750 Vattenfall-Mitarbeiter protestieren gegen die mögliche Auslagerung des Kundenservices. Auch in Hamburg sind 360 Stellen bedroht.

Hamburg. Graupel, Hagelkörnchen und immer wieder Schauer. Selbst die widrigen Wetterbedingungen konnten die Beschäftigten von Vattenfall gestern nicht aufhalten, ihren Protest gegen die mögliche Streichung von 360 Stellen im Kundenservice des Energieversorgers in Hamburg auf die Straße zu bringen. Mit roten Laternen zogen am späten Nachmittag rund 750 Beschäftigte durch die Innenstadt, um einen Stellenabbau zu verhindern.

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Viele brachten ihre Kinder mit, als Mahnung an die Konzernspitze, "dass es hier um unsere Existenz als Familie geht", sagte eine Beschäftigte, die seit 23 Jahren bei Vattenfall tätig ist und von ihrer siebenjährigen Tochter und ihrem Mann begleitet wurde. Auch Beschäftigte anderer Bereiche reihten sich aus Solidarität ein, getreu dem Motto: "Wer einen von uns angreift, greift uns alle an."

Der schwedische Konzern Vattenfall will den Kundenservice in Deutschland mit seinen 900 Mitarbeitern in Hamburg und Berlin neu strukturieren. Dazu werden zwei Modelle diskutiert: Die Auslagerung des Kundenservices an ein Fremdunternehmen sowie eine hausinterne Lösung. Beide Varianten würden nach Einschätzung des Betriebsratsvorsitzenden Vattenfall Europe Kundenservice, Jörg Hoffmann, zu schmerzhaften Einschnitten führen. Dennoch sei eine hausinterne Lösung dem Outsourcing vorzuziehen. Dann gebe es zumindest Hoffnung, dass der Stellenabbau sozialverträglich verlaufe. Klar sei aber: "Die Beschäftigen werden die Verschlechterungen ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen nicht klaglos hinnehmen. Sie kämpfen für den Erhalt der Tarifverträge und gegen Lohndumping", sagte der Konzernbetriebsratsvorsitzende Rainer Kruppa bei der Kundgebung auf dem Hachmannplatz. Vattenfall beschäftigt in Hamburg 4500 Mitarbeiter.

Die Rote Karte zeigte dem Konzern auch die Gewerkschaft IG Metall Küste. "Wir sagen Nein zu einem Verkauf. Die Mitarbeiter sind die Seele des Unternehmens, und ein Unternehmen ohne Seele wird langfristig nicht konkurrenzfähig sein", sagte der Bezirksleiter Meinhard Geiken. "Eine Neustrukturierung lässt sich nicht gegen den Willen der Beschäftigen durchsetzen. Wir fordern ein Zukunftskonzept für die Standorte und Verhandlungen mit Betriebsräten und Gewerkschaften auf Augenhöhe." Zudem habe Vattenfall schon bei der Übernahme der früheren HEW versprochen, Hamburg als Kernstandort zu erhalten. "Diese Zusage muss weiter gelten, gestern, heute und morgen", so Geiken.

Der Kundenservice bearbeitet unter anderem sämtliche Abrechnungen für Privat- und Geschäftskunden, berät bei Tarifen und beim Energiesparen. Viele Mitarbeiter bezweifeln, dass ihre Aufgaben von Computern übernommen werden könnten. "Wir haben viele ältere Kunden, die gar kein Internet bedienen können", sagt eine langjährige Mitarbeiterin.

Der schwedische Konzernvorstand will heute über die Zukunft des Kundenservices entscheiden. Eine Gruppe aus Geschäftsführern und Arbeitnehmervertretern in Deutschland habe eine hausinterne Alternative zur Neuausrichtung entwickelt, die "einen guten Arbeitsstand" erreicht habe. Dabei würden sowohl die Standorte Hamburg als auch Berlin erhalten bleiben, heißt es. Noch ist nicht gewiss, ob der Konzern dieser Lösung eine Chance einräumt. Für die Vertrauenskörperleiterin von Vattenfall, Tanja Lackner, steht fest: "Wenn Vattenfall uns verkaufen will, war diese Demo nicht die letzte, sondern nur ein Anfang des Protestes."