Athen fühlt sich von Deutschland verraten. Finanzminister: Die Mehrheit will keine Rückkehr zur Drachme. Firmen bereiten sich bereits darauf vor.

Berlin/Athen. Je wahrscheinlicher ein griechischer Euro-Austritt wird, umso entschiedener betonen Athens Politiker, dass niemand eine Rückkehr zur Drachme wolle. "Ich kann Ihnen versichern, dass die absolute Mehrheit der Griechen den Euro will", sagte der griechische Finanzminister Yannis Stournaras in Athen, "denn außerhalb des Euro wartet ein langsamer, schmerzhafter Tod." Christos Katsioulis, Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Athen, stimmt dem Minister zu. Für ihn hat die Diskussion über einen möglichen Austritt aus dem Euro neben der ökonomischen vor allem eine psychologische Komponente: "Der Euro ist die zentrale Bindung der Griechen an Europa. Wieder zur Drachme zurückzukehren stellt ein wahres Schreckensszenario dar", sagte er der "Welt". Die Austrittsdebatte wirke befremdlich und frustrierend auf die Griechen. Mit der letzten Wahl habe sich die Bevölkerung auch zu Europa bekannt.

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Die kritischen Worte des Bundeswirtschaftsministers Philipp Rösler (FDP), der einen Verbleib Griechenlands im Euro als unwahrscheinlich bezeichnet hatte, habe viele Griechen enttäuscht. "Griechenland fühlt sich schmerzlich von Europa verraten: Deutschland ist noch immer der wichtigste Partner der Griechen im europäischen Raum. Wenn die Bundesrepublik an einem Fortbestehen des Euro in Griechenland zweifelt, ist das entmutigend für die Menschen in Griechenland", sagt Katsioulis. "Die Menschen fragen sich, was aus Investitionsvorhaben und Sparmaßnahmen werden soll, wenn jetzt öffentlich davon gesprochen wird, dass man in ein paar Monaten dem Euro den Rücken kehren muss." Fotis Kouvelis, Vorsitzender der Partei der Demokratischen Linken, warnte im Fernsehsender Skai vor weiteren Sparmaßnahmen in dem von der Rezession gebeutelten Land. Er forderte, dass die Regierung Maßnahmen ergreift, um das Wachstum zu fördern und die wachsende Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Außerdem müssten vor allem Möglichkeiten der Steuerhinterziehung und der Korruption verhindert werden.

Kouvelis sagte, dass Griechenland die Konditionen seines Sparprogramms neu aushandeln müsse. Die griechische Regierung müsse sich darum bemühen, die im Ausland geleisteten Hilfsmaßnahmen zu verlängern. Jegliche Verhandlungen über Änderungen im Sparprogramm müssten mit den Regierungen der EU-Partner Griechenlands geschlossen werden und nicht mit der Troika der Gläubiger. Diese bezeichnete Kouvelis lediglich als "Vermittler".

Die Troika untersucht derzeit den Sachstand, heute nimmt eine Delegation erneut Gespräche in Athen auf. Ihr Abschlussbericht wird darüber entscheiden, ob Griechenland eine weitere Tranche von gut 31 Milliarden Euro aus dem Rettungspaket erhält. Der griechische Entwicklungsminister Costis Hatzidakis hält die kommenden beiden Monate für entscheidend, ob die Krise gelöst werden kann oder nicht. Der griechischen Zeitung "Ethnos" sagte er: "Es gibt keinen Spielraum für eine Verzögerung. Wenn die jetzige Regierung scheitert, dann regiert die nachfolgende wieder mit der Drachme." Auch wenn Experten eindringlich vor einer Rückkehr zu der ehemaligen griechischen Währung warnen, wird das Land vielleicht bald dazu gezwungen sein.

Die konservative Regierung von Ministerpräsident Antonis Samaras hatte gehofft, die Hilfen für Griechenland sowie die Rückzahlungsmodalitäten neu verhandeln und auf einen Zeitraum von zwei Jahren ausdehnen zu können. Die Regierung argumentiert, dass die Rezession und der schnelle wirtschaftliche Niedergang eine Schuldenbegleichung, wie sie ursprünglich ausgehandelt worden war, unmöglich mache. Das Staatseinkommen in den ersten sechs Monaten des Jahres liege 1,5 Milliarden Euro unter dem erwarteten Ziel, gab das Finanzministerium bekannt. "Griechenland durchläuft eine Krise, wie sie es in Friedenszeiten bisher noch nicht gegeben hat", sagte Samaras anlässlich eines Besuchs des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton. "Wir befinden uns im fünften Jahr einer großen Depression." Clinton warb in Athen für die "Hellenische Initiative", die von Geschäftsleuten mit griechischem Migrationshintergrund ins Leben gerufen wurde. Sie wollen Investitionen unterstützen und 100 Millionen Dollar (82 Millionen Euro) für karitative Einrichtungen sammeln.

EU-Kommissionssprecher Antoine Colombani äußerte sich "zuversichtlich, dass die nächste Tranche der Notkredite überwiesen wird". Zwar sei Athen bei der Umsetzung des Programms erheblich in Verzug geraten. Die neue Regierung habe sich aber dazu bekannt, die Versäumnisse aufzuholen. Der Finanzierungsbedarf der Hellenen über den Sommer werde jedenfalls gedeckt. Auch ein IWF-Sprecher beschwichtigte, dem strauchelnden Land werde nach wie vor geholfen.

Die Finanzmärkte reagierten nicht so gelassen. Der DAX sank zwischenzeitlich unter die Marke von 6400 Punkten. Der griechische Leitindex lag kurz vor Börsenschluss um 7,1 Prozent im Minus. Der Euro fiel auf 1,2105 Dollar - und am Nachmittag sogar auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren.

Viele griechische Unternehmen haben sich inzwischen eingestellt auf den Exit des griechischen Intensivpatienten aus dem Euro. Die Banken haben sich weitgehend aus Südeuropa zurückgezogen. Doch wenn Athen geht, wird mit massiven Attacken auch gegen Spanien und Italien gerechnet, die "Ansteckungsgefahr" ist immens hoch. Eine Pleite Athens hat ihren Schrecken nicht verloren - bei den europäischen Partnern nicht und bei den Griechen selbst schon gar nicht.