Regierung will Gesetze für Schiffe anpassen. Polizei und Marine können nicht helfen

Hamburg/Berlin. Zwei Monate und länger in der Gewalt von unberechenbaren Piraten: Die Besatzungen von zwei entführten Frachtern deutscher Reedereien mussten lange bangen, bis sie zumindest oberflächlich gesund wieder freigelassen wurden. Bei dem dritten, der "Beluga Nomination" der damaligen Bremer Reederei Beluga, dagegen gab es bei Kämpfen an Bord sogar vier Tote - zwei Besatzungsmitglieder und zwei Piraten. Zudem ertrank der leitende Ingenieur, als er sich vor den Angreifern retten wollte.

Die drei jüngsten Entführungen werfen ein deutliches Schlaglicht auf die Bedrohung durch Seeräuber im Indischen Ozean, vor allem am Horn von Afrika. "Die Piraten werden immer dreister und gewalttätiger", so die Halbjahresbilanz des Internationalen Schifffahrtsbüros (IMB) der Internationalen Handelskammern, das die Überfälle weltweit protokolliert. "Tatsächlich ist die Zahl der Überfälle vor der somalischen Küste im ersten Halbjahr gestiegen", sagte der Maritime Koordinator der Bundesregierung, Hans-Joachim Otto (FDP), gestern nach einem Treffen mit der Branche dem Abendblatt. Statt 100 Attacken wie im Vorjahr waren es jetzt 163. Allerdings sank die Zahl der Kaperungen von 27 auf 21.

Doch trotz dieses leichten Rückgangs waren Ende Juni noch 20 Schiffe mit 420 Besatzungsmitgliedern in den Händen von Seeräubern, die für sie Millionen Dollar Lösegeld fordern. Erfolgreich, wie sich bei der Reederei Nimmrich & Prahm aus Leer gezeigt hat. Nur durch eine Zahlung von mehr als zwei Millionen Dollar kamen die zehn Mann Besatzung und ihr Mehrzweckfrachter "Susan K." nach 70 Tagen wieder frei. Bei der Papenburger Grona Shipping dauerte die Gefangenschaft der achtköpfigen Besatzung nach der Entführung ihrer "Emsriver" zu Weihnachten 60 Tage. Ob auch hier für die Menschen und den knapp 100 Meter langen Massengutfrachter Lösegeld floss, ließ Inhaber Ebbe Prins gestern offen.

Solche Übergriffe und Entführungen künftig durch Polizei oder Marine zu schützen hält Koordinator Otto jedoch für unmöglich. "Wir haben bei der EU-Mission ,Atalanta' zwei Teams, die für Einsätze zum Schutz fahrender Schiffe ausgebildet sind. Dagegen passieren allein 1700 Schiffe unter deutscher Flagge jährlich das Fahrtgebiet vor der Küste Somalias", sagte er. Helfen könnten hingegen private Kräfte, auf die sich immer mehr Reeder verließen. "Bisher wurde noch kein Schiff mit solchen Kräften an Bord gekapert."

Im September wolle nun die Internationale Schifffahrtsorganisation (IMO) darüber entscheiden, ob dem Einsatz solcher Kräfte grundsätzlich zugestimmt werden könne. "Daher wird auch die Bundesregierung jetzt prüfen, welche Richtlinien und Gesetze für Besatzungen und Sicherheitskräfte an Bord neu erlassen werden müssen. Wir wollen Schiffe unter deutscher Flagge schließlich nicht schlechterstellen als Frachter mit internationalen Flaggen", sagte der Staatssekretär. Bisher hatte die Regierung den Einsatz privater Sicherheitsleute abgelehnt.

Klar ist: Schon jetzt hat ein Drittel der deutschen Reeder private Sicherheitskräfte an Bord, wie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers ermittelt hat. Dazu haben sich nach den Überfällen auf die "Emsriver" und die "Susan K." auch die beiden Reedereien Grona und Nimmrich & Prahm entschlossen. Problematisch seien jedoch die Kosten für den Schutz, sagt Grona-Chef Prins. "Langfristig ist er für meine Reederei mit sieben Schiffen zu teuer." Prins fordert vielmehr ein engeres Netz von Fregatten vor der somalischen Küste oder ausgewiesene geschützte Fahrwege. "Wir würden es zudem begrüßen, wenn die Fregatten mehr Handlungsspielraum gegenüber den Piraten hätten", sagte eine Sprecherin von Nimmrich & Prahm.

Ähnlich denkt Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD). Er kann sich sogar Angriffe auf Piratenlager an Land vorstellen. Zum Schutz der Schiffe setzt Neumann auf Polizei oder Marine und sieht sich für seine Vorschläge nach Unterstützung um. Einen Termin dafür gibt es schon. Am 8. September trifft er sich mit den Kollegen aus dem Norden zur Konferenz der Landesinnenminister in Hannover. "Dort wird der Senator", so heißt es aus der Innenbehörde "das Thema ansprechen."