Topgehalt, viele Pausen und regelmäßig alle vier Jahre zur bezahlten Kur. Dagegen stehen Stress und eine sehr hohe Verantwortung.

Hamburg. Der ältere Herr im Fitnessklub sah eigentlich ganz harmlos aus. "Sind Sie nicht Fluglotse?", fragte er Michael Schulte* Anfang dieser Woche. "Ja", antwortete der 45 Jahre alte Familienvater arglos. "Ich muss morgen dringend nach München", sagte der Mann. "Wenn mein Flug wegen Ihnen ausfällt, prügele ich Sie windelweich."

Schulte sitzt im Café Himmelsschreiber am Hamburger Flughafen und muss immer noch schlucken, während er die Geschichte erzählt. Druck und Stress ist der Lotse in seinem Job gewohnt. "Aber mit so viel Hass habe ich nicht gerechnet", sagt der besonnene Mann, der seit gut 20 Jahren den Himmel über Fuhlsbüttel überwacht.

Es waren zahlreiche solcher Drohungen, die sich Schulte und seine 26 Hamburger Kollegen in dieser Woche anhören mussten. Nachdem die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) angekündigte hatte, den gesamten Flugraum über Deutschland lahmzulegen, hagelte es Kritik von allen Seiten. Selbst Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) ätzte in einem Interview, er habe kein Verständnis für einen Streik angesichts von "Jahresgehältern um die 120 000 Euro bei 25 Stunden Wochenarbeitszeit und 40 bis 50 Urlaubs- und Kurtagen".

Nun ist der Streik erst einmal abgesagt, und ein Schlichter soll die Streithähne an einem Tisch zusammenbringen. Die Forderungen der Fluglotsen von 6,5 Prozent mehr Gehalt aber bleiben - zu Recht, wie Michael Schulte meint. "Es stimmt sicherlich, dass wir ein Topgehalt bekommen", sagt er. "Dafür tragen wir aber auch ein hohes Maß an Verantwortung. Sicherheit ist nicht zum Nulltarif zu haben." Die von Verkehrsminister Ramsauer genannten Summen hält der Lotse eindeutig für zu hoch gegriffen.

Schulte selbst arbeitet derzeit zwischen 17 und 19 Tage im Monat und bezieht dafür ein Monatsgehalt von rund 7000 Euro brutto. Es ist ein Teilzeitjob, den der Familienvater ausübt, Vollzeit sind in Hamburg 21 Arbeitstage mit rund 36 Wochenstunden für ein Gehalt von 8500 bis 8800 Euro üblich. Dafür wird von den Fluglotsen höchste Konzentration und ein großes Maß an Flexibilität erwartet.

Eine normale Nachmittagsschicht beginnt für Schulte um 14.30 Uhr und endet gegen 21.45 Uhr. "Sobald ich mich mit meiner Karte auf dem Tower einlogge, habe ich die Verantwortung für alle Flugbewegungen am Himmel über Fuhlsbüttel", sagt der Lotse. Mehrere Bildschirme muss er dann zusammen mit zwei weiteren Kollegen im Blick behalten. Der wichtigste zeigt das Radarbild mit allen hereinkommenden und abfliegenden Flugzeugen. Kleine Punkte mit Angaben über Typ, Höhe, Entfernung und Geschwindigkeit der Maschinen. Daneben muss er auf den Wind und auf die Bewegungen auf dem Rollfeld achten und im Kontakt mit den Piloten der Maschinen bleiben.

"Es kommt vor, dass sich Piloten darüber beschweren, dass andere Maschinen vor ihnen abgefertigt werden", sagt Schulte. "Da muss man dann einen kühlen Kopf bewahren." 40 Starts- und Landungen pro Stunde sind die Regel in Fuhlsbüttel, in Stoßzeiten können es auch schon mal bis zu 60 sein. "Wir müssen die Flugzeuge so sicher, aber auch so schnell wie möglich abfertigen", sagt Schulte. Die Effizienz spiele eine immer größere Rolle in seinem Job, weil Fluggesellschaften, Passagiere und Airport an möglichst kurzen Wartezeiten interessiert seien.

Besonders nervenaufreibend wird es für die Lotsen, wenn schwierige Wetter- und Windverhältnisse herrschen. 2008 etwa wäre es auf dem Flughafen beinahe zur Katastrophe gekommen, weil eine Böe des Orkantiefs "Emma" einen A320 im Landeanflug erfasste und der Pilot gerade noch im letzten Moment durchstarten konnte. "Bei solch schwierigen Wetterverhältnissen müssen wir einkalkulieren, dass die Maschinen mehrmals zur Landung ansetzen müssen", sagt der Lotse. "Da darf man die Anflüge nicht zu dicht hintereinander planen."

Weil der Job so stressig ist, dürfen Schulte und seine Kollegen maximal 2,5 Stunden vor den Bildschirmen sitzen, dann folgt eine Zwangspause von einer halben Stunde. Dennoch lässt sich die Belastung nicht bis ins hohe Alter durchhalten. Laut Gewerkschaft sterben die meisten Fluglotsen im Alter zwischen 48 und 62 Jahren. Regulär gehen die Angestellten mit 55 Jahren in den vorgezogenen Ruhestand, bis zum 63. Lebensjahr erhalten sie eine Art Übergangsgeld von 70 Prozent ihres normalen Gehalts.

Zur Stressbewältigung sollen auch die regelmäßigen Kuren dienen, die die Lotsen ab dem 30. Lebensjahr etwa alle vier Jahre antreten können. 26 Tage setzen sie sich dann mit Entspannungstechniken und anderen präventiven Maßnahmen auseinander. "Das dient dazu, unsere Arbeitskraft zu erhalten", sagt Schulte.

Die vergleichsweise hohen Gehälter, die die deutschen Fluglotsen erhalten, hängen aus Sicht von Schulte auch damit zusammen, dass es zu wenig qualifiziertes Personal für den Job gibt. "Die Deutsche Flugsicherung, hat in den vergangenen Jahren zu wenig ausgebildet", sagt er. Mittlerweile gebe es zwar wieder mehr Azubis. "Doch es wird noch bis zu drei Jahre dauern, bis wir wieder genug Nachwuchs haben."

In den Tarifauseinandersetzungen geht es aber nicht nur um die Gehälter. Ein Großteil des Streits dreht sich um die Besetzung von leitenden Positionen. Während die Gewerkschaft darauf pocht, dass Führungskräfte, die Dienstpläne erstellen, ausgebildete Fluglotsen sein müssen, möchte die DFS solche Positionen auch mit Betriebswirten oder Juristen besetzen. "Wer aber beispielsweise im Rahmen einer Verfahrensplanung den Luftraum über Hamburg einteilt, der muss von unserem Metier Ahnung haben", sagt Schulte. Ihm graut es davor, dass ihm eines Tages Betriebswirte vorschreiben könnten, wie er Flugzeuge noch schneller und effizienter abfertigen könnte - auf Kosten der Sicherheit.

Tatsache ist aber auch, dass die Deutsche Flugsicherung unter einem erheblichen Druck steht, die Kosten für ihr Personal zu senken. War das bundeseigene Unternehmen bislang in der komfortablen Lage, die Gebühren für die Abfertigung von Flugzeugen weitgehend selbst festlegen zu können, wird sich dies im kommenden Jahr ändern. "Dann gibt uns die EU die Gebühren vor, die wir nehmen dürfen", sagt DFS-Sprecher Axel Raab. Das Ziel dieser Reform ist es, die Gebühren europaweit anzugleichen und langfristig auf einen einheitlichen europäischen Luftraum hinzuarbeiten. Dies soll für mehr Effizienz am Himmel sorgen.

Michael Schulte hofft, dass sich in den Schlichtungsgesprächen der kommenden Wochen ein Kompromiss mit dem Arbeitgeber finden lässt. "Eigentlich möchte nämlich kein Fluglotse in Deutschland streiken", sagt er.

* Name von der Redaktion geändert