Als eine von nur noch wenigen deutschen Werften mischt die FSG international mit. Präzision und Top-Technologie führen zum Erfolg.

Flensburg. Wie ein Hightech-Betrieb sieht die Halle nicht aus. Auf zwei Fertigungsstraßen werden Stahlplatten von Lasern geschnitten, Arbeiter mit Schutzmasken schweißen Profile, fertigen Segmente. Auf dem Hallenboden sammeln sich roter und schwarzer Staub von der Bearbeitung der grundierten Metallflächen. Werkzeuge und Kleinteile liegen in verbeulten Materialschränken aus Blech. Es dröhnt und hämmert, aus den Schweißgeräten zischen Flammen, zucken Blitze. Gute, alte Schwerindustrie.

Doch die Schiffe, die hier entstehen, sind technologisch komplexe Produkte, die voller Kreativität von Ingenieuren stecken. Gut ein Jahr dauert der Bau einer kombinierten Fracht- und Passagierfähre. So viel Zeit benötigten die Werftarbeiter hier vor Jahrzehnten auch. Aber damals bauten 2000 von ihnen ein Schiff im Jahr - heutzutage rutschen jährlich im Durchschnitt vier vom Helgen der Montagehalle in die Flensburger Förde, aus der Hand von rund 730 Mitarbeitern. "Wir bauen Schiffe in Serie. Noch bevor eins fertig ist, sind die nächsten schon in Arbeit", sagt Peter Sierk, 45, Geschäftsführer und Miteigner der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG).

Weil die Fähren von bester Qualität sind und die Schiffbauer schnell arbeiten, schaffte es die Werft im äußersten Norden Deutschlands in ihrem Segment bis an die Spitze des Weltmarktes. Da will Sierk möglichst noch lange bleiben, ganz ohne Illusionen: "Das Werftgeschäft ist bretthart. Schon eine Fehlkalkulation kann bei diesen komplexen und teuren Produkten das Aus bedeuten. Und das Geschäft wird nicht leichter, sondern schwieriger."

Ein großer Teil der einst weltweit führenden deutschen Werftindustrie hat diese bittere Lektion bereits gelernt. In der zurückliegenden Weltwirtschaftskrise brach erneut ein Teil der Branche weg. Die Nordseewerke in Emden, damals Teil des ThyssenKrupp-Konzerns, gaben den Schiffbau auf, Lindenau in Kiel steckt in der Insolvenz, die Nordic-Werften in Wismar und Rostock-Warnemünde hangeln sich mit Mühe von Auftrag zu Auftrag. Der Wert des Orderbuches für Seeschiffe in Deutschland schrumpfte von rund 15 Milliarden Euro im Jahr 2007 auf derzeit noch rund 7 Milliarden Euro.

Auch die Zukunft der bekanntesten deutschen Werft Blohm + Voss in Hamburg erscheint ungewiss. Nach fast zwei Jahren platzten im Juli die Verkaufsverhandlungen zwischen ThyssenKrupp und Abu Dhabi Mar aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Nun dient der Düsseldorfer Industriekonzern den zivilen Schiffbau bei Blohm + Voss einem britischen Finanzinvestor an. Ob das Geschäft, wie von der Belegschaft und dem Mutterkonzern erhofft, in den kommenden Wochen abgeschlossen werden kann, ist offen. Deutschlands älteste Werft Sietas in Neuenfelde startete vor zweieinhalb Jahren nach dem Austausch des Topmanagements komplett neu durch, damals wirtschaftlich schwer angeschlagen. Anstelle von Containerfrachtern baut man an der Este nun Spezialschiffe und Montageplattformen. Die Sanierung ist noch nicht abgeschlossen, die Werft nach den Worten ihres Chefs Rüdiger Fuchs "noch nicht über den Berg".

Der Bau relativ einfacher Containerschiffe, Tanker oder Massengutfrachter ist aus Deutschland fast komplett verschwunden, abgewandert zumeist nach China, Südkorea und Japan. Nur noch wenige deutsche Werften zeigen am Weltmarkt für Passagier- und Frachtschiffe Flagge, allesamt mit technologisch besonders hochwertigen Produkten: Lürssen, Abeking & Rasmussen und Nobiskrug mit Superyachten, die Papenburger Meyer Werft als Weltmarktführer bei Kreuzfahrtschiffen, P + S mit Spezialfrachtern und Versorgungsschiffen, FSG mit Fähren. "Wir haben uns schon vor zehn Jahren aus dem Bau von Containerschiffen verabschiedet", sagt FSG-Chef Sierk. "Der Anteil an Ingenieursarbeit in unseren Schiffen muss immer weiter wachsen, wenn wir bestehen wollen, der technologische Wert muss den des Stahlbaus immer weiter übersteigen."

Sierk geht durch die Werfthallen. Rund 125 000 Quadratmeter umfasst das Gelände, wenig für ein Schiffbauunternehmen, das mehr als 200 Meter lange Fähren fertigt. Die Arbeitsabläufe, vom Stahlzuschnitt über Segmentbau, Lackierung, Endmontage und Innenausrüstung, sind kompakt und straff getaktet. "Dieses System haben wir hier schon vor 15 Jahren eingeführt. Andere Werften waren da deutlich später", sagt Sierk. Auf dem Helgen in der Montagehalle steht, kurz vor dem Stapellauf, die Fähre "Seatruck Progress", die künftig zwischen Großbritannien und Irland fahren soll. Der Rumpf des ersten Schwesterschiffes wird dahinter im Dock bereits aufgebaut.

Für jeden seiner Mitarbeiter hat Sierk ein Wort, ein Schulterklopfen, einen Gruß. Der Manager sieht den kameradschaftlichen Umgang im Unternehmen als einen der Erfolgsfaktoren für FSG. "Wir grenzen uns nicht zwischen den ,Weißhemden' in der Verwaltung und den 'Blaumännern' in der Produktion ab. Alle Bereiche arbeiten in einer engen Symbiose." Den Mitarbeitern verlangt der Chef allerdings auch viel ab. Termintreue gehört zum Kern der Unternehmensphilosophie. Zahlreiche Überstunden, notfalls auch Nachtarbeit müssen unter Umständen sein, wenn bei einem neuen Schiff der Tag der Ablieferung naht: "Wir liefern immer pünktlich, und wir haben noch nie nicht geliefert", sagt Sierk, "nicht mal eine Vertragsstrafe kassiert."

Einen nicht minder wichtigen Anteil hat die Systematik, mit der die Leitung des Unternehmens den Markt bearbeitet. In seinem Büro breitet Sierk gemeinsam mit Entwicklungschef Broder Hinrichsen, 45, eine Reihe von Unterlagen aus. Noch bis Ende März 2013 hat die Werft Arbeit. Die Aufträge haben einen Wert von 390 Millionen Euro. Der "Seatruck Progress" folgen drei Schwesterschiffe, dann drei größere Fähren für Ulusoy Sealines in der Türkei, einen treuen FSG-Kunden. Bald schon braucht das Unternehmen neue Orders, denn die Konstrukteure entwerfen ihre Pläne lange vor dem Baubeginn. "Wir bearbeiten derzeit rund 20 Projekte, drei sind nah an der Realisierung", sagt Sierk. Mit bis zu 700 000 Euro geht die Werft bei den Entwürfen auf eigenes Risiko in Vorleistung. Die Studien, mit denen man Aufträge gewinnen will, sind umfassend.

"Es geht darum, den gesamten Transportprozess des Kunden zu analysieren und den Reedereien Schiffe zu verkaufen, die über den vollen Lebenszyklus so zuverlässig und rentabel wie möglich arbeiten", sagt Hinrichsen. Eine Fähre koste 50 bis 60 Millionen Euro. Entscheidend sei allerdings die Gesamtkalkulation für eine Betriebszeit von mehreren Jahrzehnten. "Wenn ich zum Beispiel in eine Fähre eine zusätzliche, auf den Einsatzort abgestimmte Rampe einbaue, kann das die Entladungszeit im Hafen verkürzen. Die Reederei spart damit Zeit für die Überfahrten, das Schiff kann langsamer fahren und verbraucht weniger Brennstoff. Über die Jahre kommen dabei große Einsparungen zusammen."

Jene deutschen Werften, die heute noch erfolgreich sind, konzentrierten sich teils schon vor Jahrzehnten auf bestimmte Schiffstypen. Damit vergrößern sie stetig ihre Erfahrungen und ihren technologischen Vorsprung. Eine Lebensversicherung im Verdrängungswettbewerb bietet allerdings auch das nicht. Erst kürzlich gewann der japanische Mitsubishi-Konzern eine weltweite Ausschreibung für zwei neue, große Kreuzfahrtschiffe der Rostocker Reederei Aida Cruises. Für die Meyer Werft, die ebenfalls an dem Wettbewerb teilgenommen hatte, war das ein schwerer Rückschlag. Mit bislang sieben Aufträgen galt das Unternehmen quasi als Hauslieferant von Aida.

Die Konkurrenz der Schiffbauländer wächst auch innerhalb Asiens. Als Reaktion darauf drängen Werften aus Fernost immer stärker in die Märkte für technologisch besonders anspruchsvolle Schiffe vor, nun auch in die Domäne der Papenburger Schiffbauer. Auch die stärksten Konkurrenten von FSG sitzen in Asien. Die beiden deutschen Topwerften wollen ihre Kräfte deshalb verstärkt bündeln. Gemeinsam entwerfen Meyer und FSG für eine amerikanische Reederei ein Angebot für kleinere Kreuzfahrtschiffe. Diese Expeditionsschiffe fahren mit zahlungskräftigem Publikum in besonders spektakuläre Naturparadiese, etwa an die Südspitze Südamerikas oder in die Arktis.

"Wir haben früher schon mit Meyer kooperiert", sagt Sierk. "Bei unseren Produkten und Arbeitsweisen gibt es viele Parallelen. Eine kombinierte Fracht- und Passagierfähre umfasst etwa 90 Prozent der Komplexität eines Kreuzfahrtschiffes. Wir haben auch schon Fähren mit Decks gebaut, die Kreuzfahrt-Standard besitzen."

Seit 1996 im Unternehmen, beteiligte sich der Manager 2008 selbst an der Werft, als die Lübecker Reederei Egon Oldendorff sie verkaufte. 16 Prozent der Anteile gehören Sierk und einem weiteren Geschäftsführer, 84 Prozent liegen heutzutage bei der Münchner Finanzholding Orlando Management. "Unsere Strategie ist, am Markt zu überleben, gute Schiffe zu bauen und die Arbeitsplätze hier zu sichern", sagt Sierk, der zuvor für den Kosmetikkonzern Wella und den Prozesstechnikhersteller Bran + Luebbe gearbeitet hatte.

Für die deutsche Werftindustrie insgesamt, die derzeit noch rund 17 000 eigene Mitarbeiter beschäftigt, ist Sierk weniger optimistisch als für das eigene Unternehmen. "In fünf Jahren wird der deutsche Schiffbau noch einmal deutlich kleiner sein als heute, die Schiffe noch spezieller und ingenieurlastiger."

Sierk glaubt fest an die Zukunft der Werft. Sollte auch sein Unternehmen einst aus dem Markt gedrängt werden, wäre das ein weiterer Rückschlag für den Schiffbau, der die Wirtschaft an den deutschen Küsten über Jahrhunderte geprägt hat. Geradezu fatal wäre es für Flensburg: FSG ist das letzte große Industrieunternehmen in der stolzen Hafenstadt an der Ostsee.