Der Umsatz sinkt, die Gewinne brechen weg. Eine Branche im Umbruch. Doch HanseYachts begreift die Krise als Chance. Ein Besuch in Greifswald.

Was für ein schöner Tag! Draußen über dem Yachthafen die Sonne, drinnen im Restaurant Pommes mit Bratwurst auf dem Teller. Krise? Auszehrung? Um den üppigen Bauch von Michael Schmidt herum ist davon jedenfalls nichts zu sehen. Der Gründer und Chef von HanseYachts winkt die Kellnerin heran und ordert noch eine Bratwurst, diesmal ohne Fritten. "Neidisch?", fragt er seinen Finanzvorstand Udo Potthast. "Nö", sagt der und kaut weiter auf seinen Salatblättern.

Greifswald, hoch oben im Nordosten, ein Tag im Frühling. Die Weltwirtschaftskrise sickert in den deutschen Alltag hinein, die Nachrichten aus Unternehmen und Instituten sind düster, die Zahl der Arbeitslosen steigt. Selbst die Sportboothersteller leiden, eine Branche, deren Kunden zwar ebenfalls aufs Geld sehen, normalerweise aber eher auf das große als auf das kleine. "Von Luxus spricht man bei Segelyachten so etwa ab 20 Meter Länge", sagt Schmidt. "Und gerade dieses Segment ist derzeit besonders betroffen."

HanseYachts deckt die Palette der gängigen Größen bei Segelyachten weitgehend ab, mit Modellen von rund zehn bis 19 Meter Länge. Die Wirtschaftskrise schlägt in Greifswald ein wie eine volle Breitseite. Im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres 2008/2009, von Anfang August bis Ende Januar, sackte der Umsatz des börsennotierten Unternehmens um fast 60 Prozent auf gut 21 Millionen Euro durch. Aus dem Nettogewinn von rund 300 000 Euro im Vorjahreszeitraum wurde ein Verlust von rund 7,5 Millionen Euro. "Es trifft die Märkte weltweit, aber die einzelnen Anbieter leiden unterschiedlich", sagt Finanzchef Potthast.

Als großer Serienhersteller muss HanseYachts - genau wie dessen wichtigster deutscher Konkurrent Bavaria in Bayern - derzeit mehr wegstecken als viele kleine Familienwerften. Die kommen in ihren Nischen nach wie vor gut zurecht, heißt es in der Branche, etwa mit Einzelanfertigungen von Booten. Aber auch Schmidt scheint die Lage nicht ernsthaft zu irritieren, obwohl HanseYachts im vergangenen Herbst gut 100 Mitarbeiter entlassen und für die anderen zeitweise Kurzarbeit einführen musste. Schmidt tut das, was er seit Jahren tut: Er greift an.

Ende April verkündete er, zur Überraschung der Branche, die Übernahme des seit Ende 2008 insolventen deutschen Traditionsherstellers Dehler im Sauerland zu einem nicht genannten Kaufpreis. "Mit dieser Übernahme haben wir uns schon ein paar Tage lang beschäftigt", sagt er. "Wir werden Dehler neu organisieren und wieder an den Markt bringen." Wie viele der 180 Mitarbeiter, die bislang bei Dehler beschäftigt waren, übernommen werden, sei noch nicht klar, sagt Schmidt. In jedem Fall ist es Chance und Perspektive für das Unternehmen: "Zu den Messen im Herbst werden wir die ersten neuen Produkte zeigen."

Für Dehler hätte es schlimmer kommen können. Dass Schmidt aufbauen kann, hat er der ehemalige Segel-Vizeweltmeister hinreichend bewiesen. Begonnen hatte er unter anderem als Bootsbauer in Wedel. Einer seiner alten Freunde und Mitsegler, der "Alinghi"-Konstrukteur Rolf Vrolijk, gilt heute als erfolgreichster Bootskonstrukteur der Welt. Anfang der 90er-Jahre übernahm Schmidt eine kleine, marode Werft in Greifswald und brachte ein einziges neues Bootsmodell mit. Daraus machte er ein Unternehmen mit derzeit rund 400 Mitarbeitern, einen der wichtigsten privatwirtschaftlichen Arbeitgeber der Region - und den drittgrößten Sportboothersteller der Welt nach Bénéteau/Jeanneau in Frankreich und Bavaria.

Mit der Übernahme von Dehler rundet HanseYachts sein Angebot um sportliche Segelyachten ab. Wann die Krise im Sportbootgeschäft überwunden sein wird, weiß Schmidt allerdings ebenso wenig wie andere Experten, die in dem Wirtschaftszweig tätig sind.

Rund 20 000 Menschen beschäftigt die Branche in Deutschland, kalkuliert der Bundesverband Wassersportwirtschaft (BVWW). Der Umsatz im vergangenen Jahr lag dem Verband zufolge bei 1,84 Milliarden Euro, etwa 225 Millionen Euro machte der Verkauf von neuen Booten aus. Größer noch ist der Markt für Gebrauchtboote, mit rund 334 Millionen Euro Umsatz im vergangenen Jahr. In einer aufwendigen Studie kam die "Forschungsvereinigung für die Sport- und Freizeitschifffahrt" Ende 2008 zum Ergebnis, dass in Deutschland rund 500 000 Menschen ein Motor- oder Segelboot besitzen, der größere Teil davon sind Motorboote.

"In Europa insgesamt haben vor der Krise gut 37 000 Firmen mit 250 000 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 25 Milliarden Euro erzielt, ein Viertel davon im reinen Schiffbau. Das ist schon ein echter Wirtschaftsfaktor", sagt der Hamburger Unternehmer Robert Marx, derzeit BVWW-Präsident, dessen Firma unter anderem Bootsmotoren importiert.

Wie sich dieser Wirtschaftszweig entwickelt, ist derzeit nicht klar zu erkennen. "Die Tendenzen sind sehr unterschiedlich", sagt Marx. "Die Hersteller leiden auch deshalb, weil die Preise für gebrauchte Boote tief im Keller sind. Davon profitieren wiederum die Ausrüster und Hersteller von Zubehör. Bevor jemand 100 000 Euro oder mehr in eine neue Yacht investiert, steckt er eher noch einmal 10 000 oder 20 000 Euro in seine gebrauchte, um die wieder fit und schön zu machen." Die Zeiten von fünf bis sechs Prozent Wachstum bei den Neubauwerften, an die man sich in Deutschland gewöhnt hatte, seien wohl vorbei, sagt Marx.

Krise hin oder her, Hanse-Yachts-Chef Schmidt sieht die Zukunft für das Unternehmen rosig. Am Yachthafen von Greifswald lässt ein Kran seine Neubauten zu Wasser, Segelyachten der Marken Hanse und Moody, Motorboote vom Typ Fjord. Schmidt hat einen stetigen Wachstumskurs verfolgt, auch mit der Übernahme der englischen Traditionsmarke Moody und dem Einstieg ins Motorbootgeschäft mit dem Kauf des norwegischen Herstellers Fjord. Boote von mehreren Hunderttausend bis weit über eine Million Euro Kaufpreis dümpeln im Wasser. "Boote verlieren kaum an Wert", sagt Schmidt. "Eine Ausnahme sind schnelle Motorboote, weil dort die Modelltypen schnell wechseln." Er selbst fährt neben einer alten Holzyacht einen Renner von Fjord, der aussieht wie ein Landungsboot der US-Navy, 1000 PS stecken unter der Haube.

Bescheidenheit ist nicht seine Zier, auch nicht in seinen Prognosen. "Sechs bis neun größere Bootsbauer werden längerfristig am Markt überleben", sagt Schmidt. "Die stehen dann unter dem Dach von zwei Großkonzernen und fertigen Motor- und Segelyachten gleichermaßen. Eine Konzentration so ähnlich wie in der Automobilindustrie." Klar, wie die Verdichtung des Marktes aus seiner Sicht für HanseYachts ausgehen wird: "Einer dieser beiden Konzerne sind natürlich wir."