Der Elektroroller wird in Hamburg endmontiert. Das Unternehmen Tante Paula hat bereits 25.000 Bestellungen für das kommende Jahr.

Hamburg. Ein wenig mulmig ist es schon, das Gefühl vor der ersten Probefahrt mit dem Elektroroller. Kann das ungewöhnliche Gefährt umfallen, wenn man nicht genug Gas gibt? Ist es möglich, Bremse und Gas zu verwechseln? Zugegeben, das Potenzial, sich komplett lächerlich zu machen, ist vorhanden. Zehn Minuten später, nach einer lautlosen, nicht unkomfortabel zu nennenden Fahrt, schlägt der Puls allmählich wieder normal.

"Unser ältester Kunde ist 92", sagt Jens Dietrich lachend. Dietrich ist für den Vertrieb der Roller in Norddeutschland verantwortlich. Der Kunde lebt in Timmendorfer Strand und genießt es, mit dem ulkigen Zweirad, die Ostsee vor Augen, die Promenade entlangzusurren. Neidische Blicke inklusive. Denn dieser Roller hat nichts von den Elektrorollstühlen, die Senioren sonst von A nach B bringen.

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Der Roller heißt, da fängt der Spaß schon an, Tante Paula. Es ist der Name einer rollerbegeisterten Dame, die ein eigenes Spaßgefährt entwickeln wollte, beschreibt es die Firmengeschichte. Die Modelle wiederum heißen Ferdinand und Maximilian (wie die Neffen der 1929 geborenen Dame). Sie haben mit einer Akkuladung aus der Steckdose eine Reichweite von bis zu 60 Kilometern und erreichen Geschwindigkeiten von 32 Kilometern pro Stunde. Um auch Gepäck transportieren zu können, gibt es Zubehör wie einen Korb, den man hinter dem Sattel befestigt.

Tante-Paula-Elektroroller gelten rechtlich als Mofa, man kann damit grundsätzlich auf der Straße fahren und auf Fahrradwegen, die dies genehmigen, und braucht keinen Motorradführerschein. Die Endproduktion von Tante Paula sitzt in Hamburg, wobei allerdings eine 95-prozentige Vormontage in China angesiedelt ist. Tests und die Qualitätskontrolle übernimmt wiederum der Betrieb in der Hansestadt.

Die Idee und erste Gehversuche zu dem Projekt gibt es schon seit Jahren. Doch jetzt will das Unternehmen, das seine Roller ab 899 Euro verkauft, mit einem neu geordneten Vertrieb richtig durchstarten. "Die Zeit für Elektroroller ist gekommen", davon ist Jens Dietrich überzeugt. In den nächsten Monaten nehmen beispielsweise die 13 Mercedes-Händler der Sternpartner-Gruppe im Norden Niedersachsens Tante Paula ins Sortiment.

Seit Autohersteller wie BMW und VW auf jeder Automobilausstellung mindestens ein umweltverträgliches Fahrzeug präsentieren und die Bundesregierung die Parole ausgegeben hat, dass bis 2020 mindestens eine Million Elektromobile auf deutschen Straßen unterwegs sein sollen, gilt E-Mobilität als chic. Allerdings gibt es bisher kaum serientaugliche Autos, die an der Steckdose aufgeladen werden können.

Elektroroller sind zumindest für kurze Strecken eine Alternative. Die emissionsfreien Zweiräder beherrschen in chinesischen Metropolen, wo vorsichtige Naturen wegen der enormen Luftverschmutzung nur mit Atemmasken vor die Tür gehen, das Straßenbild. Es soll 60 Millionen E-Roller in der Volksrepublik geben, die für wenige Hundert Euro auch erschwinglich für die Massen sind.

In Europa sind die Hersteller erst in den Anfängen. VW hat zwar bereits einen E-Scooter entwickelt, er soll aber zunächst nur in China angeboten werden. Der italienische Rollerspezialist Piaggio hat von seinem Hybridroller bisher nur 200 Stück im Jahr verkauft. BMW hat für 2013/2014 einen elektrisch betriebenen Scooter in Planung, Daimler denkt an ein batteriebetriebenes Zweirad seiner Marke Smart. Eher werden wohl Peugeot, Yamaha und Honda serienreife Elektrozweiräder auf den Markt bringen. Eher exotisch - wie Tante Paula - ist zudem das sogenannte eRockit eines Tüftlers aus Berlin. Sein Gefährt kann bis zu Tempo 80 erreichen, indem ein Elektromotor die Trittleistung verstärkt. Die Eignung für den Massenmarkt und die Finanzierung ist aber noch nicht geklärt.

Da gibt sich die neue Vertriebsleitung bei Tante Paula optimistischer. Während die Firma in diesem Jahr 3500 Roller verkaufte, stehen für 2012 schon 25 000 Bestellungen in den Büchern, sagte Dirk Niemeyer von der Vertriebszentrale in Remscheid. Der Verkauf wird auf Länder wie England, Spanien, Russland und auch auf Skandinavien ausgeweitet, darüber hinaus sind eigene Vermietstationen in Europa geplant. Auf der diesjährigen IAA hat Tante Paula sich gemeinsam mit dem Energiekonzern E.on präsentiert, der auch Ökostrom für den Roller liefert. Auch Mobilitätskonzepte mit Kommunen sind angedacht. An der Ostseeküste kooperiert Tante Paula beispielsweise mit Hotels. Die Gäste finden auf den Do-not-disturb-Schildern an der Zimmertür Infos zu Mietstationen und Preisen und kommen so kaum an ihrer ersten E-Roller-Erfahrung vorbei.

Wenn irgendwann einmal Zehntausende Tante Paulas verkauft werden, könnte dies sogar der Bundesregierung helfen. Der Entwicklungsplan für die E-Mobilität strebt eine Million elektrisch betriebene Fahrzeuge an. Für die Zahl der Räder macht der Bund auf dem Papier keine Vorgaben.