Die Elektro- und Metallindustrie in Norddeutschland klagt über fehlende Bewerber. Airbus will den Frauenanteil auf 20 Prozent erhöhen.

Hamburg. In der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie tut sich eine Bewerberlücke bei den Ausbildungsplätzen auf. Besonders ausgeprägt ist sie in den Elektroberufen. Dort kamen Ende Juni auf 3471 gemeldete Lehrstellen nur 2572 Bewerber. Damit ergibt sich eine Lücke von fast 900 Ausbildungsplätzen, für die sich keine Interessenten finden.

Diese Zahl stammt aus dem neuen Arbeitsmarktmonitor, den der Arbeitgeberverband Nordmetall und die IG Metall Küste gestern erstmals gemeinsam vorstellten - eine bundesweit einzigartige Initiative. Die Auswertung umfasst Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und das nordwestliche Niedersachsen. "Die Bewerberlücke bei den Elektroberufen überrascht mich, weil gerade dies ein Zukunftsbereich ist", sagte Nordmetall-Hauptgeschäftsführer Thomas Klischan. An der Ausbildungsvergütung von 840 bis 950 Euro könne es nicht liegen. Das Phänomen müsse mit der Ausbildungsbereitschaft und -fähigkeit der Jugendlichen zusammenhängen: "Offenbar haben viele junge Menschen eine gewisse Scheu vor den nicht geringen Anforderungen, die eine solche Lehre stellt."

Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste, regte an, über einen "Einstiegstarifvertrag" nachzudenken: "Er sollte Jugendlichen die Möglichkeit bieten, sich in Betrieben ein Jahr lang in den verschiedenen Bereichen zurechtzufinden, bevor man sich für eine bestimmte Ausbildung entscheidet." Ähnliche Angebote bestünden allerdings in etlichen Firmen schon seit einigen Jahren, ohne dass es einen Tarifvertrag dafür gebe, so Klischan. Ebenso bemühe sich die Branche, verstärkt darauf hinzuweisen, dass gerade die Elektrotechnik auch für junge Frauen interessant sein könne. Auch Airbus, Hamburgs größter Arbeitgeber des Metallsektors, wirbt vermehrt um weiblichen Nachwuchs: Im Jahr 2012 soll der Anteil der Ausbildungsanfängerinnen am Standort Hamburg in gewerblich-technischen Berufen und den dualen Studiengängen auf 20 Prozent steigen. Unter den 165 neuen Airbus-Azubis des Jahres 2011, die Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gestern auf Finkenwerder begrüßte, sind 20 junge Frauen - ein Anteil von 13 Prozent. "Als größter privater Ausbildungsbetrieb der Stadt wirkt das Unternehmen an dem wichtigen Ziel mit, dass so viele junge Leute wie nur irgend möglich eine qualifizierte Berufsausbildung bekommen", sagte Scholz. Dies sei "die beste Vorbeugung gegen künftigen Fachkräftemangel".

Insgesamt haben sich die Chancen, einen Arbeitsplatz in der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie zu finden, zuletzt deutlich verbessert: Die Zahl der offenen Stellen ist im Juni im Vorjahresvergleich um 726 auf 1760 gestiegen (plus 70 Prozent). Dabei legte der Bestand an unbesetzten Jobs in Hamburg nur um 62 auf 165 zu (plus 60 Prozent). Dies liege offenbar daran, dass die Hamburger Betriebe der Branche ihre Belegschaft in der Krise 2008/ 2009 relativ konstant gehalten hätten und daher der Nachholbedarf in der anschließenden Erholungsphase geringer gewesen sei, hieß es bei Nordmetall.

Dennoch verringerte sich in Hamburg in allen Branchen - auch außerhalb der Metall- und Elektroindustrie - die Arbeitslosigkeit. Zum Beispiel bei Schlossern und Mechanikern um 19 Prozent auf 1238 Personen, in den Elektroberufen sank die Zahl der Jobsuchenden um 23 Prozent auf 571 und bei den Ingenieuren um 22 Prozent auf 639. Damit kamen in Hamburg im Schnitt nur noch 1,1 arbeitslose Ingenieure auf eine offene Stelle (Vorjahr: 2,1), bei den Technikern lag die Quote bei 1,7 (Vorjahr 2,7). In Mecklenburg-Vorpommern hingegen ist das Verhältnis sehr viel ungünstiger. Dort kamen durchschnittlich acht arbeitslose Metall- und Elektrofachkräfte auf eine offene Stelle.

Allerdings entwickelte sich der norddeutsche Arbeitsmarkt auch im Hinblick auf die Altersstruktur sehr uneinheitlich: Während die Zahl der Arbeitslosen unter 26 Jahren in allen Branchen um 10,2 Prozent auf 36 467 zurückging, suchten im Juni 67 545 Menschen im Alter von über 54 Jahren einen Job - das waren 9,8 Prozent mehr als im Vorjahr. In Hamburg waren zuletzt 4736 jüngere Menschen arbeitslos und 10 211 ältere. Insgesamt waren in der Hansestadt im Juni 71 910 Personen als arbeitssuchend gemeldet.

Für die deutliche Zunahme der Arbeitslosigkeit bei den Älteren ist nach Angaben von Geiken nicht zuletzt der Abbau von sogenannten Ein-Euro-Jobs verantwortlich. Zudem nehme aber auch der Druck auf die Beschäftigten in den Unternehmen immer weiter zu, und dem fühlten sich viele ältere Beschäftigte nicht mehr gewachsen. "Da sind die Tarifpartner gefragt, neue Arbeitszeitmodelle für diese Menschen zu entwickeln", so der IG-Metall-Bezirksleiter.