Die Bahn legt erstmals ihre Monatszahlen zur Pünktlichkeit vor. Die Fahrgastverbände fordern mehr Investitionen in Infrastruktur.

Berlin/Hamburg. Die Deutsche Bahn schlägt im Bereich Offenheit neue Wege ein. Erstmals gab der Staatskonzern gestern einen Einblick in die monatliche Pünktlichkeit seiner Personenzüge - und lüftete damit ein über lange Zeit streng gehütetes Geheimnis. So erreichte in den ersten acht Monaten jeder fünfte Fernzug der Bahn sein Ziel mit Verspätung, sagte der Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg. Deutlich besser schnitt der Regionalverkehr ab, dessen Züge in 93,5 Prozent aller Fälle pünktlich ihr Ziel erreichten. Bislang gab die Bahn nur einmal im Jahr in ihrem Geschäftsbericht einen Gesamtwert über die Verspätungen zu allen Zügen des Vorjahres bekannt.

Die neue Transparenz im Internet ( www.bahn.de/puenktlichkeit ) stößt bei Fahrgastverbänden auf Zustimmung. "Für die Fahrgäste ist das ein Schritt hin zu mehr Mündigkeit", lobte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, die Initiative. Schließlich seien gute Pünktlichkeitswerte ein Entscheidungskriterium, ob das Flugzeug, die Bahn oder das Auto genutzt werde. Für den Vorsitzenden des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Karl-Peter Naumann, sind die Zahlen für die politische Diskussion wichtig, da jede Verschlechterung der Pünktlichkeit auch ein Indiz für den Zustand der Infrastruktur sei: "Um die Pünktlichkeit zu verbessern, muss viel mehr Geld in den Ausbau der Schienen und in Technik investiert werden." Am Knotenpunkt Hamburg könnten schon durch die Installation einiger Zwischensignale viele Wartezeiten minimiert werden.

+++ Metronom-Verspätungen künftig auf bahn.de +++

Pünktlichkeit wird bei der Bahn in Zeitspannen bemessen. So gelten Züge als pünktlich, wenn sie an ihrem Ziel mit weniger als sechs Minuten Verspätung ankommen. Im August erreichten somit 80,9 Prozent aller insgesamt 20 000 Fernzüge ihr Ziel pünktlich. Im Regionalverkehr, der mit rund 780 000 Verbindungen im Monat - inklusive der S-Bahnen - den Mammutanteil des Zugangebots ausmacht, waren es sogar 93,6 Prozent. Legt man das Verspätungsmaß im Flugverkehr zugrunde, wo Verspätungen erst ab 16 Minuten als solche registriert werden, schneidet die Bahn sogar noch deutlich besser ab. Bei den Regionalzügen kamen im August nur 1,3 Prozent mit mehr als 15.59 Minuten Verspätung an, bei den Fernzügen waren es 6,8 Prozent. Als einen wesentlichen Grund für die Unpünktlichkeiten im August nannte die Bahn die schweren Unwetter Ende August im Westen und in der Mitte Deutschlands. Dieses hatte Oberleitungen beschädigt, Bäume entwurzelt und damit Streckensperrungen notwendig gemacht.

Bislang wird Pünktlichkeit des Fernverkehrs an jedem Bahnhof gemessen, bei Regionalzügen vorerst nur an einigen Hundert Haltestellen. Von 2012 an sollen alle Haltepunkte erfasst werden, sagte Homburg. "Die Zahlen in diesem Jahr zeigen, dass wir deutlich pünktlicher unterwegs sind, als uns von Kritikern oft vorgeworfen wird", sagte Homburg. Ziel der Bahn sei es, die Pünktlichkeit der Züge "stabil über 80 Prozent im Fernverkehr und über 93 Prozent im Nahverkehr" zu halten. Hauptgründe für Verspätungen seien zumeist externe Einflüsse - wie Sturmschäden oder Suizide, Fahrzeugengpässe sowie Infrastrukturfaktoren.

Nach Ansicht der Allianz pro Schiene sollte sich Deutschland ein Beispiel an der Schweizern nehmen, die seit Jahren eine Pünktlichkeit von über 95 Prozent erreichen und traditionell stark in den Schienenverkehr investierten, so Flege: "Da ist gerade im deutschen Fernverkehr noch viel Luft nach oben."