Arabisches Emirat steigt bei Essener Baukonzern ein und erschwert damit den feindlichen Übernahmeversuch des Konkurrenten ACS.

Hamburg. Es ist ein dramatischer Übernahmekampf, den es in Deutschland so seit der zurückliegenden Wirtschaftskrise nicht gegeben hat. Deutschlands führender Baukonzern, das Essener Unternehmen Hochtief, holt das Emirat Katar als neuen Großaktionär in den Kreis der Eigner und erschwert damit einen feindlichen Übernahmeversuch des spanischen Konkurrenten ACS . Die Katar Holding werde 9,1 Prozent am neuen Grundkapital von Hochtief halten, teilte das Unternehmen gestern mit. Hochtief erhöht dafür das Grundkapital um rund zehn Prozent. Die bisherigen Aktionäre - allen voran ACS mit rund 30 Prozent Anteil an Hochtief - dürfen die neuen Aktien nicht erwerben. "Wir begrüßen Katar Holding als unseren neuen Großaktionär", sagte Hochtief-Vorstandschef Herbert Lütkestratkötter gestern. "Wir werden uns nun gegenseitig in unserer Entwicklung stützen."

Hochtief, unter anderem Generalunternehmer beim Bau der Hamburger Elbphilharmonie, fließen durch diesen Schritt rund 400 Millionen Euro an neuem Eigenkapital zu. Im Mai hatte die Hauptversammlung des Baukonzerns eine Kapitalerhöhung um bis zu 30 Prozent gebilligt - auch mit Zustimmung von ACS. Die Ausgabe der neuen Aktien an die Katar Holding verwässert nun allerdings den Anteil der Spanier an Hochtief auf rund 27 Prozent. Damit wird es für ACS schwieriger, mithilfe einer Offerte an die Hochtief-Aktionäre eine Mehrheit an dem Baukonzern zu kaufen. Obendrein stieg gestern der Börsenkurs der Hochtief-Aktie um fast sechs Prozent auf rund 64 Euro an.

Die deutsche Bankenaufsicht BaFin teilte mit, dass ACS möglicherweise ein Pflichtangebot für alle ausstehenden Hochtief-Aktien machen müsse. Dazu könne es kommen, wenn es dem spanischen Konzern mit seiner aktuellen Offerte an die Aktionäre nicht gelinge, mehr als 30 Prozent an Hochtief zu erwerben - und wenn ACS später diese Marke doch noch überschreite.

ACS hatte in der vergangenen Woche acht eigene für fünf Hochtief-Aktien geboten. Dieses Angebot bewerte Hochtief allerdings nur mit rund 55,60 Euro, sagte Marco Cabras von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz in Düsseldorf dem Abendblatt: "Diese Offerte ist völlig inakzeptabel. Der Einstieg von Katar ist ein Zeichen der Hoffnung. Von dort muss nun aber noch mehr kommen." Katar sei der klassische "Weiße Ritter", der dem Management eines Unternehmens gegen eine feindliche Übernahme beistehe, sagte Cabras. Um eine Sperrminorität bei Hochtief zu erreichen, müsste das Emirat seinen Anteil an dem Essener Baukonzern allerdings auf mehr als 25 Prozent ausbauen.

Katar zählt zu den wichtigsten Boomregionen für die Bauwirtschaft

Denkbar wäre dies, denn Katar hat ein strategisches Interesse an Investitionen in Deutschland. Seit dem vergangenen Jahr ist das Emirat mit 17 Prozent Anteil der drittgrößte Aktionär bei Volkswagen nach dem Land Niedersachsen und der Porsche Holding. Mit der Deutschen Bahn vereinbarten die Araber ebenfalls 2009 den Bau eines Schienennetzes am Persischen Golf im Wert von rund 17 Milliarden Euro.

Auch das Geschäft von Hochtief könnte der Einstieg von Katar noch einmal deutlich voranbringen. Das Emirat am Persischen Golf liegt in einer der wichtigsten Boomregionen der internationalen Bauwirtschaft. Katar besitzt die drittgrößten Erdgasvorräte der Welt und wetteifert mit seinen arabischen Nachbarstaaten um prestigeträchtige Großprojekte. Hochtief ist mit mehreren Tochtergesellschaften im Land vertreten und beschäftigt vor Ort derzeit laut Vorstandschef Lütkestratkötter mehr als 5000 Menschen. Zu den Projekten, an denen Hochtief beteiligt ist, zählt unter anderem der Bau der mehr als acht Kilometer langen Einkaufsstraße Barwa Commercial Avenue in Katars Hauptstadt Doha.

Erheblich profitieren könnte Hochtief auch von der Fußball-Weltmeisterschaft 2022. Vom Fußball-Weltverband Fifa erhielt Katar in der vergangenen Woche den Zuschlag für das Großereignis. Das Emirat will zwölf klimatisierte Stadien und eine komplett neue Stadt für 200 000 Einwohner bauen lassen.

Der Hochtief-Vorstand wertet den Übernahmeversuch von ACS als feindlich und versucht ihn zu verhindern. Die Kapitalerhöhung und der Einstieg Katars seien allerdings nicht Teil einer Abwehrstrategie, sagte ein Hochtief-Sprecher gestern: "Das ist keine Abwehrmaßnahme." Grund für den Einstieg Katars seien vielmehr die seit Langem bestehende Partnerschaft und gemeinsame neue Projekte in dem Emirat. "Das sind gigantische Programme", sagte der Sprecher.

Unklar ist, wie ACS auf den Überraschungscoup von Hochtief reagieren wird. Der Baukonzern kämpft vor allem an seinem Heimatmarkt Spanien mit starken wirtschaftlichen Problemen. "Eine Übernahme von Hochtief wird deutlich teurer für ACS, jedenfalls zum heutigen Zeitpunkt gerechnet", sagte ein Börsenanalyst gestern. Der neue Großaktionär Katar Holding deutete gestern an, in der Konfrontation zwischen ACS und dem Hochtief-Management möglicherweise zu vermitteln.