Josef Ackermann verzichtet auf den Posten des Aufsichtsratschefs bei der Deutschen Bank. Der Widerstand von Großinvestoren war wohl zu groß.

Frankfurt. Es fällt schwer, ein fröhliches Gesicht zu wahren, wenn etwas richtig schiefläuft. Diese Erfahrung musste Josef Ackermann jetzt in Frankfurt machen. "Sehe ich etwa traurig oder enttäuscht aus?", fragte der Deutsche-Bank-Chef am Rande einer Veranstaltung in Frankfurt. Und auch wenn niemand auf die rhetorische Frage antwortete, so waren sich die Umstehenden doch einig: Ein wenig mitgenommen wirkte er schon.

Schließlich hatte Ackermann nur eine Stunde zuvor bekannt geben müssen, dass aus seinem Plan, 2012 an die Spitze des Aufsichtsrats zu wechseln, nichts wird. Ein Wechsel, der stets umstritten war und der die Gefahr barg, die Führungsquerelen der vergangenen Monate zum Dauerzustand zu machen. Entsprechend groß war offenbar der Widerstand der Deutsche-Bank-Aktionäre - er zwingt Ackermann nun zur Aufgabe. Der von Beobachtern heraufbeschworene Machtkampf zwischen ihm und seinen Nachfolgern ist entschieden, ehe er richtig begonnen hat.

Zur Überraschung vieler hatte Ackermann im Sommer bekannt gegeben, sich um das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden bewerben zu wollen. Zuvor hatte er einen Wechsel in das Kontrollgremium stets ausgeschlossen. Doch nachdem sein Wunschkandidat Axel Weber nicht zu seinem Nachfolger bestellt wurde, stellte sich Ackermann mit einem Mal selbst zur Verfügung.

Seinen ebenso plötzlichen Rückzieher begründete er offiziell mit Zeitmangel inmitten der Finanzkrise. Der direkte Wechsel vom Vorstand in das Kontrollgremium ist nach dem Aktiengesetz nur mit einer Ausnahmegenehmigung durch die Aktionäre erlaubt. Die notwendigen Gespräche mit Investoren könne Ackermann derzeit jedoch nicht führen, weil er als Noch-Vorstandschef zu sehr eingebunden sei, so die Bank.

Das war jedoch eine harmlose Umschreibung für eine gescheiterte Mission. "Ackermann dachte, es würde ein Selbstläufer werden, die nötige Unterstützung bei den Anteilseignern zu finden", heißt es im Umfeld der Bank. In den vergangenen Wochen musste der Vorstandschef jedoch erkennen, dass das ganz und gar nicht der Fall war. Nach Informationen der "Welt" besuchte Ackermann im September und Oktober wichtige Investoren in London und New York, aber auch in Boston, wo neben vielen US-Pensionsfonds auch die Stimmrechtsvereinigung Institutional Share-holder Service (ISS) ihren Sitz hat. Sie vertritt bei Hauptversammlungen regelmäßig viele Aktionäre und gilt als sehr streng, was die Grundsätze guter Unternehmensführung (Corporate Governance) angeht. Das Ergebnis der Gespräche soll aus Ackermanns Sicht ernüchternd gewesen sein: Mehrere Großanleger äußerten Skepsis gegenüber der Idee, dass der Schweizer seine eigenen Nachfolger kontrollieren soll.

Zu den Gegnern dieses Schritts sollen neben ISS weitere renommierte Adressen wie die Fondsmanager Black Rock und Capital gehört haben. Dabei dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass die neue Doppelspitze mit Investmentbanker Anshu Jain und Deutschlandchef Jürgen Fitschen nicht Ackermanns Traumbesetzung ist. Blackrock-Chef Larry Fink hatte sich öffentlich mehrfach für Anshu Jain als Deutsche-Bank-Chef stark gemacht - nach dem Streit um die Führung musste ihm bewusst sein, dass ein Josef Ackermann an der Spitze des Aufsichtsrats zu einer schweren Hypothek für Investmentbanker Jain werden könnte.

Dass der Rückzug etwas mit den neuerlichen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Ackermann zu tun haben könnte, wird im Umfeld der Bank bestritten. Ihm und anderen Managern wird versuchter Prozessbetrug vorgeworfen - sie sollen in den gerichtlichen Auseinandersetzungen mit dem Medienunternehmer Leo Kirch gelogen haben, was die Bank zurückweist. Klar ist aber auch: Dieses Verfahren hätte es sicher nicht leichter gemacht, Investoren von einer Wahl Ackermanns in den Aufsichtsrat zu überzeugen.

Ackermann musste daher seine Felle davonschwimmen sehen. Auf eine unsichere Mehrheit unter Hunderttausenden Kleinaktionären konnte es der 63-Jährige aber nicht ankommen lassen. Zumal Ackermann selbst keinen Hehl daraus gemacht hat: Wirklich begeistert war der Manager von dem Aufsichtsratsposten nie. Ein Scheitern in der Hauptversammlung wäre jedoch ein Desaster gewesen. Dem Kämpfer Ackermann, der sich in seiner Karriere weder vom langen Mannesmann-Prozess noch von politischem Trommelfeuer gegen seine Person beirren ließ, blieb diesmal nur ein rechtzeitiger Rückzug, um Schaden abzuwenden.

Noch im Oktober soll er dem scheidenden Aufsichtsratschef Clemens Börsig entsprechende Signale gegeben haben. Die Suche nach einem Ersatzkandidaten lief dem Vernehmen nach unter der Regie von Börsig, Ackermann und dem früheren Bayer-Chef Werner Wenning, der als einer der einflussreichsten Aufsichtsräte bei der Bank gilt. Schnell landete man bei Allianz-Finanzvorstand Paul Achleitner, den Wenning und Börsig als Aufsichtsratskollegen bei Bayer kennen. "Ein Aufsichtsratschef der Deutschen Bank muss viel vom Investmentbanking verstehen, damit er die Bank wirklich kontrollieren kann", heißt es. Achleitner erfüllt diese Voraussetzung - er war fünf Jahre lang Deutschlandchef beim Erzrivalen Goldman Sachs.

Anfang November gab es dem Vernehmen nach erste Kontakte zu Achleitner. Die Verhandlungen führte Börsig, doch der Allianz-Manager dürfte sich kaum auf eine Kandidatur eingelassen haben, ohne vorab zu klären, ob mit Widerstand vonseiten Ackermanns zu rechnen sei. Anders als in den von Streit geprägten vergangenen Monaten sollen Börsig und der Vorstandschef in diesem Punkt nicht mehr aneinandergeraten sein, heißt es.