Der DAX-Konzern wählt Hamburg als Sitz seiner Weltzentrale für Windenergie. Jetzt werden Forscher und Vertriebskräfte gesucht.

Hamburg. Gute Nachricht für den Hamburger Arbeitsmarkt: 300 neue Stellen entstehen in der neuen Weltzentrale für die Windenergie von Siemens in Hamburg. Der DAX-Konzern will - wie berichtet - seine milliardenschwere Windenergiesparte künftig von der Hansestadt aus steuern. "In zwei Jahren werden wir in Hamburg in dieser Sparte mindestens 500 Mitarbeiter beschäftigen", sagte gestern Siemens-Energiechef Michael Süß. Bisher zählt Siemens Wind Power in der Stadt 170 Mitarbeiter. Neue Fachkräfte sucht Siemens nun für die Verwaltung, den Vertrieb, die Forschung und Entwicklung und das Projektmanagement.

Die Hansestadt konnte sich bei der Standortentscheidung gegen eine ernst zu nehmende, internationale Konkurrenz durchsetzen. "Hamburg hat wie keine andere Stadt in Deutschland vom Wachstum der Energiebranche profitiert und ist bereits die Hauptstadt der Windenergie", freute sich Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) über den Ansiedlungserfolg. Neben Siemens sind Repower Systems, die inzwischen zur indischen Suzlon gehören, Nordex, PowerWind und Vestas aus Dänemark mit ihren Zentralen oder Vertriebsniederlassungen in der Metropolregion vertreten. Offshore-Zentren unterhalten hier zudem der US-Konzern General Electric (GE), der weltweit drittgrößte Windanlagenhersteller Gamesa und Windreich aus Stuttgart.

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Der Verwaltung in Hamburg mit dem neuen Chef Felix Ferlemann, 51, werden bereits ab der kommenden Woche die Aktivitäten des Unternehmens rund um den Erdball unterstellt. Unter norddeutscher Führung stehen damit drei regionale Windenergiezentren von Siemens. Die bisherige Windkraftzentrale des Konzerns im dänischen Brande bündelt die Geschäfte für Europa. Für Nord- und Südamerika wird eine Niederlassung in Orlando (Florida) verantwortlich sein und für Asien die Dependance in Shanghai.

"Unsere Aktivitäten in der nahen Nordsee, die maritime Wirtschaft, aber auch das Umfeld der Hochschulen haben den Ausschlag für Hamburg gegeben", sagte Süß. Mit der Ansiedlung dürfte auch ein Umzug der bisherigen Hamburger Siemens-Zentrale am Berliner Tor mit ihren 1300 Mitarbeitern anstehen. Zumal Süß andeutete, dass Siemens nicht nur die Windenergie, sondern in Zukunft auch die Sparte der Speichertechnologien in der Hansestadt ansiedeln wolle. Damit würde Siemens Hunderte weiterer Stellen an Alster und Elbe für diese Schlüsseltechnologie schaffen. Die Frage, wie alternativ erzeugter Strom bei Flaute gespeichert und vorgehalten werden kann, wird letztlich über den Erfolg der Windenergie entscheiden.

Über die neue Adresse von Siemens in Hamburg schwiegen sich die Münchner gestern noch aus. Im Gespräch dafür sollen nach Informationen des Abendblatts allerdings bereits zwei Standorte sein: das Überseequartier und die SAP-Zentrale in der HafenCity. Der Softwarekonzern SAP zieht mit seiner Niederlassung neben das Hotel Grand Elysée im Stadtteil Rotherbaum.

Mit der Weltzentrale für Windenergie gewinnt Hamburg ein äußerst vielversprechendes Projekt: Siemens ist nicht nur Weltmarktführer im Offshore-Bereich, sondern rechnet auch mit außerordentlichem Wachstum in der gesamten Windenergie. "Die Perspektiven sind sehr gut; der Weltmarkt wird von 42 Milliarden Euro 2010 auf rund 60 Milliarden Euro im Jahr 2016 zulegen", sagte Süß. Siemens erwirtschaftete zuletzt rund 3,2 Milliarden Euro Umsatz mit Windenergie und beschäftigt in der Sparte 7800 Mitarbeiter, davon 1000 in Deutschland. Die Aufträge erreichten den Rekordwert von elf Milliarden Euro. Süß erwartet, dass sich die Zahl der Arbeitsplätze mittelfristig verdoppelt.

Siemens wolle das Geschäft mit der Windenergie industrialisieren und die Kostenführerschaft erreichen, so Süß. Der Markt werde sich konsolidieren, die Innovationszyklen würden kürzer. "Es geht darum, die Technologie in einen Prozess der Großserienfertigung zu überführen", sagte Süß. Zudem liefere Siemens gegenwärtig nur 30 Prozent einer Offshore-Windanlage; die übrigen 70 Prozent würden von anderen Firmen erbracht. Ziel sei es, schlüsselfertige Windparks zu errichten.

Der Elektronikkonzern stellt nicht nur die Windenergiesparte, sondern sein gesamtes Geschäft mit erneuerbaren Energien anders auf. Entwicklung und Bau von Windturbinen und Solaranlagen werden künftig getrennt voneinander gesteuert. Vor Kurzem hatte Siemens den Ausstieg aus der Atomkraft bekannt gegeben. Die Rating-Agentur Moody's lobte den neuen Kurs. In der Kernenergie frei werdende Mittel investiere Siemens nun in Geschäfte, deren Zukunft besser einschätzbar sei.