Zwei niederländische Firmen treiben die Aktie der Cloppenburger Derby Cycle in die Höhe. Elektrozweiräder wecken Wachstumsfantasien

Hamburg. Kursfeuerwerk trotz Bangens an der Börse: Während gestern die deutschen Aktienkurse wegen der Unwägbarkeiten in der Schuldenkrise reihenweise abstürzten, gewannen die Papiere des Cloppenburger Fahrradherstellers Derby Cycle zwischenzeitlich mehr als 20 Prozent. Der Höhenflug des Unternehmens, das erst im Februar an die Börse gegangen war, kam nicht von ungefähr: Zwei Kaufinteressenten, offenbar beide führende Fahrradhersteller aus den Niederlanden, buhlen derzeit um den auch auf die zukunftsträchtigen Elektroräder spezialisierten Hersteller. Es zeichnet sich damit nun ein Bieterwettstreit ab, der den Kurs sogar noch weiter beflügeln könnte, schätzen die Analysten der Equinet Bank.

Derby Cycle beschränkte sich gestern auf die für eine Aktiengesellschaft zwingende Informationspflicht. Darin hieß es, man verhandele mit einem strategischen Partner über einen Zusammenschluss. Bei den fortgeschrittenen Gesprächen gehe es auch um eine Übernahme, ergänzte Firmensprecher Tobias Eberle gegenüber dem Abendblatt. Eine Fusion würde dann unter anderem auch die Abgabe eines öffentlichen Übernahmeangebotes an alle Aktionäre der Derby Cycle AG vorsehen, hieß es. Dem müssten aber noch die Gremien der neuerdings im Kleinwerteindex SDax gelisteten Aktiengesellschaft zustimmen.

Bei dem Interessenten handelt es sich nach Angaben aus informierten Kreisen um die niederländische Familienfirma Pon, die sich noch im Sommer die Marke Gazelle einverleibt hatte und ebenfalls auf den Markt der Elektrofahrräder schielt.

Der weitere Kaufkandidat ist Wettbewerber Accell. Accell mit seinen Marken wie Batavia und Herkules hatte sich schon im April mit fünf Prozent an den Cloppenburgern beteiligt und seinen Anteil dann im August auf 22 Prozent ausgebaut. Die Führungsspitze bei Derby Cycle, Vorstandschef Mathias Seidler und Finanzchef Uwe Bögershausen, bewertete diese Beteiligung als Anlauf für eine feindliche Übernahme. Accell hatte sein Engagement zwar selber als reines Finanzinvestment bezeichnet, war in der Vergangenheit aber schon durch mehrere Übernahmen in der Branche aufgefallen. Es gebe kein Interesse an einer Zusammenarbeit mit der Accell Group, hatte sich Seidler unmissverständlich zu den Avancen der Holländer geäußert.

Das Selbstbewussein des gebürtigen Hamburgers in dem Machtkampf ist kein Zufall: Die Derby Cycle AG ist nach eigenen Angaben gemessen am Umsatz der größte Fahrradhersteller in Deutschland. Bekannte Marken wie Kalkhoff, Focus, Raleigh, Univega und Rixe sichern bei dem Unternehmen den noch jungen Geschäftszweig der Elektrofahrräder ab.

Die zum Großteil in Deutschland produzierten Räder verkauft Derby Cycle ausschließlich über den Fachhandel, wo sich höhere Preise als etwa in Kaufhäusern oder in Baumärkten erzielen lassen. 2009/2010 erlöste die Firma mit 550 Mitarbeitern und 430 000 verkauften Fahrrädern Umsätze von 173 Millionen Euro. Für das laufende Geschäftsjahr wird eine Steigerung auf 220 bis 240 Millionen Euro erwartet. Und selbst im Falle einer schrumpfenden Wirtschaft könne Derby Cycle 2012 weiter wachsen, sagte Jörg Philipp Frey von Warburg Research. Insbesondere die Aktivitäten der Niedersachsen in wichtigen Fahrradmärkten wie Großbritannien und Australien bewertet der Finanzexperte positiv. Und, nicht überraschend, die Entwicklung und Produktion von Elektrorädern bei Derby Cycle. Während die Hersteller mit den herkömmlichen Rädern in den vergangenen Jahren trotz immer neuer Trends wie Mountainbikes, Beach Cruiser oder Single-Speeds, also minimalistischen Eingangrädern, kaum Absatzsteigerungen erzielten, gehören die Räder mit aufladbaren Batterien längst nicht mehr in die Seniorenecke, sondern erobern auch die junge Spaßgesellschaft.

Rund 200 000 Fahrräder mit Elektroantrieb wurden 2010 bundesweit verkauft. Allein in den vergangenen vier Jahren hat sich damit der Absatz der heute kaum mehr als strombetrieben erkennbaren Drahtesel in etwa verdreifacht. Dennoch machen E-Räder erst fünf Prozent aller neu verkauften Fahrräder aus.

Für Anleger bietet der Markt damit einigen Anlass zu attraktiven Wachstumsfantasien. Allerdings ist die Auswahl der Fahrradtitel für Investoren recht überschaubar. Der weltgrößte Radproduzent Giant Manufacturing ist nur an der Heimatbörse in Taiwan gelistet. In Deutschland ist neben Derby und Accell noch der ostdeutsche Bike-Produzent Mifa börsennotiert. Potenzial gibt es also noch, ähnlich wie für die Elektrofahrräder.