Der Hamburger Kaffeeröster will mittelfristig seine Produktion komplett umstellen. Auch andere Firmen in der Stadt werden “grün“.

Hamburg. Markus Conrad drängt sich Journalisten nicht auf, er geht der Presse eher aus dem Weg. Doch für das Abendblatt macht der Chef des Hamburger Kaffeerösters Tchibo eine der wenigen Ausnahmen. Er spricht über den Kaffeeanbau, nachhaltiges Wirtschaften und die Perspektiven des deutschen Marktführers der Branche. Beinahe alle Kaffeeröster befinden sich in einem Umdenkprozess. "Um langfristig Kaffee in hoher Qualität zu erzeugen, müssen wir gemeinsam mit unseren Farmern neue Wege gehen", sagt Conrad. "Faire Arbeitsbedingungen, nachhaltig, also zum Beispiel ohne chemische Dünger erzeugte Produkte, die Renaturierung der Anbauflächen in den Regenwäldern und ein fairer Preis für die Bauern sind notwendig." Dies solle dafür sorgen, dass qualitativ werthaltige Sorten in Zukunft vermehrt angebaut werden können.

Mit Blick auf den pro Jahr weltweit um etwa ein Prozent wachsenden Kaffeeverbrauch muss die Branche die Anbauflächen besser nutzen. Auch Nahrungsmittelkonzerne wie Nestlé oder Kraft Food versuchen, die Kaffeepflanzer zu ökologischem Denken zu bewegen. Doch das Thema geht weit über das beliebte Heißgetränk hinaus - und Hamburger Initiativen spielen dabei eine große Rolle. So haben in diesem Jahr die drei Hamburger Stifter Michael Otto, Christian Jacobs und Michael R. Neumann für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Kleinbauern eine neue Stifter-Allianz gegründet. Sie soll unter anderem Baumwoll-, Kaffee- und Kakaoanbauer beim Entstehen nachhaltiger Produktionssysteme unterstützen.

Tchibo ist nicht nur deutscher Marktführer beim konventionellen Kaffee, sondern mit einem Anteil von 54 Prozent auch größter Vermarkter nachhaltigen Kaffees. Dennoch sind bislang mangels ausreichender Anbauflächen nur 13 Prozent des von dem Unternehmen angebotenen Getränks nachhaltig. 2012 sollen zumindest alle Sorten der Tchibo-Marke Privat Kaffee sowie des Kapselsystems Cafissimo nachhaltig erzeugt werden. Jedes Jahr soll so der Anteil bei Tchibo steigen. "Ziel ist, dass wir mittelfristig nur noch nachhaltig angebauten Rohkaffee einsetzen können", so Conrad. Wie lange dies dauert, hänge allerdings von der Umrüstungsbereitschaft der Bauern ab.

"Es ist gut, dass sich inzwischen auch große Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben haben", sagt Claudia Brück, stellvertretende Geschäftsführerin bei FairTrade Deutschland, dem Abendblatt. Die Organisation zeichnet bereits seit Jahrzehnten Firmen mit dem FairTrade-Siegel für fairen Handel mit Erzeugern aus der Dritten Welt aus. "Tchibo ist sehr engagiert, holt sich für seine verschiedenen Produktbereiche auch externes Know-how in puncto Nachhaltigkeit", so Brück.

"Die Kaffeefarmer müssen davon überzeugt werden, dass Qualität nur mit einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Flächen erreicht werden kann", sagt Conrad. Ein langwieriges Unterfangen, bei zigtausend Bauern in aller Welt, von denen die meisten nur einen bis vier Hektar Fläche bewirtschaften. "Wir betreiben in Afrika am Mount Kenya ein Projekt mit 12 000 Farmern und ihren Familien. Unter anderem wollen wir eine vernünftige Infrastruktur für Bildung ermöglichen, die Landwirtschaft auf nachhaltige Produktion umstellen und die Bauern davon überzeugen, dass nachhaltiger Kaffee auch ihren Gewinn erhöht."

Zehn solcher Projekte wie in Kenia betreibt das Unternehmen derzeit weltweit. Vier davon in Eigenregie und sechs weitere mit internationalen Partnern wie etwa Lavazza oder dem Hamburger Großhändler Neumann. Eines davon befindet sich in Guatemala. Gemeinsam mit der Organisation Rainforest Alliance werden insgesamt 1200 Farmer bei der Renaturierung des Regenwaldes und der Umstellung der Produktion unterstützt.

Veränderungen soll es auch im jede Woche wechselnden Angebot bei Gebrauchsartikeln geben. Das Unternehmen ist einer der größten Abnehmer der 2005 von Michael Otto gegründeten Initiative Cotton made in Africa (CmiA). Derzeit hat das Projekt rund 240 000 Kleinbauern auf dem Kontinent unter Vertrag, die nachhaltige Baumwolle anpflanzen. "Unser Anliegen ist auch, dass künftig mehr Wertschöpfung in Afrika verbleibt, also dort auch die Baumwolle zu Textilien weiterverarbeitet wird", sagte CmiA-Sprecherin Tina Stridde dem Abendblatt.

"Im kommenden Jahr werden wir mehr als 8,5 Millionen T-Shirts, Pullover, Hosen und Heimtextilien aus Baumwolle produzieren, die dem CmiA- oder dem Organic Cotton Standard entsprechen", so Conrad. Mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) erproben die Hamburger zudem einen neuen Qualifizierungsansatz für Zulieferer von Gebrauchsartikeln in Asien. Ziel ist es, die Arbeitsbedingungen in den Produktionsstätten in Bangladesch, China oder Thailand deutlich zu verbessern. Finanziert wird das Pilotprojekt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Entwicklung und Tchibo, die jeweils eine Million Euro investiert haben. "Wir werden das Projekt auf alle unsere strategischen Lieferanten ausrollen", sagt der Tchibo-Chef.

Der Hamburger Kafferöster, der sich im Besitz der Unternehmerfamilie Herz befindet, konnte im ersten Halbjahr bei einem Umsatz von 1,7 Milliarden Euro nur noch 99 Millionen Euro Vorsteuergewinn erwirtschaften, ein Rückgang um rund ein Drittel. Ob die Kunden den Aufwand für nachhaltige Produkte honorieren und dafür mehr Geld bezahlen? Zumindest beim Kaffee glaubt Conrad dies nicht: "Kurzfristig bringt das vermutlich wenig, aber langfristig werden nicht nur die Kaffeefarmer, sondern auch wir profitieren."