Die Niedrigzinszusage der US-Notenbank beruhigt die Märkte nur vorübergehend

Frankfurt/Hamburg. Die Erholung dauerte nur wenige Stunden. Sorgen um die schwächelnde US-Konjunktur sowie neue Gerüchte über die Kreditwürdigkeit Frankreichs schickten die Börsen erneut auf Talfahrt. Der Deutsche Aktienindex (DAX) fiel gestern nach zunächst kräftiger Erholung um mehr als fünf Prozent. In Frankreich rissen dramatische Kursstürze im Bankensektor den Börsenindex CAC40 in den Keller. Auch der US-Leitindex Dow Jones verbuchte herbe Verluste von 4,62 Prozent. Nach dem fulminanten Kursplus vom Vortag beschleunigte sich die Talfahrt gestern in der letzten Handelsstunde massiv. Das weltweit bekannteste Börsenbarometer büßte 520 Punkte ein und stürzte auf 10 719,94 Zähler - das ist der tiefste Stand seit September 2010. Am Vortag hatte er mit 429 Punkten oder vier Prozent im Plus geschlossen, nachdem die US-Notenbank Fed angekündigt hatte, den Leitzins voraussichtlich für zwei weitere Jahre auf dem historischen Niedrigstniveau zu belassen.

Gleichzeitig äußerten sich die US-Notenbanker tief besorgt über die Lage der US-Wirtschaft: Das Wachstum sei dieses Jahr "erheblich langsamer" ausgefallen als erwartet, die Arbeitslosigkeit gestiegen. Die US-Wirtschaft wuchs im zweiten Quartal um 1,3 Prozent, und 9,1 Prozent der Amerikaner sind derzeit ohne Job. Mit dem Zinsversprechen ging die Fed "erheblich weiter, als die meisten erwartet hatten", sagte Commerzbank-Analyst Bernd Weidensteiner. Die Krise habe die Zentralbanker zum Handeln gezwungen: "Ein Stillhalten hätte sich die Notenbank kaum erlauben können." Die Spanne bei den Leitzinsen liegt seit Dezember 2008 - dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise - bei 0,0 bis 0,25 Prozent.

Doch auch in Europa trüben sich die Perspektiven ein. Erstmals seit zweieinhalb Jahren ist der Ifo-Indikator für das Wirtschaftsklima im Euro-Raum gesunken und liegt im dritten Quartal nur noch knapp über dem langfristigen Durchschnitt. Das ergab die aktuelle Ifo World Economic Survey. Insbesondere die Erwartungen an die nächsten sechs Monate seien spürbar abgeschwächt.

Viele Länder rechneten mit einer Verschlechterung ihrer Wirtschaftslage. Außerdem erwarten die Experten eine stärkere Inflation. Auf Jahressicht rechnet das Ifo-Institut mit einer Preissteigerungsrate von 2,6 Prozent im Euro-Gebiet. Vor diesem Hintergrund gehen die Experten der Commerzbank - anders als bisher - nicht mehr davon aus, dass die Europäische Zentralbank ihre Zinsen in diesem Jahr angesichts der Inflationsrisiken weiter anhebt. Stattdessen erwarten die Analysten nun, dass der Leitzins bis Mitte 2012 auf dem Niveau von 1,5 Prozent verharrt.

Unterdessen hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) wegen der bedrohlichen Stärke des Franken die Geldschleusen weit geöffnet. Eine Woche nach der überraschenden Senkung der Leitzinsen legte die Notenbank noch einmal nach und erleichterte die Geldbeschaffung für die Banken. Die von Schuldenkrise und Konjunktursorgen verunsicherten Anleger flüchten immer stärker in vermeintlich "sichere Häfen" wie Gold, Yen und den Franken. "Die massive Überbewertung des Schweizer Franken stellt eine Bedrohung für die Wirtschaftsentwicklung in der Schweiz dar und hat die Abwärtsrisiken für die Preisstabilität weiter erhöht", erklärte die SNB gestern.