Der streitbare Ökonom Max Otte gibt Anlagetipps und rechnet mit der Euro-Politik ab - im Interview mit dem Hamburger Abendblatt.

Hamburg. Er hat bereits 2006 in seinem Buch "Der Crash kommt" die weltweite Finanzkrise vorausgesagt. Nun geht der bekannte Ökonom Max Otte in seiner Streitschrift "Stoppt das Euro-Desaster" mit Politikern und der Finanzwirtschaft hart ins Gericht. Das Abendblatt sprach mit Otte über die richtigen Anlagestrategien in unruhigen Zeiten und die Zukunft des Euro.

Hamburger Abendblatt: Wie legt ein Finanzprofi wie Sie derzeit sein Geld an?

Max Otte: Ich bin ein wertorientierter und langfristiger Anleger. Bei mir schlagen Sachwerte eindeutig Geldwerte. Immobilien, Gold und Aktien sind die Bestandteile einer vernünftigen Anlagestrategie.

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Das heißt: Anleger, die derzeit auf Tages- oder kurzfristige Festgeldkonten setzen, machen einen Fehler?

Otte: Sie laufen Gefahr, in den nächsten Jahren real viel Geld zu verlieren. Denn die Zinsen sind extrem niedrig und gleichen die Inflationsraten nicht aus.

Können Sie die Menschen verstehen, die aus Angst vor Inflation in Gold flüchten?

Otte: Ich empfehle schon seit vielen Jahren Gold als Geldanlage. Und die Preisentwicklung für das Edelmetall hat mir recht gegeben. Gold gehört auf jeden Fall als Beimischung und Versicherung ins Depot, aber in Maßen. Fünf bis zehn Prozent des Gesamtvermögens halte ich für sinnvoll.

Sollten die Menschen reales Gold in Form von Barren oder Münzen kaufen?

Otte: Auf jeden Fall. Denn wenn Sie nur Ansprüche auf Papier erwerben, können diese Ansprüche zum Beispiel im Falle einer Bankpleite schnell nichts mehr wert sein.

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Sind die Inflationsängste in Teilen der Bevölkerung berechtigt?

Otte: Leider kann ich die Zukunft auch nicht mit 100-prozentiger Sicherheit voraussagen. Aber aus meiner Sicht gibt es zwei Szenarien: Entweder wir bekommen hohe Inflationsraten oder Deflation. Ein Weiter-so-wie-bisher wird es nicht geben.

Würden Sie heute als Geldanlage noch ein Haus im teuren Hamburg kaufen?

Otte: Ich halte Aktien für wesentlich attraktiver als Immobilien. Wenn jemand jetzt noch als Geldanlage ein Haus kaufen will, dann sollte er auf hohe Qualität und eine exzellent Lage setzen. Von Mittellagen wie zum Beispiel in Bremen rate ich weitgehend ab.

Der Deutsche Aktienindex ist in diesem Sommer eingebrochen. Seit einigen Tagen ist es wieder ruhiger an der Börse. Die Ruhe vor dem nächsten Sturm?

Otte: Wir haben den Sturm hinter uns. Die Anleger machen den Fehler, dass sie zu hektisch auf kurzfristige Kursentwicklungen reagieren. Ich schaue mir die langfristigen Gewinne von Unternehmen an und bilde dann einen Durchschnittswert. Wenn ich diese Werte betrachte, dann sehe ich, dass viele Aktien extrem günstig zu haben sind. Zum Beispiel Allianz, E.on oder RWE - mit diesen Papieren werden Anleger ihre Freude haben, wenn sie etwas Zeit mitbringen. Mit Blick auf Hamburg haben auch Beiersdorf und Fielmann Potenzial. Fielmann ist zwar hoch bewertet, aber der Anleger bekommt bereits eine Dividendenrendite von vier Prozent. Und es handelt sich um ein inhabergeführtes Unternehmen ohne Schulden.

Sie kritisieren in Ihrem neuen Buch "Stoppt das Euro-Desaster" Europas Politiker scharf. Was haben die Staats- und Regierungschefs falsch gemacht?

Otte: Die Politiker haben sich wie Demagogen verhalten, als sie die Rettung der großen Banken mit der Rettung Griechenlands gleichgesetzt haben. Da wurde mit Ängsten in der Bevölkerung gespielt. Nach dem Motto: Wenn wir den Banken nicht helfen, dann bricht bald wieder ein Krieg in Europa aus.

Was hätten Sie gemacht?

Otte: Aus meiner Sicht hätte man zu Beginn der Krise von den Banken einen Forderungsverzicht von 30 Prozent verlangen müssen. Wäre dann eine Bank ins Schlingern geraten, hätte man sie noch über einen der vielen Rettungsfonds vor dem Aus bewahren können. Zurzeit werden nur die einfachen Bürger in Europa belastet, und die Finanzbranche kommt ungeschoren davon. Aber sie hat uns den Schlamassel zu einem großen Teil eingebrockt. Sie muss auch zur Kasse gebeten werden.

Sollten Hilfen für die hoch verschuldeten Euro-Länder gestoppt werden?

Otte: Die Hilfen für Griechenland und Irland sollten gestoppt werden. Vor allem die Politik in Irland regt mich auf. Über Jahre haben die Iren mit Steuerdumping und Deregulierung Länder wie Deutschland ökonomisch in die Enge getrieben. Und nun bekommen sie europäische Hilfen, halten ihre Steuern aber weiterhin niedrig. Das ist nicht nachvollziehbar.

Wird es den Euro in seiner heutigen Form in fünf Jahren noch geben?

Otte: Ich würde mir etwas anderes wünschen. Aber ich glaube, dass das Geld der Deutschen bis dahin reicht, um die anderen Staaten zu retten.

Wie sieht die Alternative zum heutigen Euro aus?

Otte: Ich bin kein kategorischer Gegner des Krisenfonds ESM. Allerdings muss es im Rahmen des ESM klare Vorgaben geben, wann und wie ein überschuldetes Land in die Staatsinsolvenz geführt wird. Aus meiner Sicht würde es mehr Sinn machen, dass die Randstaaten Griechenland, Irland, Portugal und Spanien den Euro-Raum verlassen. Und die restlichen Staaten vertreten dann eine starken Kern-Euro.