Vorstandschef hält wesentliche Vorwürfe zur Sexparty und Pannen bei Versicherungen für “im Kern berechtigt“

Hamburg/Düsseldorf. Ergo-Vorstandschef Torsten Oletzky bleibt erstaunlich gelassen. Mit ruhiger Stimme, in druckreifen Sätzen beschreibt er die Aufarbeitung all der großen und kleinen Katastrophen, mit denen sich die Versicherung in den vergangenen Monaten in den Schlagzeilen wiederfand. "Man kann sich sicherlich angenehmere Dinge vorstellen, mit denen man sich beschäftigen kann", gibt Oletzky mit Blick auf den Sexskandal um die Reise nach Budapest, fragwürdige Beratungspraktiken bei Unfallversicherungen und falsch ausgewiesene Kosten bei Riester-Policen zu.

Alle diese Themen hatte Ergo gestern in einer Pressekonferenz gebündelt, in der die Versicherung den Abschlussbericht der Konzernrevision zu den Vorkommnissen vorstellte. Morgen äußert sich das Unternehmen zu Geschäftsergebnissen und wollte diesen Termin wohl lieber nicht mit delikaten Fragen rund um die ungarischen Prostituierten belasten.

Als Folge der Party und der Pannen im Versicherungsgeschäft stellte die Unternehmensführung in der Zentrale ein "Maßnahmenpaket" vor, mit dem sich das Unternehmen künftig strengere Verhaltensregeln und mehr Transparenz zur Pflicht machen will.

"Wir müssen konstatieren, dass wesentliche Vorwürfe im Kern berechtigt sind", sagte Oletzky. Ein "Verhaltenskodex" solle künftig selbstständige Vertreter zu "integrem Verhalten" verpflichten. Außerdem solle künftig auch auf "eventuelle Nachteile" von Versicherungsprodukten hingewiesen werden.

Die Vertriebsorganisation HMI der Hamburg Mannheimer, die in der Ergo aufgegangen ist, hatte im Juni 2007 in Budapest auf Unternehmenskosten eine Party mit Prostituierten für die erfolgreichsten Versicherungsvertreter gegeben. Beteiligt waren zwei leitende Angestellte und 64 selbstständige Vermittler. Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen zwei frühere Manager der HMI. Die Veranstaltung für 83 000 Euro sei "inakzeptabel" und ein "grober Verstoß gegen die Regeln" gewesen, sagte Oletzky. Nach den Erkenntnissen sei es ein "Einzelfall" gewesen. Die Arbeitsweise der HMI werde aber weiter durchleuchtet.

Als besondere Würze der Veranstaltung mit Dutzenden Journalisten posierte gestern zudem eine Handvoll Aktivisten von der Satiregruppe "Die Partei" vor dem Konferenzraum. Sie mimten die Werbefigur "Herr Kaiser" und eine Blondine im Bademantel und machten sich einen Spaß daraus, die Sex-Eskapaden der Versicherung aufs Korn zu nehmen.

Während vor der Tür damit wiederum leichte Partystimmung aufkam, bescheinigte die beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers Ergo, die Konzernrevision habe "sachgerecht" und mit der "notwendigen Unabhängigkeit" gearbeitet. "Es sind in der Vergangenheit Fehler passiert. Das ist ärgerlich und auch schmerzhaft", bilanzierte Oletzky. "Die Marke hat gelitten", fügte Finanzchef Christoph Jurecka hinzu. Eine größere Zahl von Kundenaustritten habe es aber nicht gegeben. Rund 500 Verträge seien storniert worden. "Bei 20 Millionen Kunden ist das eine überschaubare Zahl", sagte Jurecka. Unklar ließ Oletzky, warum die Vorwürfe um die Sexparty so lange im Dunkeln bleiben konnten. Immerhin soll auch ein recht schillernder Bericht in einer Mitarbeiterzeitschrift über die Orgie in der Gellert-Therme informiert haben. "Ich bekomme die Zeitung, lese aber nicht jeden Artikel", sagte Oletzky.

Bändchen oder keine Bändchen, das war ebenfalls eine der Fragen, die auf der Veranstaltung gestern interessierten. Hintergrund der Diskussion war, ob die Prostituierten je nach Güteklasse dem einfachen Vertreter oder nur dem Management zur Verfügung stehen sollten. Dazu sollen sie mit verschiedenfarbigen Bändchen klassifiziert worden sein. "Darüber hatten wir unterschiedliche Angaben der Teilnehmer", sagte Oletzky, der zuvor mehrmals versucht hatte, das Thema zu umschiffen. Bei der Spontanfeier vor der Tür gab sich der Konzern allerdings weniger zugeknöpft und sorgte für gute Laune. Es gab einen Stand mit acht Helfern, sie servierten Wasser, Saft und Eis. "Wir wollen keine schlechten Gastgeber sein", sagte eine Mitarbeiterin.