Gemeinschaftsfirma will eine Milliarde Euro sparen. In Deutschland bangen 10 000 Angestellte

Helsinki/München. Mit einer radikalen Schrumpfkur versuchen Siemens und Nokia ihre Gemeinschaftstochter Nokia Siemens Networks (NSN) zu sanieren. Im Zuge der Rettungsaktion werde NSN sein Festnetzgeschäft aufgeben und mit 17 000 Arbeitsplätzen fast ein Viertel seiner weltweit 74 000 Stellen abbauen, teilte Nokia gestern mit. NSN soll sich auf sein Kerngeschäft mit mobilen Breitbandnetzen und Service konzentrieren, sagte Vorstandschef Rajeev Suri. Randbereiche werden verkauft oder abgewickelt. So will Suri eine Milliarde Euro an Kosten bis Ende 2013 einsparen.

Wie viele Stellen in Deutschland gestrichen werden, stehe noch nicht fest, sagte Suri in einer Telefonkonferenz. Betriebsbedingte Kündigungen seien nicht auszuschließen, ergänzte eine Firmensprecherin. In Deutschland beschäftigt der Netzwerkausrüster knapp 10 000 Menschen. "Der geplante Stellenabbau ist bedauerlich, aber notwendig", sagte der NSN-Chef.

Allerdings zogen selbst Analysten die Augenbrauen hoch und vermuteten weitergehende Ziele hinter den Plänen. "Das ist ein großer Schritt. Ich glaube, das Ziel ist ein Börsengang", sagte Jari Honko von der Swedbank. "Der kann mit der gegenwärtigen Struktur und dem Geschäftsmodell nicht funktionieren." Bei Beschäftigten und Gewerkschaft lösten die Ankündigungen Bestürzung aus. "Die neuerlichen Abbaupläne sind eine Kampfansage an die Belegschaft", sagte IG-Metall-Funktionär Michael Leppek. Betriebsratschef Georg Nasser warf der NSN-Spitze Versagen im Umgang mit Kunden und bei der Produktgestaltung vor. Die Arbeitnehmervertreter verlangten einen Stopp der Abbaupläne und eine Verlagerung des NSN-Firmensitzes von Finnland nach Deutschland, damit durch die betriebliche Mitbestimmung eine "notwendige effiziente Kontrolle der Unternehmensführung" möglich werde.

Seit der Gründung von NSN 2007 hat sich die Firma zu einem Milliardengrab für Siemens und Nokia entwickelt. Erst Ende September pumpten sie eine Milliarde Euro in das Geschäft, um die Finanzausstattung zu verbessern. Zuletzt fuhr die Tochter im dritten Quartal bei einem Umsatz von 3,4 Milliarden Euro einen operativen Verlust von 114 Millionen Euro ein.

Mit dem NSN-Ausstieg aus dem klassischen Festnetzgeschäft geht eine lange Geschichte zu Ende: Werner von Siemens war Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Zeigertelegrafen der kommerzielle Durchbruch gelungen. Vor allem die Billigkonkurrenz aus China setzen dem weltweit zweitgrößten Anbieter von Mobilfunknetzen zu. Siemens hat sich vertraglich bis 2013 an Nokia gebunden, will aber aussteigen. Ein Anteilsverkauf an Finanzinvestoren war im Sommer gescheitert.