Öl, Kupfer, Aluminium sind deutlich günstiger geworden. Die Unternehmen im Norden freuen sich. Doch wie lange hält der Trend an?

Hamburg. Noch bis in den April hinein galt der steile Anstieg der Rohstoffpreise als einer der größten Risikofaktoren für die Konjunktur. Davon kann jetzt keine Rede mehr sein: In den vergangenen Monaten - auch schon vor den jüngsten Börsenturbulenzen - sind die Notierungen fast aller Energie- und Agrarrohstoffe sowie der Industriemetalle deutlich zurückgegangen.

So haben sich etwa Kupfer und Aluminium seit den Höchstständen um rund 13 Prozent verbilligt, Rohöl der Nordsee-Sorte Brent um 14 Prozent, Silber um 20 Prozent, Weizen und Kakao um mehr als 20 Prozent und Nickel sogar um 25 Prozent.

Überstrahlt wird all dies zwar vom Gold, dessen Preis angesichts der Verunsicherung unter den Anlegern von Rekord zu Rekord eilt. Doch der umfassende Rohstoff-Index CRB ist trotz dieser Sonderentwicklung um zwölf Prozent seit dem April gesunken.

"Die Welt hat sich verändert, und damit sind auch die Preise andere", sagte Eugen Weinberg, Chef-Rohstoffanalyst der Commerzbank, dem Abendblatt. Nicht zuletzt durch die Rating-Herabstufung der USA und die jüngste Diskussion um die Bonitätsnote Frankreichs würden den Investoren die Risiken für die Weltwirtschaft immer bewusster. Die Perspektiven für die Konjunktur in wichtigen Staaten wie den USA oder China hätten sich eingetrübt. Zwar läuft die Industrieproduktion derzeit in vielen Ländern noch auf vollen Touren. "Aber an den Rohstoffbörsen wird nicht die Gegenwart gehandelt", so Weinberg.

Bei den Industriemetallen trugen jedoch auch andere Faktoren zu den niedrigeren Notierungen bei. So habe das Erdbeben in Japan wegen der nachfolgenden Produktionsunterbrechungen die Nachfrage spürbar gebremst, erklärte Axel Herlinghaus, Rohstoffexperte der DZ Bank. Zudem hätten manche Schwellenländer auf die Bremse treten müssen, weil die Wirtschaft dort zu heißgelaufen war und die Inflationsgefahren zu groß wurden.

Gleichzeitig habe die Spekulation, die viele Rohstoffpreise hochtrieb, nachgelassen. Nachdem die US-Notenbank Fed aufgehört habe, in großem Stil amerikanische Staatsanleihen anzukaufen und damit immense Beträge in die Märkte zu pumpen, "sitzt das Geld nicht mehr so locker", beobachtet Weinberg. Insgesamt dürften die Industriemetall-Preise allerdings ihren Boden gefunden haben, meint Frank Schallenberger, Leiter der Rohstoffanalyse bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).

Dies gilt nach Einschätzung von Herlinghaus tendenziell auch für die Agrarrohstoffe, deren Notierungen sich ohnehin vergleichsweise konjunkturabhängig entwickeln. Auch hier wirkten sich Sonderfaktoren aus: Vor einem Jahr verhängte Russland einen Exportstopp für Weizen, was zu dramatischen Preissteigerungen auf dem Weltmarkt führte. Inzwischen wurde die Ausfuhrsperre wieder aufgehoben.

Den Ölpreis bewegten ebenfalls politische Einflüsse. Nachdem er wegen der Unruhen in Nordafrika zu Jahresanfang hochgeschossen war, schmilzt der Risikoaufschlag nun immer weiter ab. Dabei hat Brent-Öl, das derzeit bei knapp 108 Dollar je Barrel (159 Liter) notiert, nach Ansicht von Schallenberger noch Luft nach unten: "Ich kann mir vorstellen, dass Brent zum Jahresende nur noch 90 Dollar kostet."

Alles in allem sind sich die Experten aber sicher, dass der Rohstoffmarkt nicht vor einem ähnlichen Einbruch steht wie im Jahr 2008, als der CRB-Index binnen eines halben Jahres um 56 Prozent absackte. Beim Unternehmensverband Nord sieht man das ähnlich. "Die Preisrückgänge entlasten zwar die Firmen im Moment - und das ist besonders wohltuend angesichts des Aktienmarkteinbruchs", sagte Michael Thomas Fröhlich, Hauptgeschäftsführer des Verbands. Damit habe sich ein Risikofaktor für den noch immer anhaltenden Aufschwung abgeschwächt. "Aber Entwarnung für die Zukunft können wir nicht geben", so Fröhlich. Er rechnet mit tendenziell wieder steigenden Rohstoffpreisen. Dazu werde schon allein China, das sich wichtige Quellen in Afrika gesichert habe, beitragen.

Eines der Edelmetalle jedoch verteuert sich bereits seit Monaten immer weiter. "Wenn irgendwo ein Aufwärtstrend intakt ist, dann beim Gold", sagte Schallenberger. "Gold etabliert sich immer mehr als sicherer Hafen", erklärte Weinberg. Der weltweit größte börsengehandelte Goldfonds, der SPDR Gold Trust, habe innerhalb von drei Wochen Zuflüsse von 80 Tonnen verzeichnet, was der weltweiten Minenproduktion von mehr als elf Tagen entspreche. Ende kommenden Jahres dürfte Gold 1900 Dollar je Feinunze (31 Gramm) kosten, erwartet Weinberg. Sein Kollege Herlinghaus ist noch zuversichtlicher: "Wenn die Unsicherheit an den Märkten hoch bleibt, sind schon in absehbarer Zeit auch 2000 Dollar denkbar."