Troika gibt Geld frei. Griechisches Parlament stimmt Sparpaket zu. Ein Toter bei Massenprotesten. Zweiter Euro-Gipfel nächste Woche.

Brüssel. Der Internationale Währungsfonds (IWF), die Europäische Zentralbank (EZB) und die EU-Kommission verlieren die Geduld mit Griechenland. Zwar empfiehlt die Troika in ihrem jüngsten Bericht die Auszahlung der sechsten Hilfs-Tranche in Höhe von acht Milliarden Euro für das von Schulden- und Wirtschaftskrise gebeutelte Land. Gleichzeitig aber stimmten die Experten Athen darauf ein, dass es bei der nächsten Runde im Frühjahr kein Geld mehr geben dürfte, wenn sich die Lage vor Ort nicht grundsätzlich bessert. Der Grund: Griechenland sei dauerhaft nicht "schuldentragfähig".

Das griechische Parlament stimmte gestern Abend trotz schwerer Proteste von Zehntausenden Demonstranten in Athen für das sogenannte Multi-Spargesetz. 153 Abgeordnete der regierenden Sozialisten und eine unabhängige Abgeordnete votierten dafür, 144 dagegen. Eine sozialistische Abgeordnete wich von der Parteilinie ab und stimmte gegen einen Artikel des neuen Gesetzes, der die Arbeitsverträge in Griechenland betrifft. Ministerpräsident Giorgos Papandreou schloss die Abgeordnete aus der Parlamentsgruppe aus. Sie wurde damit unabhängig. So schrumpfte die Mehrheit der regierenden Sozialisten um einen Sitz auf 153 Abgeordnete.

+++ Griechisches Parlament billigt das neue Sparpaket +++

+++ Merkel und Sarkozy vertagen Euro-Rettung auf nächste Woche +++

+++ Chaos in Athen: Streik schlägt um in Straßenschlachten +++

Mit dem neuen Spargesetz wird die Entlassung von Staatsbediensteten ermöglicht. Zudem werden die Löhne von Staatsbediensteten und viele Renten um rund 20 Prozent gekürzt. Dieses Gesetz war eine der Voraussetzungen für eine neue Tranche der Finanzhilfe.

Dass Athen trotz aller Vorbehalte noch einmal geholfen werden soll, liegt vermutlich vor allem am Stand der Vorbereitungen im Rest der Euro-Zone auf die drohende Zahlungsunfähigkeit. Erst soll der erweiterte Euro-Rettungsschirm EFSF handlungsfähig sein, bevor Griechenland in irgendeiner Form den Schuldenschnitt wagen könne, heißt es bei Europas Regierungschefs. Die anderen EU-Partner fürchten, dass eine unkontrollierte Pleite des maroden Partners im Südosten den Rest der Euro-Zone mit in den Abgrund reißen könnte. Der Rettungsfonds soll dagegen als eine Art Schutzwall dienen.

Begleitet wurden die politischen Diskussionen in Athen von massiven Protesten griechischer Bürger gegen das Sparpaket. Bei Krawallen in der Innenstadt kam ein 53 Jahre alter Demonstrant ums Leben. In ersten Berichten hieß es, der Mann sei von einem Stein am Kopf verletzt worden und habe anschließend einen Herzinfarkt erlitten. Die Klinik erklärte allerdings, das Opfer sei ohne sichtbare Verletzungen eingeliefert worden. Der Mann habe offenbar zu viel Tränengas eingeatmet. Rund 500 Krawallmacher hatten die zuvor friedliche Demonstration auf dem Platz vor dem Parlament angegriffen und eine Panik ausgelöst. Die zum Teil vermummten Randalierer warfen Brandsätze in Flaschen auf Teilnehmer. Die Polizeikräfte setzten daraufhin massiv Tränengas ein.

+++ Demo und Protest in Athen: Vermummte werfen Brandsätze +++

Die für Freitag geplante Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum EU-Gipfel am Wochenende ist nach Angaben aus Koalitionskreisen derweil abgesagt worden.

Der EU-Gipfel am Wochenende finde zwar statt, es werde aber keine Detail-Entscheidung zum Euro-Rettungsschirm (EFSF) geben, hieß es. Grund seien Differenzen zwischen Deutschland und Frankreich. Ein zweiter Euro-Gipfel wurde für nächste Woche bis spätestens Mittwoch angesetzt. Berlin ist dem Vernehmen nach für eine als Teilkaskoversicherung bezeichnete Lösung: Der EFSF sichert Aufkäufe von Staatsanleihen der Euro-Sorgenkinder ab, bis zu 20 oder 30 Prozent. So könnten Anleger ermutigt werden, die Papiere zu kaufen, weil sie bei einem Schuldenschnitt den Restwert erhielten plus dem vom EFSF abgesicherten Anteil. Aber Paris geht die Lösung nicht weit genug. Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy poche, wie von mehreren Unterhändlern verlautete, auf eine andere Lösung, die sogenannte Bankenlösung: Nach dem Plan würde der EFSF eine Banklizenz erhalten, mit der er sich bei der Europäischen Zentralbank theoretisch unbegrenzt Liquidität besorgen könnte.

So verlief der Streik im September