Hamburg. Ob Zigaretten, Designerware, Medikamente, Werkzeuge oder Autoteile: Mit der rasanten Zunahme des Welthandels kommen auch immer mehr Fälschungen nach Europa - von den Handtaschen, die von fliegenden Händlern in Urlaubsregionen als Schnäppchen angeboten werden, bis hin zu nachgemachten Handys.

Allein im vergangenen Jahr stellten die europäischen Zöllner Waren im Wert von geschätzt einer Milliarde Euro sicher, wie EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta sagte. Die Zahl der festgehaltenen Sendungen verdoppelte sich nahezu auf fast 80 000. Deutschland und Großbritannien waren bei der Verfolgung besonders aktiv. Auf sie entfiel mehr als die Hälfte aller Fälle.

Hamburg ist eine der Drehscheiben des internationalen Handels mit Plagiaten. Vor allem Zigaretten gelangen aus Asien und Osteuropa in die EU. Laut Reemtsma-Chef Richard Gretler ist bereits jeder fünfte hier gerauchte Glimmstängel Schmuggelware. Immer öfter handelt es sich nicht um Originalprodukte der großen Hersteller, sondern um minderwertige und gefährliche Fälschungen.

China als Herkunftsland gefälschter Produkte wird allen Versprechungen der chinesischen Behörden zum Trotz immer wichtiger. Stammten 2009 noch 64 Prozent aller beanstandeten Waren aus China, schnellte dieser Anteil im vergangenen Jahr auf 85 Prozent hoch. Auf Platz zwei der häufigsten Herkunftsländer rangierte Indien, gefolgt von Hongkong, Moldawien und der Türkei.

"Die Plagiate werden immer besser, sodass sie nicht mehr als solche zu erkennen sind und deshalb im schlimmsten Fall auch von ahnungslosen Abnehmern erworben werden", sagt der Markenexperte Ulrich Steinmann, der Firmen bei Maßnahmen gegen Produktpiraterie berät. "Neben gefälschten T-Shirts, die in Urlaubsländern von fliegenden Händlern angeboten werden, haben die internationalen Banden längst auch Hightech-Produkte wie Autoteile oder Maschinen im Angebot. Sogar eine komplette Skiliftanlage entpuppte sich schon als Fälschung."

Die entdeckten Fälle spiegeln nur einen Bruchteil des weltumspannenden kriminellen Geschäfts wider. Die Dunkelziffer ist hoch. Experten schätzen, dass Kriminelle mit Plagiaten pro Jahr einen Schaden von 250 bis 300 Milliarden Euro verursachen. Die EU hat zudem ermittelt, dass allein in Deutschland bereits 70 000 Arbeitsplätze durch die Produktpiraterie verloren gegangen sind. Firmen machen weniger Umsatz oder gehen pleite, weil ihre Produkte gefälscht werden. Nicht zu vergessen ist der Imageschaden, wenn ein teures, vermeintliches Originalprodukt kurz nach dem Kauf kaputtgeht.

Das ist für den Kunden zwar ärgerlich, aber nicht gefährlich. Anders sieht es bei Medikamenten aus. 2006 nahmen 100 Menschen in Panama einen Hustensaft ein - und starben. Die Arznei enthielt ein Frostschutzmittel. Am meisten gefälscht werden jedoch Lifestyle-Produkte wie das Potenzmittel Viagra, Diätpillen und Blutdrucksenker. Die Zöllner in der EU stellten im vergangenen Jahr aber auch Antibiotika, Antidepressiva und sogar Abtreibungspillen sicher.