Beim Hansa Forum mit 600 Teilnehmern überwiegen Probleme und schwarzer Humor. Der Standort Deutschland stecke in einem Strukturwandel.

Hamburg. Bernd Kröger versucht es zum Einstieg mit schwarzem Humor. Unterhaltungsqualität muss man dem früheren langjährigen Hauptgeschäftsführer des Reederverbandes VDR durchaus zubilligen. "Nach dem Untergang der ,Titanic' stehen Angehörige der Passagiere im Büro der Reederei und wollen Informationen", zitiert er einen alten Witz aus der Schifffahrt. "Zwischendrin steht ein Pinguin, der fragt: Irgendwas Neues vom Eisberg?" Gelächter bei den rund 600 Teilnehmern, die sich zum 15. Hansa Forum Schiffsfinanzierung im großen Festsaal des Hotels Grand Elysée an der Rothenbaumchaussee versammelt haben.

Zwischen einem Eisberg, wie ihn die "Titanic rammte, und den Überkapazitäten in der Schifffahrt gebe es einen wichtigen Unterschied, leitet Konferenzmoderator Kröger die erste Podiumsdiskussion des Tages ein: "Beide benötigen sehr lange, um abzuschmelzen." Traditionell treffen sich bei der Konferenz der Fachzeitschrift "Hansa" in Hamburg Experten von Reedereien und Schiffsfinanzierern mit Vertretern von Verbänden und Politik. Die Konferenz ist in der Branche beliebt.

Die Weltfinanzmarktkrise von 2008 schien in den operativen Ergebnissen vieler Schifffahrtsunternehmen im Jahr 2010 mehr oder weniger gut überstanden - da brach bereits in diesem Jahr vor allem der Containermarkt erneut ein. Die Frachtraten für den Transport von Containern, aber auch die Charterraten für die Anmietung von Containerschiffen stürzten wieder ab. Viele Schiffsbanken, aber auch Fondsgesellschaften für Privatanleger und ebenso Reedereien haben die Folgen der letzten Krise längst nicht abschließend verarbeitet, da droht bereits neues Ungemach an den Märkten.

Auf Wachstumskurs: Hafen wächst um elf Prozent

Die Containerschifffahrt hat für den Standort Deutschland herausragende Bedeutung - mehr als ein Drittel aller Containerfrachter weltweit gehören deutschen Eignern. Gerade an diesem Markt steuert die Schifffahrt durch eine gefährliche Gemengelage. Die Überkapazitäten in einigen Größensegmenten bei den Containerschiffen nehmen weiter zu. Obendrein liefern sich führende Reedereien wie Maersk und MSC harte Preiskämpfe um Marktanteile. Und letztlich hat sich der Zugang zu frischem Kapital für die Branche verschlechtert; die Perspektiven überzeugen die - vor allem in Europa - ohnehin schwer verunsicherten Anleger nicht.

Noch nie war die aktive Flotte von Containerschiffen so groß wie derzeit. Fast 6000 Frachter mit einer Transportkapazität von annähernd 16 Millionen Containereinheiten (TEU) sind registriert. Der aktuelle weltweite Auftragsbestand umfasst 659 weitere Schiffe mit zusätzlichen 30 Prozent dieses bereits jetzt enorm hohen Transportvolumens. Es sind Schiffe, die in den kommenden Jahren an den Markt gehen und von denen viele wohl kaum ausreichend ausgelastet sein werden. "Das starke Flottenwachstum wirkt sich negativ auf den Markt aus, und das wird sich fortsetzen", sagte Willem Slendebroek vom niederländischen Brancheninformationsdienst Dynamar.

Politik und Schifffahrt versuchen vor diesem Hintergrund, ihre Kooperation im Maritimen Bündnis wieder zu stärken, die in jüngerer Zeit gelitten hat. Der Bund stockt für das kommende Jahr seine Zuschüsse an die Reedereien für Lohnnebenkosten und die Ausbildung wieder auf 58 Millionen Euro auf. Der Reederverband VDR will seine Mitglieder davon überzeugen, 30 Millionen Euro jährlich beizusteuern. "Es geht darum, dass in die Verantwortung und in bestimmte wirtschaftliche Belastungen alle Reedereien einbezogen werden, die von der Tonnagesteuer in Deutschland profitieren", sagte Enak Ferlemann (CDU), parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesverkehrsminister.

Die niedrige pauschale Gewinnsteuer gilt für alle Schiffe, die mit Eintragung im Deutschen Schiffsregister von Deutschland aus betrieben werden. Höhere Lohnebenkosten und Ausbildungsleistungen werden aber bislang nur bei Schiffen fällig, die unter deutscher Flagge fahren. Die Finanzumlage soll auch Reedereien erfassen, die ihre Schiffe unter anderer Flagge betreiben.

Übereinstimmung herrschte beim Hansa Forum darüber, dass China auf dem Weg zur größten Wirtschaftsnation auch die Führungsposition in der internationalen Schifffahrt und in der Schiffsfinanzierung anstrebt. Im Schiffbau steht das Land bereits auf Rang eins. "In den kommenden Jahren werden wir in der Schifffahrtsbranche eine Marktbereinigung und internationale Konzentration unter hohem Druck erleben", sagte Achim Boehme von der britischen Reederei Lomar Shipping. Lutz Weber von der NSB Niederelbe Schiffahrtsgesellschaft ergänzte: "Der Schifffahrtsstandort Deutschland steckt in einem tiefen Strukturwandel. Und der ist wohl auch nötig."