Die kostenlosen Varianten sind ein großes Thema auf der Branchenschau Gamescom. Hamburger Firmen mischen mit

Köln/Hamburg. Verschenken statt verkaufen: Den Managern vieler Computerspielanbieter gilt dieses Modell als Geschäft der Zukunft. Selbst namhafte Titel gibt es inzwischen als Gratisversionen. Geld wollen die Firmen verdienen, indem sie den Spielern virtuelle Güter verkaufen. Das kann ein Lamborghini im Rennspiel sein, oder ein seltener Rohstoff in der Wirtschaftssimulation. Massenmarkt oder Nische? Auf der Gamescom in Köln, die gestern für das breite Publikum ihre Tore geöffnet hat, sind sich die Unternehmen nicht einig. So oder so: Für die Spieler hat der Trend klare Vorteile.

Free-to-play, "kostenlos zu spielen" - so nennt die Branche das Modell. Dass es bei den Nutzern ankommt, haben junge Firmen wie Zynga und der Hamburger Anbieter Bigpoint vorgemacht. "Durch die Free-to-play-Welle steht das klassische Geschäftsmodell der Spielehersteller infrage. Jetzt versuchen alle, auf dieser Welle mitzuschwimmen", sagt der Medienwissenschaftler Professor Jörg Müller-Lietzkow.

Genau genommen ist das Verschenken kein Geschäftsmodell, sondern Marketing: Wenn viele Nutzer ein Spiel ausprobieren und ein paar von ihnen etwas dafür zahlen, kann es sich lohnen. "Wenn man ein großes Publikum erreicht, kann das genauso viel oder sogar mehr Umsatz bringen als der traditionelle Verkauf", ist Frank Gibeau überzeugt, Spitzenmanager bei Electronic Arts. Auf das große Publikum zielen alle ab. So auch Ubisoft. Der französische Konzern will mit Gratisversionen von Klassikern wie "Anno" und "Siedler" zum einen Gelegenheitsspieler erreichen, die sich keine Software für den PC kaufen würden. Zum anderen geht es um Nutzer in Ländern wie Polen, Russland oder Südafrika, wo der Publisher bislang kaum präsent ist.

Die Entwickler gehen zudem deutlich weniger Risiko ein als mit teuren Großproduktionen. "Wir können viel mehr ausprobieren, weil die Kosten, um etwas zur Marktreife zu bringen, viel niedriger sind", sagt Gibeau. Es sei möglich, eine kleine Version an den Start zu bringen und die Reaktion der Nutzer zu testen. Ganz nebenbei lösen die Firmen das Problem der illegalen Kopien.

Gibeau hält das neue Modell für revolutionär: Er glaubt, dass Free-to-play bis Ende des Jahrzehnts den Verkauf als dominierendes Geschäftsmodell ablösen könnte. Und Ubisoft-Chef Yves Guillemot sieht darin eine "riesige Chance für die gesamte Branche" und eine lukrative Ergänzung zum Geschäft mit Vollpreistiteln, das seiner Ansicht aber weiter eine große Rolle spielen wird. Der Markt werde also größer.

Doch nicht alle sind so optimistisch. Sony etwa experimentiert zwar auch mit dem Modell. "Ob es eine Alternative ist, wissen wir nicht", betont aber Jim Ryan, Europachef von Sony Computer Entertainment. Und Activision bringt seinen Ego-Shooter "Call of Duty" nur in China kostenlos heraus, verkauft im Westen aber weiter die Vollversion für 60 Euro oder Dollar. Die großen Hoffnungen erhielten zuletzt Dämpfer. Zynga, das große Vorbild vieler Entwickler, legte jüngst so schwache Zahlen vor, dass der Aktienkurs auf einen Schlag um 40 Prozent in die Tiefe rauschte. So stellt sich die Frage: Wie viel Geld lässt sich mit Gratisspielen tatsächlich verdienen?

"Das Modell hat sehr gut funktioniert, als es Neuigkeitswert hatte", sagt Müller-Lietzkow. Mittlerweile gebe es aber sehr viele Browser- und Socialgames. "Die Frage ist: Wie viele Nutzer spielen diese Spiele bei einem begrenzten Zeitvolumen?" Es sei jedenfalls deutlich schwieriger geworden, mit dem alternativen Geschäftsmodell Geld zu verdienen, zumal die Entwickler immer hochwertigere Titel anböten.

Für die Nutzer ist all das gar nicht so schlecht. Die Anbieter müssen sich ins Zeug legen, um sie zu überzeugen. Klar ist allerdings auch: Fast alle Free-to-play-Titel haben bestimmte Grenzen, die sich nur mit Cash überwinden lassen. Ein traditionelles Geschäftsmodell der Medienbranche könnte es erleichtern, mit Gratisspielen Geld zu verdienen: Werbung. Darauf hat sich beispielsweise der Hamburger Online-Vermarkter Game Ad Net spezialisiert. Kunden können ihre Botschaft mit Bannern und Videoclips verbreiten. Oder sie lassen ihre Marke gleich ins Spiel integrieren. Der Kosmetikhersteller Nivea veranstaltete etwa in einem Fußballmanager ein eigenes Turnier, in dessen Verlauf die Haare der Spieler kräftig sprossen. Nebenbei warb die Firma für ein Haarwuchsmittel.