Der Hamburger Handelskonzern will sein Geschäft mit Kaffee ausbauen. Sanierung des Unternehmens hat bislang 800 Arbeitsplätze gekostet.

Hamburg. Scheinwerfer beleuchten im warmen Licht den Tchibo-Laden in der Unternehmenszentrale in der City Nord. Wo sich Beschäftigte mit Waren aus dem Haus des Kaffeekonzerns eindecken, wurde gestern ein Werbefilm gedreht. Die Hauptdarsteller sind Mitarbeiter. Ihre Botschaft lautet: "Das gibt es nur bei Tchibo."

Nach unruhigen Jahren mit Zwist in der Hamburger Eigentümerfamilie Herz, häufigem Wechsel bei Führungskräften und der Schließung von gut 200 zu kleinen Filialen und 3000 unrentablen Depots im Einzelhandel hat das Unternehmen jetzt offenbar die Trendwende geschafft. "Der Gewinn vor Zinsen und Steuern hat sich im vergangenen Jahr von 71 auf 148 Millionen Euro mehr als verdoppelt", sagte Thomas Holzgreve. Der Manager ist neben dem öffentlichkeitsscheuen Tchibo-Miteigentümer Michael Herz Vorstand des Unternehmens Maxingvest. Dort hat die Hamburger Familie die Aktivitäten des Kaffeerösters und die Mehrheitsbeteiligung an Beiersdorf gebündelt.

Die seit 2007 laufende Sanierung hat bei den Beschäftigten allerdings tiefe Spuren hinterlassen. Allein 2009 wurde die Mitarbeiterzahl von Tchibo um gut 800 auf 11 161 verringert. Ein Drittel der Streichungen betraf Deutschland - wegen der Reduzierung der Filialen auf 850. Zudem gab das Unternehmen in Großbritannien den Verkauf seiner Gebrauchsartikel auf. Der Umsatz sank insgesamt um zwei Prozent auf 3,158 Milliarden Euro. "Wir haben nach wie vor noch viel zu tun. Es gibt keinen Grund, sich zurückzulehnen", sagte Holzgreve.

Nachdem die Firma über Jahre darunter litt, dass immer mehr Discounter das Konzept der wöchentlich wechselnden Warenangebote kopierten, will Tchibo zu seinen Wurzeln zurückkehren. So soll der Kaffeeverkauf stärker in den Mittelpunkt rücken. "Das war früher ein wenig verloren gegangen", räumt Holzgreve ein. Zwar ist das Unternehmen beim Filterkaffee Marktführer. Es gibt aber noch einiges aufzuholen, wie der Kölner Handelsexperte Ulrich Eggert dem Abendblatt sagte. "Tchibo hat zu spät auf neue Trends wie dem Verkauf von Kaffee in Portionen für Einzeltassen reagiert", so Eggert. Tatsächlich liegt der Konzern in dieser Sparte, die viel lukrativer ist als der Verkauf von Filterkaffee, nur auf Platz vier. Senseo führt den Markt mit Kaffee in Pads an, Zweiter ist Nespresso mit Kapseln, auf Rang drei liegt Tassimo. "Wir arbeiten daran, bei den Kapseln die Nummer zwei zu werden", sagt Holzgreve und verweist darauf, dass Tchibo erstmals Marktführer beim Verkauf von Espresso und Cafe Crema ist. Auch den Trend der Coffeeshops habe Tchibo laut Eggert verschlafen. Inzwischen gibt es in Deutschland bereits rund 1600. Für Tchibo sei der Zug abgefahren.

Der Kaffeeverkauf macht derzeit laut Branchenkennern weniger als die Hälfte vom Gesamtumsatz aus. Deshalb arbeitet Tchibo auch mit Hochdruck daran, die wöchentlich wechselnden Warenwelten attraktiver zu machen. So führte der Kaffeeröster bei Bekleidung im vergangenen Herbst Einzelgrößen ein. Zudem wurde die Präsentation der Waren moderner und der Anteil von Saisonartikeln ausgebaut. Einen wichtigen Meilenstein hat das Unternehmen bereits erreicht: Die Anzahl der Restanten, also der während der Warensaison unverkauften Artikel, hat sich 2009 halbiert. Damit muss Tchibo nun weniger Produkte mit Preisnachlass in seinen Prozenteläden anbieten.

"Das Potenzial für Mitnahmeartikel aus dem Non-Food-Bereich ist gut, auch weil sich die Tchibo-Filialen allesamt in gut frequentierten Einkaufsstraßen befinden. Das animiert die Kunden zum Kauf", bescheinigt der Hamburger Handelsexperte Rainer P. Lademann dem Unternehmen. "Jetzt hängt es davon ab, wie gut sich Tchibo gegenüber der Konkurrenz differenzieren kann. Das kann gelingen, wenn Tchibo den Markencharakter der Warenwelt stärkt", so der Experte. Doch für Tchibo ist eine Markenbildung schwieriger als für Firmen wie etwa H&M oder Zara, die sich auf speziell definierte Zielgruppen wie etwa junge Käufer konzentrieren können. Tchibo will alle Kundenklassen bedienen. Das Durchschnittsalter der Käufer liegt bei gut 50 Jahren.

Neben dem Kaffeeröster fließt auch die Beiersdorf-Bilanz in die Zahlen von Maxingvest ein. 2009 fiel der Gesamtumsatz von knapp 9,2 auf 8,9 Milliarden Euro. Der Jahresüberschuss sank von 606 auf 412 Millionen Euro und die Mitarbeiterzahl von 33 978 auf 32 532. Trotz der krisenbedingten schlechteren Zahlen fühlt sich das Unternehmen gut gerüstet. Schließlich ist die "Kriegskasse" - etwa für Zukäufe bei Beiersdorf oder Tchibo - 2009 von 1,4 auf knapp 1,8 Milliarden Euro gewachsen. Umsatz und Gewinn sollen 2010 leicht steigen.