Internetportale und Spezialanbieter setzen den Marktführern Thomas Cook und TUI zu. Zudem gibt es Überkapazitäten im Flugmarkt.

Hamburg. Die Kreditlücke bei Europas zweitgrößtem Reiseveranstalter Thomas Cook hat zwar die Branche völlig überraschend erschüttert. Der akute Finanzbedarf des deutsch-britischen Konzerns wirft aber auch ein Schlaglicht auf ein strukturelles Problem der führenden Anbieter im Touristikgeschäft: Der Markt wandelt sich - und die beiden Schwergewichte TUI und Thomas Cook kostet es viel Geld und Zeit, sich darauf einzustellen.

Ihre Situation spiegelt sich auch im Aktienkurs wider: Die Papiere beider Unternehmen haben sich in den zurückliegenden zwölf Monaten deutlich schlechter entwickelt als der Deutsche Aktienindex (DAX).

"Die beiden Marktführer können mit ihrem traditionellen Modell nicht so weitermachen", sagt Edgar Kreilkamp, Professor für Tourismusmanagement an der Leuphana Universität Lüneburg. "Sie müssen sich vom Massenmarkt, in dem es vor allem um die simple Hotelvermittlung geht, mehr und mehr lösen."

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Das liegt nicht zuletzt an der wachsenden Bedeutung des Online-Geschäfts. "Früher buchten viele Kunden bevorzugt bei den großen Anbietern, weil man sie kannte", erklärt Sebastian Hein, Branchenanalyst beim Bankhaus Lampe. "Durch das Internet und die Reiseportale gibt es viel bessere Vergleichsmöglichkeiten." Das nützt den kleinen, aggressiven Veranstaltern - und gibt den Verbrauchern die Möglichkeit, sich ihre Urlaubsreise selbst zusammenzustellen.

Zwar bietet Größe theoretisch Vorteile bei den Einkaufskonditionen. "Aber es fällt den führenden Konzernen derzeit schwer, solche Kostenvorteile zu realisieren", so Kreilkamp. Einer der Gründe: "Im Flugmarkt gibt es Überkapazitäten, daher können sich auch die kleinen Konkurrenten attraktive Konditionen sichern."

Zudem verändert sich die Nachfrage. Immer erfolgreicher sind Anbieter, die sich auf bestimmte Regionen oder Zielgruppen spezialisieren und diese Nischenmärkte gut kennen. "Das können Fahrrad- oder Tauchurlaube sein, aber auch Himalaja-Reisen", sagt Kreilkamp. "Kleinere Wettbewerber können flexibler auf solche Marktveränderungen reagieren", ergänzt Hein. Tatsächlich hat sich dies schon ausgewirkt: "Seit sechs oder sieben Jahren gewinnen besonders die wirklich kleinen Veranstalter Marktanteile hinzu, während es auch für die mittelgroßen Wettbewerber schwieriger wird", beobachtet Kreilkamp. Allerdings haben die Marktführer schon damit begonnen, sich auf die neue Lage einzustellen. Der Zukauf des Hamburger Türkei-Spezialisten Öger Tours durch Thomas Cook ist ein Beispiel dafür. Branchenprimus TUI hingegen will verstärkt auf eigene Hotels setzen, die nicht in den Katalogen anderer Anbieter stehen, und das eigene Online-Geschäft ausbauen.

Das alles kostet viel Geld - und daran fehlt es gerade im Herbst und im Winter. Zumal sich die Buchungen für Ziele in Nordafrika, die für die Wintersaison besonders wichtig sind, noch immer nicht deutlich erholt haben. Insofern passt es ins Bild, dass Thomas Cook am Mittwoch einräumen musste, man benötige rund 100 Millionen Pfund (116 Millionen Euro), um auszuschließen, dass die Banken plötzlich die bestehenden Kredite kündigen können. TUI hatte Ende September den Abbau von insgesamt 550 der rund 2750 Stellen in Deutschland angekündigt.

Doch Thomas Cook und TUI tun sich seit einiger Zeit noch aus einem anderen Grund schwerer als kleinere deutsche Anbieter: Die Konzerne sind längst nicht nur auf dem deutschen Markt tätig, der vergleichsweise gut läuft. Sie sind in erheblichem Maße von der Reiselust der Verbraucher in Ländern wie Großbritannien, die derzeit unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten leiden, abhängig.

Bei Thomas Cook kommen hausgemachte Probleme hinzu. Das Unternehmen sei auf der Managementebene geschwächt, so Hein: Im August trat Firmenchef Manny Fontenla-Novoa nach der dritten Gewinnwarnung innerhalb eines Jahres zurück, ein Nachfolger ist noch nicht gefunden.

Außerdem habe das Unternehmen mit der notwendigen Umsteuerung nicht früh genug begonnen, meint Hein: "Thomas Cook hat eine schwierige Phase als Teil des seit 2009 insolventen Arcandor-Konzerns hinter sich. In dieser Zeit ging es vor allem darum, zu den Bilanzstichtagen gut auszusehen, strategische Weichenstellungen wurden vernachlässigt."

Trotz der gegenwärtigen Widrigkeiten glaubt Kreilkamp aber an die Zukunft der Marktführer: Sie seien inzwischen praktisch global tätig, auch in den Wachstumsmärkten Osteuropas und Asiens - und der World Travel & Tourism Council (WTTC) rechnet für 2012 fest mit einer Erholung des Tourismus in Ägypten und Tunesien nach den Einbrüchen dieses Jahres.