Am Montag beginnt der opulente Branchentreff Paris Air Show. Für die Industrie sind die fetten Jahre vorbei: Airbus erwartet rückläufige Auslieferungen, die Finanzierung wird schwieriger.

Hamburg. Jahrelang konnten sie regelmäßig Verkaufserfolge vermelden, doch seit Monaten müssen Airbus und Boeing durch schwere Turbulenzen steuern. Vor diesem Hintergrund beginnt heute der Aerosalon Le Bourget, die wichtigste Messe der zivilen Luftfahrt. Die Branchenschau feiert ein stolzes Jubiläum: Vor 100 Jahren wurde in Paris erstmals Technik rund um die Fliegerei ausgestellt. "Aber Feststimmung wird dabei eher nicht aufkommen", meint der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. Denn die Kunden der Jet-Hersteller, die Fluggesellschaften, stecken in der tiefsten Krise seit Jahrzehnten. "Die große Orderparty wird es nicht geben", sagt Großbongardt dem Abendblatt.

Bei der Vorgängermesse im Jahr 2007 war das noch ganz anders. Mehr als 400 Festbestellungen konnte allein Airbus während der Schau verbuchen. Im gesamten Jahr 2007 erreichte der europäische Konzern den Rekord von mehr als 1300 Aufträgen, im vorigen Jahr waren es immerhin noch fast 800. Aber dann kam der steile Absturz: Von Januar bis Ende Mai 2009 wurden bei Airbus nur 32 Maschinen bestellt, abzüglich der 21 Stornierungen blieben netto nur elf übrig. Bei Boeing gingen 65 Aufträge ein, aber ebenso viele Abbestellungen.

Zwar hält Airbus-Verkaufsvorstand John Leahy noch immer an seiner Prognose fest, bis Jahresende auf 300 verkaufte Jets zu kommen - vor Abzug von Stornierungen. Firmenchef Tom Enders räumte am Wochenende jedoch ein, dass es auch "eine deutlich kleinere Zahl" werden könnte. In diesem Jahr liege die Priorität aber weniger auf den Neubestellungen als vielmehr auf der Absicherung der rund 480 geplanten Auslieferungen. Angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise haben etliche Fluggesellschaften nun Schwierigkeiten, die Bankfinanzierung für ihre bereits vor Jahren bestellten Jets auf die Beine zu stellen.

Allerdings erwartet man in Branchenkreisen wenigstens einzelne mittelgroße Verkaufserfolge in den nächsten Tagen für den europäischen Flugzeugbauer, der in Le Bourget ein Heimspiel hat. Qatar Airways vom persischen Golf, Turkish Airlines und die ungarische Malev werden als potenzielle Kunden genannt, ebenso der malaysische Langstrecken-Billigflieger AirAsia X.

"Es gibt ein paar Hoffnungszeichen", sagt Großbongardt mit Blick auf mehrere Großaufträge, die im weiteren Jahresverlauf winken könnten. "Es heißt, dass die Flugzeugleasingfirma ILFC wieder auf Einkaufstour gehen will, außerdem hat United Airlines Bedarf angemeldet." Besonders die Bestellung des US-amerikanischen Lufthansa-Allianzpartners United wird mit Spannung erwartet, denn es geht um nicht weniger als 150 große und mittelgroße Jets, die zusammen einen Wert von mehr als zehn Milliarden Dollar haben könnten. Der komplette Auftrag soll entweder an Airbus oder an Boeing gehen.

Interessant ist dabei: United-Chef Glenn Tilton deutete in einem Schreiben an die Beschäftigten an, man wolle angesichts der aktuellen Marktflaute von günstigen Preisen für neue Jets profitieren. Der Zeitpunkt für eine Bestellung sei günstig.

"Fluggesellschaften, die es sich leisten können, werden jetzt bestellen", meint auch Großbongardt. Dazu könne gegen Ende des Jahres auch noch die Lufthansa gehören, die sich zwischen den neuen Modellen Boeing 787 und Airbus A350 entscheiden will. "In den zurückliegenden Boomjahren hat sich die Lufthansa mit Großaufträgen klug zurückgehalten", sagt der Branchenkenner. Dennoch bleibt die für Airbus und Boeing entscheidende Frage, wie viele der bereits verbuchten Bestellungen nun wegen der Krise gestrichen werden müssen. Zwar hatte Airbus-Manager Leahy vor wenigen Tagen gesagt, er erwarte nicht mehr viele Stornierungen, der Markt erhole sich bereits.

Doch das könnte Wunschdenken sein. So rechnet der Luftfahrt-Weltverband IATA für 2009 mit Verlusten der Fluggesellschaften von neun Milliarden Dollar. In den vergangenen Wochen sind zudem die Ölpreise - und damit die Kosten für Treibstoff - im Vergleich zum Tief gegen Jahresanfang wieder deutlich gestiegen, während sich die Passagierzahlen nicht verbessert haben. "Da kommt eine zusätzliche Belastung auf die Airlines zu", sagt Großbongardt. "Deshalb werden Boeing und Airbus einige Kunden schlicht wegsterben."

Damit besteht die Gefahr, dass von den 300 Bestellungen, die Leahy prognostiziert hat, für Airbus am Jahresende unter dem Strich nicht viele übrig bleiben - und Enders erwartet für 2011 bereits einen Rückgang der Auslieferungen um 15 bis 25 Prozent.