Lieferdienste aus Hamburg sind auf großem Expansionskurs – und haben in der Gastromie-Szene derzeit das größte Wachstumspotenzial.

Hamburg. Das Rezept der Zufriedenheit für Karsten Freigang klingt recht simpel: Fußball oder ein guter Film im Fernsehen, dazu schlechtes Wetter. Schlechtes Wetter? Wenn es draußen in Strömen regnet, kuscheln sich Millionen Leute aufs Sofa und bestellen eine Pizza. Für Freigang ist ein solcher Tag der Umsatzbringer. Der 47-Jährige ist Geschäftsführer bei Joey's Pizza Service aus Hamburg und profitiert von der Lust der Deutschen, Töpfe und Pfannen sauber und trocken im Küchenschrank zu lassen und sich Essen zu bestellen.

Nach einer aktuellen Studie zählen die Bringdienste (Home Delivery) in der gesamten Gastronomie zu den Anbietern mit den größten Wachstumsaussichten. Joey's Pizza oder Hallo Pizza können demnach stärker wachsen als beispielsweise McDonald's oder Subway. "Die Menschen arbeiten immer mehr und haben weniger Lust, selber zu kochen", sagt Sandra Warden vom Gastronomieverband Dehoga über den Trend zum bequemen Essen. Zudem arbeiteten die Bringdienste heute so professionell, mit derart standardisierter Qualität, dass Enttäuschungen über kalte Pizza oder nervtötende Wartezeiten praktisch ausblieben. Schnell und sicher, das ist es, was die Leute heute wollen, ungeachtet der zu jeder Tages- und Nachtzeit laufenden Kochsendungen im Fernsehen.

Schon im vergangenen Jahr konnten die Anbieter von Pizzen in Pappkartons ihre Umsätze eindrucksvoll steigern. Sogar auf bestehender Fläche wuchsen Call a Pizza, Joey's und Smiley's jeweils um mehr als zehn Prozent. Joey's Pizza Service ist in Deutschland unangefochtener Marktführer und belegt auf der Rangliste der größten Gastronomen, die schnelles Essen anbieten, bereits Platz zehn. Angeführt wird dieses Ranking zwar nach wie vor von McDonald's, Burger King und Nordsee, allerdings können diese Unternehmen von den Wachstumsraten der Pizzadienste nur träumen.

Saftige Lohnerhöhung für Mitarbeiter in Fast-Food-Branche

Entsprechend umkämpft ist der Markt, zumal das Backen und Bringen von Pizzen auch ein recht rentables Geschäft sein kann. Die weltweite Erfolgsstory der Pizza hat zwar schon Mitte des vergangenen Jahrhunderts mit den italienischen Gastarbeitern begonnen, die den ursprünglich aus Neapel stammenden belegten Hefeteig fern ihrer Heimat bekannt machten. Die ersten professionellen Bringdienste für Pizza - übrigens eine Erfindung der Amerikaner - sind in Deutschland in den 1980er-Jahren etabliert worden. Joey's und Smiley's aus Hamburg gehörten zu den deutschen Pionieren, die den italienischen Klassiker an die Haustüren brachten.

"Dennoch ist dieser Markt noch immer im Entstehen", sagt Freigang, und auch Dehoga-Expertin Warden ist überzeugt: "Das Ende des Wachstums ist noch lange nicht erreicht." Beispiel Smiley's. Die Hamburger wollen die Zahl ihrer Standorte von derzeit bundesweit 51 in den nächsten Monaten auf knapp 60 erhöhen. "Die Kunden werden immer jünger", berichtet Smiley's-Geschäftsführer Ingo Graetz. "Ich habe unsere Autos sogar schon vor Schulen parken sehen, die Kinder bestellen sich die Pizzen in der Pause."

Selbst vermeintlich konkurrierende Angebote wie Sushi-Lieferanten, vietnamesische oder thailändische Bringdienste, die in immer mehr Städten mit Flugblättern werben, komplettierten die Lieferbranche nur, bedrängten die Pizza-Platzhirsche aber nicht wirklich, sagt Sandra Warden.

Neuester, schon eher gefürchteter Wettbewerber ist Domino's, der mit seinen typisch amerikanischen fluffigen Pizzen jetzt auch nach Deutschland kommt. Die Amerikaner sind immerhin der weltweit größte und sogar börsennotierter Pizzalieferant mit 9000 Läden in 70 Ländern.

Joey's will sich in seinem Heimatmarkt aber keinesfalls das Heft aus der Hand nehmen lassen und hat ebenfalls ehrgeizige Expansionspläne. Im nächsten Jahr soll die Zahl der Joey's-Standorte von heute 185 auf mehr als 200 Betriebe anwachsen. Bisher backt Joey's in seinem größten Markt Hamburg schon an 25 Standorten. Hier sollen noch weitere Läden eröffnen, aber insbesondere will Freigang den Berliner Markt mit bisher 18 Läden weiter ausbauen. Freigang, der vor seiner Zeit bei Joey's schon bei Tank & Rast, Burger King und Nordsee gearbeitet hat, führt den Siegeszug der Bringpizza auch auf die neuen digitalen Bestellmöglichkeiten zurück.

Inzwischen ordert jeder zweite hungrige Kunde seine Margherita oder Calzone online. Dazu kommen mobile Kontaktmöglichkeiten und sogar Pizza-Apps. Aber nicht nur Studenten vor dem Rechner oder Werber bei der Nachtschicht sollen nach Freigangs Vorstellung Joey's lieben lernen. In nächster Zeit wagen sich die Hamburger, die in ihrer Zentrale in St. Georg 60 Mitarbeiter beschäftigen, ins Ausland. Nach Österreich, in die Schweiz, Polen und Tschechien, ebenfalls im Franchise-System wie daheim in Deutschland. Die Grenzen der Pizza-Welt enden für Joey's allerdings nicht in Europa.

Nachdem ein Besuch bei McDonald's oder Burger King bei betuchten Chinesen längst zum guten Ton gehört, denkt Joey's jetzt auch an die hungrigen Millionen in der Volksrepublik. "Wir sondieren den Markt", sagt Freigang. Erklären muss Joey's den Chinesen die Idee einer Bringpizza übrigens nicht mehr: Nachdem Pizza Hut mit Restaurants schon mehr als 20 Jahre im Reich der Mitte aktiv ist, etablierte die Kette dort seit 2001 auch schon 120 Delivery-Läden mit Dutzenden Lieferanten, die die Pizzen auf ihrem Fahrradgepäckträger durch die Verkehrsstaus der chinesischen Metropolen balancieren. Und regnerische Abende, an denen Sportübertragungen und gute Filme im Fernsehen laufen, gibt es in China ja auch.