Über Tarifverträge erhalten in Hamburg immer mehr Zeitarbeiter eine Festanstellung. Lufthansa Technik übernimmt 300

Hamburg. Harald Koch hat es geschafft. Ihm ist der Sprung gelungen, nach dem sich so viele Kollegen in seiner Branche oft vergeblich sehnen. Nach gut vier Jahren Einsatz als Zeitarbeiter für AviationPower im Hamburger Werk von Lufthansa Technik, hat der 46-Jährige ein Angebot für eine Festanstellung von dem Luftfahrtunternehmen erhalten. Ein Angebot, das er gerne angenommen hat: "Flugzeuge haben mich schon immer fasziniert. Jetzt bin ich dort angekommen, wo ich immer landen wollte", sagt Koch.

Das Glück von Koch teilen in diesen Monaten viele Beschäftigte des Hamburger Luftfahrtdienstleisters AviationPower, der sich auf die Vermittlung von Zeitarbeitern und Fachkräften im Bereich Luftfahrt spezialisiert hat und an dem eine Lufthansa-Tochter selbst beteiligt ist. "Wir verlieren allein in diesem Jahr rund 100 Mitarbeiter an die Lufthansa Technik", erzählt der Geschäftsführer Holger Küster, 48.

Hintergrund ist eine Tarifvereinbarung, wonach sich Lufthansa Technik verpflichtet hat, die Zeitarbeit im Unternehmen auf 12,5 Prozent zu beschränken und Leihkräfte nicht länger als 2,5 Jahre einzusetzen. Zudem sollen bis 2013 rund 300 langjährige Zeitarbeiter übernommen werden. In diesem Jahr wurden bereits 160 fest angestellt, weitere 50 folgen, sagt Lufthansa-Technik-Sprecher Bernd Habbel. Derzeit beschäftigt Lufthansa Technik in Hamburg 7100 Mitarbeiter sowie 700 Leiharbeiter. Bei Hamburgs größtem Arbeitgeber Airbus in Hamburg wurden im vergangenen Jahr 700 Zeitarbeiter übernommen. Aktuell kämpfen IG Metall und Belegschaft dafür, dass an allen vier Standorten bei Airbus nur noch maximal 15 Prozent der 16 600 Mitarbeiter als Leiharbeiter beschäftigt sind statt bisher mehr als 20 Prozent.

Für die Gewerkschaft Ver.di sind die Übernahmen ein großer Erfolg. "Für die Mitarbeiter bringt die Festanstellung bei Lufthansa Technik klare Vorteile", sagt die zuständige Ver.di-Sekretärin Janine Peltier. "Sie bekommen bessere Verträge, eine sichere Altersvorsorge, zum Teil höhere Entlohnungen und die Gehälter werden früher ausgezahlt. Zudem hätten sie endlich auch einen Betriebsrat, der bei AviationPower fehlt." Der AviationPower-Chef Küster dagegen verliert "gute Mitarbeiter natürlich nicht gern". Erst recht nicht in diesen Zeiten. Angesichts des Fachkräftemangels werde es immer schwieriger, passendes Personal zu finden. AviationPower, das bundesweit mehr als 920 Mitarbeiter in die Luftfahrtbranche verleiht, bietet rund 300 offene Stellen - davon 150 in Hamburg.

Der Fachkräftemangel besteht nicht nur in der Luftfahrt, sondern stellt die ganze Zeitarbeitsbranche vor Herausforderungen. "Bundesweit gibt es aktuell etwa 40 000 bis 50 000 offene Stellen, für die wir kein passendes Personal auf dem Arbeitsmarkt finden und die wir somit nicht besetzen können", sagt Volker Enkerts, Präsident des Bundesarbeitgeberverbands der Personaldienstleister (BAP). Die Übernahmen von Zeitarbeitern hätten seit Jahresbeginn deutlich zugenommen. "Insgesamt wurden im ersten Halbjahr dieses Jahres geschätzt ein Viertel aller Zeitarbeiter von den Kunden übernommen und dort fest angestellt. Damit haben wir viele Mitarbeiter verloren, die wir nicht mehr ersetzen können." Unterm Strich werde dadurch das Wachstum der Zeitarbeitsbranche gebremst, sagt Enkerts. Ursprünglich sollte die Zahl der Zeitarbeiter 2011 erstmals auf mehr als eine Million steigen. "Dieses Ziel ist nicht mehr realistisch, das werden wir verfehlen." Zuletzt beschäftigte die Branche 870 000 Leihkräfte.

Dienstleistung für die Luftfahrt bleibt dennoch ein Geschäft mit Perspektive. "Wir wachsen seit Jahren", sagt Küster. Künftig will Küster den Betrieben ganze Teams zur Verfügung stellen und damit ein neues Geschäftsfeld erschließen. Die Bezahlung für besser qualifizierte Zeitarbeiter entspricht dabei in der Regel dem Niveau der Unternehmen, in denen sie eingesetzt werden. "Ich bekomme für unsere Projekte keinen Ingenieur, wenn ich ihn nicht marktgerecht bezahle", erzählt Küster aus der Praxis. Die Beschäftigten hätten auch bei AviationPower unbegrenzte Arbeitsverträge, würden weitergebildet und bekämen zudem oft Anfahrt- und Reisekosten erstattet.

Auch Harald Koch kann nichts Schlechtes über sein Dasein als Leiharbeiter berichten. "Ich habe mich immer gut bei AviationPower aufgehoben und fair behandelt gefühlt", sagt Koch. Schließlich verdanke er es der Zeitarbeit, überhaupt die Chance erhalten zu haben, um ins Geschäft der Luftfahrt hineinzuschnuppern.

Koch ist ein vielseitiger und mehrfach qualifizierter Mann. Neben einer Ausbildung als Groß- und Außenhandelskaufmann hat er seinen Tischlermeister und Betriebswirt des Handwerks absolviert. 15 Jahre lang wirkte er in der Tischlerei seiner Eltern, führte mehrere Jahre den Betrieb.

Nach fast zwei Jahren als Fachberater im Außendienst wechselte er für ein Jahr als Salesmanager einer Vertretung für deutsche Betonmischanlagen nach Dubai. Allerdings sah er in sich nie den "Unternehmertyp", sondern sehnte sich nach einer Festanstellung. Bei einem seiner Heimatbesuche entdeckte der zweifache Vater schließlich eine Anzeige des Hamburger Zeitarbeitunternehmens AviationPower. Gesucht wurde ein Mitarbeiter zur Unterstützung des Archivierungsprozesses für Betriebs- und Instandhaltungsaufzeichnungen im Bereich Flugzeugüberholung - und er bekam die Stelle. Mittlerweile ist er als Dezentraler Prozessbetreuer für die Technische Dokumentation tätig und für die weltweite Dokumentenverteilung aller im Verbund angeschlossenen Überholungsagenturen zuständig.

Ein Job in einer Abteilung, der er seither durchgängig angehört - ohne die sonst in der Zeitarbeit oftmals üblichen mehrfachen Wechsel und Einsätze bei verschiedenen Firmen. Wenn Koch jetzt auf die Gehaltsliste von Lufthansa Technik wechselt, absolviert er weiterhin dieselbe Arbeit, am selben Computer, im selben Raum - nur die Zugangsdaten seiner Anmeldung am Bildschirm ändern sich. "Ich hatte immer nette Kollegen, sowohl bei AviationPower als auch bei Lufthansa Technik", schwärmt Koch. "Insofern wechsele ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge."