Auftrag über 580 Millionen Euro lässt Aktie um 17 Prozent steigen. Größtes Geschäft der Biotechbranche in diesem Jahr

Hamburg. Die Neuausrichtung der Biotechfirma Evotec trägt Früchte. Gestern wurde bekannt, dass der Schweizer Pharmakonzern Roche gemeinsam mit den Hamburgern ein neues Medikament gegen die Krankheit Alzheimer entwickeln will. Insgesamt darf das Hamburger Unternehmen bei dem Projekt auf erfolgsabhängige Zahlungen in Höhe von bis zu 820 Millionen Dollar (rund 580 Millionen Euro) hoffen. Die ersten zehn Millionen Dollar flossen bereits bei der Vertragsunterzeichnung der Kooperation in dieser Woche. "Das ist einer der größten Deals in der Biotechbranche in Europa in diesem Jahr", sagte Evotec-Chef Werner Lanthaler dem Abendblatt.

Evotec steigt damit in einen Milliardenmarkt ein. Weltweit leiden derzeit 35 Millionen Menschen an Alzheimer. Aufgrund der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft dürfte die Zahl noch rasant zunehmen. Der Kooperation ging eine lange Partnerschaft voraus. Evotec hat schon 2006 einen neuen Wirkstoff namens EVT 302 von Roche übernommen und in seinen Hamburger Laboren weiterentwickelt. Dabei wurde entdeckt, dass EVT 302 ein möglicher Gegenspieler der Alzheimerkrankheit ist. Damit war die erste Testphase für Evotec erfolgreich. Doch für die Zulassung neuer Medikamente sind langwierige Tests notwendig. Rund eine Milliarde Euro kostet die Entwicklung. Deshalb hat Evotec die Rechte an dem neuen Wirkstoff an Roche zurückgegeben.

Gleichzeitig forschen die Hamburger weiterhin an dem Wirkstoff, der für ein neues Medikament tauglich sein könnte. Roche trägt die Kosten und beteiligt Evotec zudem mit weiteren Zahlungen je nach Erfolgsfortschritten. Im kommenden Jahr will Roche von Basel aus die weltweite Phase II der Testserie starten. Es sei möglich, dass der neue Wirkstoff verhältnismäßig rasch auf den Markt komme, sagte Lanthaler. Doch "rasch" kann bei der Zulassung neuer Medikamente durchaus einige Jahre bedeuten.

Lanthaler hob gestern die Prognose für Evotec bis zum Jahresende an. Der Umsatz solle bei 77 bis 79 Millionen Euro liegen, und damit um sieben Millionen Euro höher sein als zuvor angepeilt. Die Börse honorierte den Erfolg. Die Aktie stieg um 17,1 Prozent auf 2,16 Euro. Der Wiener Manager hat die 1993 gegründete Forscherschmiede nach seinem Amtsamtritt im Jahr 2009 komplett neu organisiert. Zuvor hatte sich das Unternehmen stark auf die eigene Forschung bis hin zur Marktreife eines Medikaments konzentriert und deshalb auch bis zum Jahr 2010 niemals einen Gewinn eingefahren.

Mit dem neuen Chef ging Evotec häufiger als zuvor Kooperationen mit Pharmafirmen ein, in deren Auftrag und auf deren Kosten die Hamburger forschten. Je nach Fortschritt erhält Evotec seitdem Erfolgszahlungen von den Medikamentenherstellern. Um Auftraggeber braucht sich das Unternehmen nicht zu sorgen. "Der Markt für externe Innovationen wächst, weil viele Pharmafirmen für bestimmte Forschungsarbeiten mit spezialisierten Firmen zusammenarbeiten wollen", sagt Lanthaler. Konzerne wie Boehringer Ingelheim, Novartis, AstraZeneca und Pfizer gehören zu den Kunden der Hamburger, die auf die Bereiche Zentrales Nervensystem, Onkologie und metabolisches Syndrom (unter anderem Diabetes) spezialisiert sind. Auch Roche ist ein langjähriger Auftraggeber. Allerdings verlief die Zusammenarbeit nicht immer erfolgreich. Erst im Mai musste ein gemeinsames Projekt für ein Antidepressivum mangels Erfolg eingestampft werden. Doch das ist in der Medikamentenentwicklung nicht ungewöhnlich. Rund 80 Prozent aller Wirkstoffe, auf denen Hoffnungen für neue Arzneien beruhen, schaffen es nicht einmal bis in die klinische Erprobung.

Lanthaler will Evotec mit der Neuausrichtung des Geschäfts auch ein modernes Gesicht geben. Bis zum Jahresende sollen die 160 Evotec-Mitarbeiter in Hamburg an einen neuen Firmensitz ziehen. Statt der jetzt 6000 Quadratmeter in einem Industriegebiet in der Schnackenburgallee bezieht Evotec in Langenhorn ein Forschungsgebäude mit 12 000 Quadratmetern, in dem einst der Pharmakonzern Ely Lilly seinen Sitz hatte. Lanthaler will ei-nen Campus errichten, den er nach dem Nobelpreisträger und Evotec-Mitbegründer Manfred Eigen benennt. Im Gebäude gibt es auch Platz für Mieter aus dem Biotechbereich. "Allerdings werden wir auch einige der zusätzlichen Flächen für neue Mitarbeiter brauchen", sagt der Vorstandschef. 2011 hat er bereits 30 zusätzliche Wissenschaftler eingestellt. Nachdem die Auftragslage des Unternehmens sich derzeit gut entwickelt, sollen nun weitere hinzukommen.