügelt: Jetzt ist Opel der größte Autoproduzent in Deutschland.

Dafür sorgen vor allem erschwingliche Erfolgsmodelle wie der "Doktorwagen" (1909) und das "Puppchen" (1914). Vom Erfolg beflügelt, werden die Hessen innovativ und abenteuerlustig: Sie führen mit dem wegen seines grasgrünen Lacks zum Laubfrosch getauften Kleinwagen 4/12 PS im Jahr 1924 als erster deutscher Hersteller die Fließbandproduktion ein und experimentieren mit dem Raketenantrieb. 1928 erreicht Fritz von Opel damit in einem Prototypen auf der Berliner Avus aberwitzige 238 km/h, und ein Jahr darauf gelingt den Entwicklern in Frankfurt mit dem RAK1 sogar der erste, wenn auch kurze, bemannte Raketenflug der Welt, stolz vermeldet in der Opel-Chronik.

Die Weltwirtschaftskrise holt die Hessen zum Ende des Jahrzehnts wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und treibt sie in die Arme des amerikanischen Großkonzerns General Motors. Zwar wird Opel auch heute noch als deutsche Firma wahrgenommen, doch gerade dies erschwert vor allem die Krisenkommunikation der letzten Jahre dramatisch. Tatsächlich ist das Unternehmen schon 1929 zu 80, seit 1931 zu 100 Prozent in amerikanischer Hand.

Mit dem, was Opel selbst einen "starken Partner" nennt, kommt die Marke gut durch die Krise und punktet weiter mit innovativen Technologien und attraktiven Modellen: Sie bringt das erste deutsche Auto mit selbsttragender Karosserie, legt mit dem ersten Kadett den Grundstein für den Astra als Dauerbrenner in der Kompaktklasse und wird mit mehr als 120 000 Fahrzeugen im Jahr zum größten Autohersteller in Europa. Auch nach dem Krieg erwischt Opel mit den Amerikanern im Rücken einen guten Start. Nicht allein der VW Käfer, auch Modelle wie Olympia, Olympia Rekord, Rekord P1 und Kapitän begleiten die Deutschen durch das Wirtschaftswunder.

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In den 1960er-Jahren kommen zu den Brot-und-Butter-Modellen die ersten Lifestyle-Autos, die damals noch Sportwagen hießen: Der GT, der Manta und der Commodore lassen den Blitz heller strahlen denn je. Selbst in der Oberklasse zeigt Opel mit Kapitän, Admiral und Diplomat Flagge. Damit bietet Opel dem aufstrebenden Konkurrenten VW lange Paroli. Noch 1972 sind die Hessen der erfolgreichste Autohersteller im Land.

Doch die Folgen der Ölkrise in den 70er-Jahren werden zum Tiefschlag: Zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten schreibt Opel rote Zahlen. Mit diesem Wendepunkt beginnt eine Zeit missratenen Dauerkrisenmanagements. Die Abstimmung zwischen der Zentrale in Detroit und dem Europasitz in Zürich klappt nicht, die Vorstände wechseln zu schnell, und als dann auch noch der Sparkommissar José Ignacio López de Arriortúa nach Rüsselsheim kommt, wird die Talfahrt richtig rasant. Die Modelle werden austauschbar. Ohne Not meldet sich Opel aus der Oberklasse ab. Und die Qualität wird so miserabel, dass der alte Werbeslogan "Opel, der Zuverlässige" klingt wie bittere Ironie. Davon hat sich die Firma bis heute nicht so recht erholt. Vielmehr ist Opel eine Marke ohne erkennbares Profil: Vom Wettbewerb mit VW haben sich die Hessen längst verabschiedet und sind froh, wenn sie noch gegen Ford oder die Koreaner bestehen können. In den Volumensegmenten werden sie von der eigenen Schwestermarke Chevrolet mit günstigeren Varianten nahezu identischer Produkte bedrängt, sodass sich der Astra des Cruze oder der Insignia des Malibu erwehren müssen.

Und ihrem elektrischen Innovationsträger Ampera stiehlt der weltweit viel prominenter beworbene Chevrolet Volt die Schau. Dazu kommen heftige Handelshindernisse: Obwohl die Märkte in Europa lahmen und die Musik längst in Asien oder Südamerika spielt, versperrt General Motors seiner Tochter mit Rücksicht auf die anderen Konzernmarken den Weg zu diesen Wachstumsmärkten.

Obwohl es seit Jahren nur Kritik hagelt und das Management angesichts der riesigen Überkapazitäten und der erodierenden Absatzzahlen mehr über Sparprogramme und Werksschließungen verhandelt, zaubern die Hessen immer wieder überraschend innovative Details und tolle Autos aus dem Hut. Als am Tiefpunkt der Firmengeschichte die Abspaltung von General Motors im Raum steht und sich sogar die Bundesregierung zur Rettung von Opel einmischt, läuft das hochgelobte Flaggschiff Insignia an. Mitten in ein neuerliches Sparprogramm platzt die jüngste Generation des Meriva mit seinen praktischen Portaltüren, die es bis dato nur bei Rolls-Royce gegeben hat.

Und auch jetzt, als die Verluste aus dem Ruder laufen und die Mutter in Detroit mal wieder die Geduld verliert, präsentiert Opel neben einem radikalen Sparplan auch ein neues Auto, auf dem aktuelle Hoffnungen ruhen: den Adam. Benannt nach dem Firmengründer, soll er als kleiner Lifestyleflitzer nicht nur das Image polieren und das Ego der eigenen Mannschaft aufrichten, sondern ein wenig am Erfolg von kunterbunten Kleinwagen wie dem Mini oder dem Fiat 500 teilhaben.

Was Opel heute neben mangelndem Rückhalt aus Detroit und trotz aller Fortune bei den eigenen Entscheidungen allerdings am meisten fehlt, ist ein Händchen für das geschickte Timing und die richtige Regie im Nachrichtenfluss. Das war schon so, als der Konzern vor den Sommerferien die Erstveröffentlichungen zum Hoffnungsträger Adam mit der Demission von Vorstandschef Karl-Friedrich Stracke am Tag darauf torpediert. Und das gleiche Spiel hat sich jetzt noch mal wiederholt. Ja, Kurzarbeit ist keine Katastrophe. Und vielleicht ist das tatsächlich der einzige Weg, den Karren zumindest nicht weiter in den Dreck fahren zu lassen. Außerdem sprechen wir ja zunächst nur über 20 Tage. Doch muss man diesen Beschluss ausgerechnet an jenem Datum verkünden, an dem die Geschichte der Firma vor 150 Jahren begonnen hat? Viel Grund zum Jubeln hat Opel derzeit ohnehin nicht. Aber so kann man sich auch den Rest der Geburtstagslaune verderben.