In Europa sollen in Zukunft alle Menschen ein Recht auf ein Girokonto erhalten - unabhängig von ihrem Wohlstand. Diese Empfehlung des EU-Binnenkommissars Michel Barnier, die heute vorgestellt werden soll, ist mehr als überfällig. Eigentlich ist es an sich schon ein Skandal, dass diese Forderung überhaupt noch erhoben werden muss und im Europa des 21. Jahrhunderts nicht längst selbstverständliche und eingeübte Praxis ist.

Eine Kontoverbindung ist heutzutage für jeden Bürger die grundlegende Voraussetzung, um am wirtschaftlichen und damit auch am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Wer kein Girokonto besitzt, provoziert das Misstrauen jedes Geschäftspartners. Wer gibt schon einem Menschen einen Arbeitsplatz, der kein Konto besitzt? Wer vermietet ihm seine Wohnung? Zudem werden für viele Überweisungen, die bar eingereicht werden, auch noch zusätzliche Gebühren fällig. Der Besitz eines Girokontos muss deshalb auf einem zivilisierten Kontinent für alle Menschen ein Grundrecht sein.

Umso weniger ist verständlich, dass der EU-Kommissar der Kreditwirtschaft zunächst ein Jahr Zeit geben will, um sich auf Regeln zu einigen. Die Erfahrungen aus Deutschland zeigen, dass Selbstverpflichtungen oft nicht das Papier wert sind, auf denen sie fixiert wurden. So hatte sich hierzulande 1995 die Kreditbranche freiwillig verpflichtet, jedem Bürger ein "Jedermann-Konto" auf Guthabenbasis auszustellen. Dennoch gibt es hierzulande Hunderttausende, denen die Banken eine Kontoverbindung verweigern. Europa braucht hier verbindliche Regeln - am besten ein Gesetz, das keine Ausnahmen zulässt.