IG-Metall-Luftfahrtexperte Daniel Friedrich fordert Beschäftigungsstrategie für Werke in Europa

Hamburg. Über Chancen und Risiken des neuen Airbus-Werks in den USA sprach das Abendblatt mit Daniel Friedrich, Tarifpolitikexperte bei der IG Metall Küste. Friedrich war Verhandlungsführer in den Gesprächen mit der Firmenleitung über einen Zukunftstarifvertrag für Airbus.

Hamburger Abendblatt:

Wie beurteilen Sie den Beschluss des Unternehmens, ein zweites Montagewerk für die A320-Familie außerhalb Europas zu bauen?

Daniel Friedrich:

Grundsätzlich begrüßen wir das. Die Entscheidung ist eine Konsequenz der Globalisierung, der sich ein Unternehmen wie Airbus nicht erschließen kann. Außerdem wird man in den bestehenden Standorten früher oder später an Grenzen der Kapazität stoßen. Aber Airbus ist ein europäischer Konzern - hier ist die Heimatbasis, und die muss gestärkt werden. Daher muss die Entscheidung verbunden werden mit einer Beschäftigungs- und Standortstrategie für die Werke in Deutschland und im übrigen Europa.

In China hat Airbus schon im September 2008 ein Montagewerk für die Kurz- und Mittelstreckenjets eröffnet. Wie hat sich der Schritt nach Asien aus Sicht der Gewerkschaft bewährt?

Friedrich:

Uns sind keine unter dem Strich negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung in Europa bekannt. Das Ziel von Airbus war es, den Absatz steigern zu können, und dieses Ziel ist offensichtlich erreicht worden. Das hat die Arbeitsplätze in Hamburg und in den anderen europäischen Werken gesichert und für neue Stellen gesorgt.

Sind aus Sicht der Gewerkschaft mit dem neuen Werk in Alabama auch Risiken für das Unternehmen und die Mitarbeiter in Europa verbunden?

Friedrich:

Zunächst einmal ist bei einer Ausweitung der Stückzahlen die komplette Zulieferstruktur innerhalb und außerhalb von Airbus gefordert. Es muss sichergestellt werden, dass die zusätzlichen Kapazitäten auch hier bereitgestellt werden können. Außerdem wollen wir gern wissen, welche langfristigen Auswirkungen ein weiteres Werk auf die Standorte in Europa hat. Wir haben zwar den Zukunftstarifvertrag abgeschlossen, der die Beschäftigung bis 2020 sichert. In den nächsten Wochen und Monaten hätten wir aber auch gern Antworten auf Fragen, die die nächsten 15 oder 20 Jahre betreffen: Wo wird man in Kapazitäten für Entwicklung und Fertigung des Nachfolgers der A320-Familie investieren? Und was geschieht, wenn das Wachstum einmal nicht mehr so stark ist wie heute? Wo wird man dann die Fertigung drosseln? Schließlich zeigt uns die Geschichte, dass es in der Branche nicht immer nur aufwärts geht.