E.on, RWE und EnBW haben die Zeichen der Energiewende verpasst. Nun könnten sie die Folge hart zu spüren bekommen: Es drohen Einschnitte.

Hamburg. Der Niedergang kam schnell und hart. Noch im vergangenen Jahr strotzten die deutschen Energiekonzerne E.on, RWE und EnBW vor wirtschaftlicher Kraft und politischer Einflussmacht. Nun brechen Ergebnisse und möglicherweise auch viele Arbeitsplätze weg. "Im Zeitraum April bis Juni mussten wir mit einem bereinigten Konzernüberschuss von minus 382 Millionen Euro erstmals in der Unternehmensgeschichte von E.on einen Quartalsverlust ausweisen", sagte E.on-Chef Johannes Teyssen gestern bei der Präsentation der Halbjahreszahlen in Düsseldorf. Bis zu 11 000 der weltweit insgesamt 79 000 Stellen im Unternehmen stünden nun zur Disposition.

So abrupt ist kaum je eine Branche in Deutschland abgerutscht. Auf den ersten Blick liegt die Ursache dafür in der energiepolitischen Wende in Deutschland. Als Konsequenz aus der Atomkatastrophe im japanischen Kraftwerk Fukushima beschloss die Bundesregierung im Frühsommer den endgültigen Ausstieg aus der Atomkraft in Deutschland bis zum Jahr 2022. Die drei Versorgungsunternehmen müssen nun schneller als gedacht ihre besten Gewinnquellen stilllegen. E.on hat bereits vorzeitig die Atomreaktoren Isar 1 und Unterweser abgeschaltet.

E.on-Chef Teyssen vermied gestern allerdings Seitenhiebe nach Berlin. "E.on braucht keine Schuldzuweisungen an die Politik", sagte er. Denn der Topmanager weiß es besser: Schon seit dem ersten Beschluss zum Atomausstieg, ausgehandelt von der rot-grünen Bundesregierung und der Stromwirtschaft im Jahr 2000, standen die Zeichen in Deutschland auf Energiewende. Nach dem Regierungswechsel zu Union und FDP im Jahr 2009 wurden die Laufzeiten der Reaktoren, wie von beiden Parteien zuvor versprochen, zwar verlängert. Für die Energiekonzerne sollte sich das allerdings nicht lange auszahlen: Fukushima veränderte die energiepolitische Linie in Deutschland erneut in die andere Richtung.

Nach der Liberalisierung des europäischen Energiemarktes Ende der 90er-Jahre setzten die deutschen Versorgungskonzerne vor allem auf Größe. Diese Unternehmenspolitik fällt nun auf sie zurück: "Die Konzerne haben die Zeichen der Zeit offenbar überhaupt nicht verstanden - oder aber sie haben politisch gepokert und auf den möglichst langen Erhalt althergebrachter Strukturen gehofft", sagt Rainer Wiek, Chefredakteur des Energie Informationsdienstes (EID) in Hamburg.

E.on und RWE gingen europaweit auf Einkaufstour und erwarben andere Versorgungsunternehmen - mit oft enttäuschenden Ergebnissen. E.on häufte einen Schuldenberg von 33 Milliarden Euro an. Viel zu spät stiegen die großen Energieversorger nach Meinung von Branchenexperte Wiek in Deutschland in den Markt der erneuerbaren Energien ein, stattdessen verkämpften sie sich beim Neubau von Großkraftwerken wie im nordrhein-westfälischen Datteln oder in Hamburg-Moorburg in den Widerstand von Bürgerinitiativen. Das Geschäft mit Hochspannungsnetzen wurde den Unternehmen durch die Regulierungen der Bundesnetzagentur vergällt. E.on und Vattenfall Europe verkauften ihre Netze.

Schlecht läuft es für E.on obendrein im lange Jahre hoch profitablen Geschäft mit Erdgas - der Gewinn des Tochterunternehmens Ruhrgas fiel von rund 1,6 Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2010 auf rund 600 Millionen Euro in den ersten beiden Quartalen dieses Jahres. "E.on leidet jetzt an seinem hohen Anteil langfristiger Bezugsverträge mit Ölpreisbindung vor allem für Erdgas aus Russland", sagt Wiek. "Der europäische Erdgasmarkt ist mittlerweile stark in Bewegung, und E.on ist mit seinem teuren Importgas häufig nicht mehr wettbewerbsfähig."

Die Gewerkschaft Ver.di fürchtet, dass bis zu 6000 Stellen bei E.on in Deutschland gefährdet sind. Vor allem Verwaltungsstellen an großen E.on-Standorten wie München, Essen und Hannover will der Vorstand ins Visier nehmen. "Wir werden zu einzelnen Standorten keine Stellung nehmen. Der Aufsichtsrat wird als Erster informiert", so E.on-Chef Teyssen gestern.

Die Perspektiven für Norddeutschland allerdings dürften nicht so schlecht sein: E.on Hanse mit 2500 Mitarbeitern und Sitz in Quickborn betreibt besonders intensiv das zukunftsträchtige Geschäft mit erneuerbaren, dezentralen Energien wie der Einspeisung von Strom und Gas aus Windkraft, Fotovoltaik oder Biomasse in die Netze. Auch Vattenfall Europe mit seinen derzeit rund 20 000 Arbeitsplätzen in Nordostdeutschland plant zurzeit nach eigenen Angaben keinen Stellenabbau.