Als ein Grund gilt die Zeitarbeit. Kluft zwischen Lohngruppen wächst

Wiesbaden/Berlin. Die Zunahme der Leiharbeit im vergangenen Jahrzehnt hat sich im Geldbeutel der Deutschen niedergeschlagen. Vor allem die Bezieher kleiner und mittlerer Gehälter verloren nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) an Kaufkraft. Im Durchschnitt lag das reale Minus demnach bei 2,5 Prozent. DIW-Forscher Markus Grabka sieht den Grund für den Rückgang der Niedriglöhne in der Zunahme von Leiharbeit und Minijobs. 2010 ist die Zahl der Zeitarbeiter wieder deutlich gestiegen, meldete gestern das Statistische Bundesamt.

Der starke Beschäftigungszuwachs im Boomjahr 2010 geht zum größten Teil auf die Zunahme der Zeitarbeit zurück. Die Zahl der abhängig Beschäftigten legte insgesamt um 322 000 zu. Davon waren allein 182 000 oder 57 Prozent Zeitarbeitsstellen. Werden auch befristete und geringfügig Beschäftigte sowie Teilzeitarbeit mit maximal 20 Arbeitsstunden hinzugezählt - zusammen mit der Zeitarbeit fasst man sie als atypische Beschäftigung zusammen -, entfallen sogar mehr als drei Viertel des Anstiegs auf Leiharbeiter. Zeitarbeit und befristete Beschäftigung seien von Firmen genutzt worden, "um flexibel auf die konjunkturellen Veränderungen zu reagieren", so die Statistiker.

Im Krisenjahr 2009 war die Zahl der atypisch Beschäftigten noch um 129 000 gesunken. Nun stieg sie um 243 000 auf 7,84 Millionen. Davon waren 742 000 Leiharbeiter, was einen Höchststand markiert. Nach wie vor arbeiten mehr Frauen (5,5 Millionen) als Männer (2,3 Millionen) atypisch.

In diesem Jahr hat sich die Lage am Arbeitsmarkt insgesamt nach Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit verbessert. Jobsucher hätten mittlerweile gute Chancen, als reguläre Vollzeitkraft beschäftigt zu werden.

Mit einem höheren Anteil an Vollbeschäftigten könnten auch die vom DIW festgestellten Lohnunterschiede wieder geringer werden. Laut der Studie sind die inflationsbereinigten Netto-Einkommen von Geringverdienern zwischen 2000 und 2010 deutlich gesunken. Wer zur Jahrtausendwende 270 Euro pro Monat in der Tasche hatte, musste sich zehn Jahre später mit 211 Euro zufriedengeben. Wer vor elf Jahren 835 Euro pro Monat ausgeben konnte, musste sich 2010 mit 705 Euro begnügen. Höhere Lohngruppen verzeichneten dagegen ein Plus. Wer 2000 unterm Strich über 3419 Euro netto pro Monat verfügte, hatte sich zehn Jahre später auf 3446 Euro verbessert.

DIW-Forscher Grabka macht neben der Zunahme von Leiharbeit und Minijobs, die durch die Hartz-Arbeitsmarktreformen erleichtert worden seien, auch die Gewerkschaften für das Lohnminus verantwortlich, weil sie vielerorts Gehaltseinbußen akzeptiert hätten. "Die Politik hat die Reformschraube überdreht", sagte Grabka der "Frankfurter Rundschau".