Über spezielle Anlagen der Firma Telio können die Insassen Kontakt nach draußen halten. Die Hamburger sind auf diesem Gebiet Marktführer.

Hamburg. Oliver Drews ist viel unterwegs in Europa. An 20 von 30 Tagen pro Monat sitzt er im Flugzeug, sodass er seinen sechs Monate alten Sohn Max-Ferdinand weniger sieht, als ihm lieb ist. Doch trotz der regen Geschäftskontakte können nur drei Gruppen von Menschen mit seiner Firma Telio und ihrem Tätigkeitsbereich etwas anfangen: Straftäter, ihre Familien und Mitarbeiter im Strafvollzug. Denn Drews Kunden sind ausschließlich Gefangene, denen er Kontakt nach draußen verkauft - über das Telefon. Mit Tochtergesellschaften in neun Ländern ist die Hamburger Firma in dieser Nische europäischer Marktführer.

Der gelernte Bank- und studierte Diplomkaufmann hat die 1999 gegründete Firma seit seinem Einstieg als Finanzchef 2004 deutlich ausgebaut. Vor sieben Jahren hatten sechs Mitarbeiter Anlagen in 30 der insgesamt knapp 200 deutschen Anstalten installieren lassen. Heute sind bei Telio 50 Mitarbeiter beschäftigt, und es wurde ein Netz von internationalen Tochterfirmen aufgebaut. "Erst im Oktober haben wir in den Niederlanden, wo wir bisher zwei Gefängnisse versorgt haben, den Zuschlag für die weiteren 64 erhalten", sagt Drews, der inzwischen neben einer Hamburger Kaufmannsfamilie, die ungenannt bleiben möchte, maßgeblich an Telio beteiligt ist. Auch Verhandlungen mit Griechenland laufen. "Dabei kommt uns zugute, dass der Justizminister als Einziger in der Regierung nicht gewechselt hat", freut sich der 41-Jährige. Gehen weitere internationale Aufträge ein, könnte die Belegschaft künftig auf bis zu 150 Mitarbeiter wachsen. Schon heute sucht Drews Softwareprogrammierer.

Das Geschäftsmodell der Hamburger beruht im Kern auf ihrem Telefonsystem Phonio, das inzwischen in 320 Gefängnissen in Europa einschließlich der vier Hamburger Standorte sowie in den Vereinigten Arabischen Emiraten genutzt wird. Die Geräte, die mit ihren von Panzerglas geschützten Displays und dem unzerbrechlichem Hörer auch rohen Kräften widerstehen, sind in den Fluren der Anstalten angebracht.

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Die Gefangenen wählen sich mit einem vierstelligen Zahlencode ein und bezahlen ihre Gespräche über ein Konto, auf das eigene Einkünfte oder auch Gelder von Freunden und Verwandten eingezahlt werden können. "Die Software in den Geräten stellt dabei sicher, dass nur festgelegte Nummern zu erreichen sind und frühere Opfer nicht belästigt werden können", sagt Drews.

Telio finanziert sich durch die Telefongebühren, die Apparate bleiben im Besitz der Firma. Derzeit kommt auf 20 Gefangene in Deutschland ein Apparat. Nur in Bayern konnte Drews bisher nicht landen: "Dort ist den Gefangenen das Telefonieren verboten." In den anderen Bundesländern hat das System die Kartentelefone in den Justizvollzugsanstalten (JVA) abgelöst. Hintergrund: Die Karten wurden zuvor oftmals als Währung genutzt, um in die Zellen geschmuggelte Drogen oder Alkohol zu bezahlen.

Phonio war aber nur der erste Schritt für Telio. So sollen im Gefängnis Berlin-Moabit im kommenden Jahr Apparate in jede der 1800 Einzelzellen verlegt werden. Zudem wird bereits seit diesem Jahr in den JVAs in Wolfenbüttel und Gera unter dem Namen Multio ein Mediensystem erprobt. Mit ihm können über einen Bildschirm sowohl das Fernsehprogramm als auch Radio empfangen, telefoniert und CDs gehört oder Filme auf DVD geschaut werden. Für diese Einrichtung müssen die Gefangenen im Gegensatz zu den Phonio-Telefonen eine monatliche Miete zahlen. "Das System macht auch das Lernen am Bildschirm für die Zeit nach der Haft möglich", sagt Drews. Gleichzeitig bleibt dem Wachpersonal in den Anstalten mit Multio die Kontrolle von CD-Spielern oder Radios erspart, die ebenfalls als Versteck für Drogen oder verbotene Funktechnik genutzt werden. Im Januar wollen Drews und seine Experten nun in Nordrhein-Westfalen einen Handy-Blocker testen. Der soll nicht nur die Signale der im Justizvollzug verbotenen Geräte abfangen, sondern auch ihre Verstecke in den jeweiligen Anstalten ausfindig machen.

"Wir werden unsere Software auch künftig ausbauen und in weitere Länder vorstoßen", verspricht der Hamburger. Nächster Schritt ist Anfang des Jahres ein Telefonpilotprojekt im türkischen Antalya. Dort soll Telio-Technik im zweitgrößten Gefängnis des Landes mit derzeit 1800 Insassen getestet werden.

Noch ohne den Staat am Bosporus und Russland rechnet Drews mit europaweit konstant 670 000 Gefangenen, die als Kunden für ihn infrage kommen. 200 000 von ihnen telefonieren derzeit über seine Firma. Länder wie Frankreich, Spanien oder Italien bieten jedoch noch Potenzial für weitere Geschäftsbeziehungen. Dagegen hat Drews in Transsilvanien, das zu Rumänien gehört, bereits ein Büro eröffnet.

Nach 15 Millionen Euro 2011 soll der Telio-Umsatz im kommenden Jahr um mindestens zehn Prozent steigen, versichert der Firmenchef, der jetzt zum stellvertretenden Vorsitzenden des Verbandes Die Familienunternehmer in Hamburg gewählt wurde. In seinem Ehrenamt gibt er Existenzgründern Tipps und setzt sich für die Belange von mittelständischen Firmen ein. Und nebenbei dürfte dabei auch seine Firma Telio bei mehr Menschen bekannt werden, die bisher nicht mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind.