Mit Innovationen behauptet sich Lühders in Stelle gegen große Konkurrenten wie Haribo. Jetzt hat der Mittelständler China im Visier.

Stelle. Bei Johannes Lühders ist im Sommer schon Weihnachten. Auf dem Produktionsband fahren die süßen Sterne über ein mit Schokolade getränktes Gitter. So bekommt das Zuckerwerk einen Schokoladenboden und ein Stück weiter Zuckerguss, bevor es von Hand verpackt wird. "Ohne schützende Hülle würde die Fondantmasse austrocknen und hart werden", sagt Johannes Lühders, Geschäftsführender Gesellschafter der Johannes Lühders KG in Stelle. Vor den Toren Hamburgs im Landkreis Harburg arbeiten 100 Mitarbeiter in der Süßwarenfabrik.

Rund 350 verschiedene Produkte laufen hier von den Bändern. Doch zum Teil geht es hier auch zu wie in einer Manufaktur. "Handarbeit hat noch einen Anteil von 50 Prozent", sagt der 40-Jährige Firmenchef. Manche Erzeugnisse wie Hamburger Speck oder Apfelsinen- und Zitronen-Gelee-Scheiben werden komplett per Hand gefertigt. Immerhin arbeiten 80 Prozent der Beschäftigten in der Produktion. Das Unternehmen wurde 1909 von Lühders' Großvater in Hamburg gegründet.

+++Hamburger Speck aus Stelle+++

Das Auf und Ab der Konjunktur schreckt Lühders weniger. Mehr macht ihm der gestiegene Zuckerpreis Sorgen, denn 1000 Tonnen davon werden jährlich verarbeitet. "Genascht wird immer", sagt er. Und in einem verregneten Sommer erst recht. "Wir rechnen mit einem Umsatzplus von zwölf Prozent in diesem Jahr" sagt er. Rund zwölf Millionen Euro setzt das Unternehmen um, das 4500 Kunden zählt: Von Edeka, Karstadt, Kaufhof und Arko bis zur Theaterkasse des Ohnsorg-Theaters oder dem Hofladen im Alten Land, der zum Obst auch gern noch Fruchtgummi verkauft. Doch nur ein Drittel des Gesamtumsatzes läuft noch unter dem Markennamen Lühders.

Im Wettbewerb mit den großen Herstellern sucht Lühders die Lücken. Gerade bei Fruchtgummi sieht er noch großes Wachstumspotenzial. "Das ist ein idealer Trägerstoff für verschiedene Substanzen", sagt er. So arbeitet die Entwicklungsabteilung des Familienbetriebes an einem Projekt für China. Dort soll zuckerfreier Fruchtgummi mit beigemischten Vitaminen an ältere Leute verabreicht werden. Auch für Deutschland hat Lühders einen neuen Fruchtgummi, sogenannte Beauty Gums, entwickelt, die verschiedene Substanzen für die Gesundheitsförderung enthalten werden. Mehr will er noch nicht verraten. Zusammen mit einem Partner sollen die neuen Produkte ab Oktober auch im Kosmetikbereich verkauft werden.

Trotz scheinbar übermächtiger Konkurrenz eines großen Gummibärchen-Herstellers ist Johannes Lühders erst vor gut zehn Jahren in die Produktion von Fruchtgummi eingestiegen, nachdem er die Firma 1998 von seinem Vater übernommen hatte. Im Jahr 2000 zog das Unternehmen von Hamburg nach Stelle, um sich mit einem Neubau zu vergrößern. Lühders beschreibt die Branche wie einen großen Berg. "Von Weitem sieht man nur die großen Felsbrocken wie Haribo, Ritter, Milka oder Stollwerck. Erst wenn man den Berg erklimmt, merkt man, dass es dazwischen noch viele kleine Steine und Lücken für den eigenen Aufstieg gibt." Die hat er genutzt, zusammen mit seinem Führungsteam aus drei Mitarbeitern.

Die Fruchtgummi-Artikel enthalten bis zu 50 Prozent Fruchtsaft, winzige Fruchtstückchen oder es gibt Fruchtgummi für Moslems mit Gelatine aus Fisch statt Schwein. Nach dem Wegzug aus Hamburg machte das Familienunternehmen noch einen richtigen Sprung. In Stelle vervierfachte sich die Zahl der Mitarbeiter. Unter Lühders' Führung stieg der Umsatz von 2,5 Millionen Euro auf zwölf Millionen Euro. "Ohne die Mitarbeiter mit viel Eigenverantwortung wäre das nicht möglich gewesen." Lühders verbesserte den Vertrieb der Produkte und setzte auch auf den Export. Rund ein Drittel der Süßwaren werden inzwischen in das Ausland geliefert. In Skandinavien sind vor allem sehr saure Fruchtgummis gefragt. "In Finnland sind wir nach zwei einheimischen Herstellern die Nummer drei am Markt, noch vor Haribo", sagt der Firmenchef.

Dass Süßigkeiten mehr als ein Genussmittel sein können, entdeckte schon Lühders' Großvater, der in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts mit der Einfuhr und Verarbeitung von Ingwer-Wurzeln begann. Der Heilpflanze werden eine Reihe von medizinischen Wirkungen zugeschrieben, etwa bei Übelkeit oder Reizmagen. Der scharfe und würzige Geschmack wird durch einen Schokoladenüberzug oder eine Glasur gemindert. Insgesamt beruht das Produktionsprogramm mit einem jährlichen Ausstoß von 3500 Tonnen Süßwaren auf vier Säulen: Ingwer-Produkte, Fondant-Artikel, Fruchtgummi und Geleefrüchte. Der Erfolg weckt auch Begehrlichkeiten. Ab und an bekommt Lühders ein Übernahmeangebot. Doch verkaufen will er nicht. "Ich kann mich doch jetzt noch nicht zur Ruhe setzen." Zudem fürchtet er, dass ein Wettbewerber nur den Namen und Produkte übernehmen würde, nicht aber den Produktionsstandort.

Ob das 1909 gegründete Unternehmen in Familienhand bleibt, ist noch nicht ausgemacht. Seine beiden Töchter sind erst sechs und acht Jahre alt. Wenn es nach den Mitarbeitern geht, ist die Sache aber klar: Eine macht den Vertrieb, die andere wird die Produktion managen. Wenn beide das wollen, müssen sie sich bei der Ausbildung beeilen. Denn bisher wurde das Zepter von einer Generation auf die andere immer früh übergeben. "Und zwar endgültig und ohne Doppelführung", sagt Lühders. Er startete mit 28 Jahren, sein Vater übernahm das Zepter bereits mit 21 Jahren.