Audi-Chef Rupert Stadler erwartet weniger Wachstum in China und nennt den Weg zur Elektromobilität einen Marathon - das große Interview.

Frankfurt. Der Autohersteller Audi fährt von Rekord zu Rekord. Nicht nur in Deutschland sind die Fahrzeuge mit den vier Ringen stark gefragt. Vor allem in China verkauft das Unternehmen glänzend. Im Abendblatt-Interview spricht Audi-Chef Rupert Stadler über Grenzen des Wachstums, die Chancen des Elektroantriebs und die Bedeutung Hamburgs für den Ingolstädter Autohersteller.

Hamburger Abendblatt: Was wird Ihr persönliches Highlight auf der diesjährigen Internationalen Automobilschau in Frankfurt sein?

Rupert Stadler: Neben den Audi-Neuheiten ist das die Neuauflage des Porsche 911 Carrera. Es ist faszinierend, welche Sportlichkeit und Modernität dieses Modell auszeichnet, obwohl die Baureihe schon 50 Jahre alt ist.

Und außerhalb des VW-Konzerns?

Stadler: Wir verfolgen natürlich sehr genau, was unsere Wettbewerber tun, denn Wettbewerb belebt ja schließlich das Geschäft (lacht).

+++Groß und durstig? Geländewagen sind voll im Trend+++

+++S-Klasse von übermorgen knausert an Sprit und Co2+++

Sie wollen in dem umkämpften Markt bei Audi den Absatz auf zwei Millionen Fahrzeuge bis 2020 fast verdoppeln und damit führender Premiumhersteller werden. Wie soll das gelingen?

Stadler: Wir sind 2009 und 2010 super aus der Krise herausgefahren. Wir wollen in diesem Jahr die Absatzmarke von 1,3 Millionen Autos knacken. Mit emotionalen und neuen Modellen werden wir die A3-Familie weiter ausbauen - und auch bei der Q-Familie sind wir noch längst nicht am Ende.

Wo erwarten Sie das größte Wachstum?

Stadler: In Indien, Russland, Südamerika und natürlich in China. Aber wir wachsen zum Beispiel auch auf dem deutschen Markt und wollen dies weiter tun. Im ersten Halbjahr 2011 wurden auf dem chinesischen Markt 7,11 Millionen Fahrzeuge verkauft, so viel wie in Europa.

Nun planen die chinesischen Behörden, zukünftig auf weniger teure Autos auszuweichen. Haben Sie sich zu sehr von China abhängig gemacht?

Stadler: Überhaupt nicht. Unser Absatz verteilt sich heute zu 60 Prozent auf Europa, 20 Prozent auf China, zehn Prozent auf die USA und zehn Prozent auf den Rest der Welt. Das ist aus meiner Sicht ein ausgewogenes Verhältnis. Wir blicken auf eine super Wachstums- und Erfolgsgeschichte zurück und sind in China mit Abstand die Premiummarke Nummer eins. 80 Prozent unserer Kunden sind in China bereits Privatkäufer, dank der wachsenden Mittelschicht.

Allerdings wollen chinesische Städte inzwischen weniger verbrauchsstarke Automobile, um die Mobilität der Millionen in den Griff zu bekommen. Auch aus ökologischen Gründen.

Stadler: In der Tat will die Regierung die Flottenverbräuche reduzieren. Wir haben es hier mit einer Entwicklung zu tun, die sich auch in Europa abspielt. Wir sind deshalb darauf vorbereitet.

Sie glauben also an ein unvermindertes Wachstum in China?

Stadler: Nein, Wachstumsraten von gut 40 Prozent, wie wir sie in den vergangenen Jahren hatten, wird es dort nicht auf Dauer geben. Dennoch rechnen wir auch in den nächsten Jahren mit stabilem Wachstum.

Ist China für Sie auch deshalb so wichtig, weil Sie es dort mit sehr markenbewussten Kunden zu tun haben, während in Europa die Bedeutung des Autos als Statussymbol abnimmt?

Stadler: Bei internationalen Namen sind Chinesen tatsächlich sehr markenaffin, das damit verbundene Qualitäts- und Prestigeversprechen ist ihnen sehr wichtig. Ich habe noch keinen vermögenden Chinesen mit einer gefälschten Rolex am Arm gesehen. Ich glaube allerdings nicht, dass das Auto in Europa als Statussymbol ausgedient hat - es kommen einfach nur neue hinzu, wie etwa ein iPhone oder das iPad, gerade für jüngere Leute.

Was tun Sie, um das Auto auch für jüngere Leute noch sexy zu gestalten?

Stadler: Wir machen das Auto zum Erlebnis- und Kommunikationsmobil. Es wird zum integrativen Bestandteil der vernetzten Welt.

Wie sieht das Auto der Zukunft aus, abgesehen von der Vernetzung?

Stadler: Die Autos müssen leichter werden, das ist ein schönes Gefühl der Fahrdynamik, und es verringert den Verbrauch und die CO2-Emissionen.

Dabei kommen Ihre ersten Elektroautos erst im Jahr 2014 auf den Markt. Ist bei Ihnen die anfängliche Euphorie auch verflogen wie bei vielen Ausstellern auf der diesjährigen IAA?

Stadler: Nein. Wir bieten mit dem Q5, dem A6 und dem A8 ab Anfang nächsten Jahres die breiteste Palette an Hybridautos im Premiumsegment an. Ende nächsten Jahres kommt unser Elektrosportwagen R8 e-tron. Ab 2014 beginnen unsere Plug-in-Hybride. Wir arbeiten an verschiedenen Stellschrauben, entwickeln sparsamere Benziner und Diesel-Fahrzeuge, bringen Hybrid-Autos auf den Markt. Wir werden noch lange ein Nebeneinander der verschiedenen Antriebsarten sehen. Der Weg zur Elektromobilität ist ein Marathon, kein 100-Meter-Sprint, und zunächst wird ein Elektroauto nur für einen Teil der Kunden interessant sein.

Warum?

Stadler: Ich erwarte es zunächst als Zweit- oder Drittauto. Damit ist es insbesondere für Premiumkunden interessant. Sie sollten beispielsweise eine Garage haben, in der man die Batterien aufladen kann. Es wäre ja schlecht, wenn Sie das Kabel aus dem dritten Stock auf den Parkplatz führen müssen, dann ist es auch schnell mal abgeschnitten. Solche Alltagsprobleme dürfen wir nicht unterschätzen.

Der Antrieb der Elektroautos soll bei Audi über emissionsfrei erzeugten Strom erfolgen. Sie wollen sich an einem Stromproduzenten beteiligen, etwa an Lichtblick, heißt es?

Stadler: Wir haben beschlossen, uns an einem Offshore-Windpark zu beteiligen, damit unsere Elektroautos mit regenerativem Strom betrieben werden können. Wir haben auch ein Projekt vorgestellt, mit dem man "überflüssigen" Windstrom in Form von Wasserstoff oder Methangas speichern kann, ohne eine neue Infrastruktur aufbauen zu müssen. Weitere Projekte dieser Art sind nicht ausgeschlossen.

Für die Expansion in den USA planen Sie eine Produktion in Amerika. Auch in Ungarn investieren Sie eine Milliarde Euro in ein neues Werk. Dort liegen die Lohnkosten etwa bei 40 Prozent unseres Niveaus. Eine Bedrohung für den Autostandort Deutschland?

Stadler: Nein, der Standort Deutschland bleibt unsere starke Basis. Die Entwicklung der letzten Jahre hat sogar gezeigt, dass der Ausbau des internationalen Produktionsverbunds auch in Deutschland neue Arbeitsplätze erzeugt hat. Der Standort Deutschland erscheint in Relation teuer, aber er ist sein Geld wert, wenn wir dafür sorgen, dass wir bei Innovationen und Produktivität die Nase vorne haben.

Einige Audi-Kunden ärgern sich über immens lange Lieferzeiten für einzelne Modelle. Wann wird sich das ändern?

Stadler: Jeder Kunde hat Anspruch darauf, sein Auto schnellstmöglich zu bekommen. Es ist uns bewusst, dass die aktuellen Lieferzeiten teilweise zu lang sind. Wir arbeiten daher mit Hochdruck daran, sie wieder auf ein normales Maß zurückzuführen.

Wie sind Sie mit dem Hamburger Automarkt zufrieden?

Stadler: In Hamburg haben wir einen hohen Anteil an Premiumfahrzeugen. Zudem ist es uns gelungen, durch Talk-of-the-town-Events unsere Marke in der Stadt sichtbarer zu machen. Wir sind zum Teil der Gesellschaft geworden, und dadurch hat Audi in den vergangenen Jahren in Hamburg deutlich zugelegt.

2017 soll Martin Winterkorn von der VW-Spitze in den Aufsichtsrat wechseln. Wäre der Vorstandsvorsitz bei VW Ihr Traumjob?

Stadler: Mein Traumjob ist der, den ich gerade mache. Darauf konzentriere ich mich mit ganzer Kraft.