Auftragseingänge sinken. Verband fordert für Energiewende zügigen Ausbau der Stromnetze

Hamburg. Die Schuldenkrise kommt nun auch in der Hamburger Industrie an. "Wir spüren, dass die Nachfrage nachgelassen hat", sagte Michael Westhagemann, Leiter der Region Nord des Siemens-Konzerns und Vorstandsvorsitzender des Industrieverbands Hamburg (IVH). In den Sektoren Stahl, Chemie und Maschinenbau gingen die Auftragseingänge zurück.

Allerdings bestehe kein Anlass für allzu große Beunruhigung, denn die Auftragsbestände seien noch immer "ziemlich hoch". Außerdem erwarte der IVH auch für 2013 weiter ein Wachstum, "wenn auch nicht in dem Maße, wie wir uns das wünschen würden".

Am Mittwochabend waren Westhagemann sowie seine Stellvertreter Lutz Bandusch, Geschäftsführer des Hamburger ArcelorMittal-Stahlwerks, und Hans-Jakob Tiessen, Vorstandschef des Energieversorgers E.on Hanse, auf der Mitgliederversammlung des Verbands in ihren Ämtern bestätigt worden.

Mit der Arbeit des Hamburger Senats zeigte sich der IVH-Vorstand zufrieden. Olaf Scholz (SPD) habe sich als industriefreundlicher Bürgermeister erwiesen, "und mit Frank Horch haben wir einen Wirtschaftssenator, der aus der Industrie kommt, an unserer Seite", sagte Westhagemann.

Wichtig sei aber, auch künftig daran zu arbeiten, dass der Anteil der Industrie an der Hamburger Wirtschaft nicht sinkt. Aktuell arbeiten hier 175 000 Menschen in der Industrie, das entspricht 21 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. "Dass Deutschland bisher vergleichsweise gut durch die Krise gekommen ist, hat auch damit zu tun, dass der Industrieanteil von 23 Prozent in den vergangenen zehn Jahren etwa konstant gehalten wurde", sagte Bandusch. In Frankreich sei dieser Anteil dagegen von 18 auf zwölf Prozent gesunken.

Ein Thema, das der Industrie auf den Nägeln brennt, ist die Energiewende. Vor allem gelte es, die Stromnetze zügig auszubauen, um die Energie aus dezentralen Wind- und Solaranlagen auch wirklich nutzen zu können, sagte Tiessen. "Für dieses größte Infrastrukturprojekt, das die Bundesrepublik vor sich hat, brauchen wir mehr denn je einen breiten, parteiübergreifenden Konsens. Es läuft nichts ohne die Akzeptanz vor Ort." Es bestehe aber die Gefahr von Verzögerungen, schon weil die Verantwortlichkeit in der Bundesregierung "auf zu viele Ministerien verteilt" sei, so Westhagemann: "Eigentlich bräuchte man einen Verantwortlichen für ein solches Megaprojekt." Der IVH-Vorsitzende verurteilte zudem parteipolitisches Gerangel: "Es ist nicht hilfreich, wenn Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sagt, er brauche für Bayern den Strom aus dem Norden gar nicht." Westhagemann schätzte die Kosten der Energiewende auf 180 Milliarden bis 200 Milliarden Euro.