Versicherungsbranche schätzt die Höhe der fingierten Schäden auf 4,2 Milliarden Euro

Hamburg. Versicherungsbetrug ist zum Volkssport geworden. Das Smartphone fällt herunter, der Schaden ist gering. Um daraus einen Versicherungsfall zu machen, wird noch einmal auf das Gerät getreten und das Missgeschick einem Kumpel angedichtet, damit dessen Haftpflichtversicherung für den Schaden aufkommt. "Tatsächliche Schäden werden verschlimmert und der Ablauf anders dargestellt", sagt Bernd O. Engelien von der Zurich Versicherung dem Abendblatt. "Gerade bei Modellwechseln bei Computern und Smartphones registrieren wir auffällige Schadenshäufungen."

Für die Assekuranz ist das zu einem Problem geworden. Versicherungsbetrug verursacht allein bei den deutschen Schadens- und Unfallversicherern jährlich Schäden in Höhe von rund vier Milliarden Euro. Rund zehn Prozent des gesamten Schadenaufkommens von 42 Milliarden Euro sind nach unserer Schätzung fingiert, sagte gestern Thomas Leicht, Vorsitzender der Kommission Kriminalitäts- und Geldwäschebekämpfung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Jeder fünfte Verbraucher betrachtet Versicherungsbetrug als Kavaliersdelikt, und fünf Prozent geben sogar zu, in den vergangenen fünf Jahren ihre Versicherung betrogen zu haben. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage der Branche hervor, die gestern vorgestellt wurde.

Rund 40 Prozent der Bundesbürger glauben der Umfrage zufolge, vor allem private Haftpflicht- und Hausratversicherungen seien leicht zu betrügen (siehe Grafik). "Nach einem realen Einbruchdiebstahl werden bei der Hausratversicherung Gegenstände angegeben, die nicht Eigentum des Geschädigten sind oder einfach erfunden wurden", sagte Michael Halm von der Deutschen Versicherungsakademie. Im Trend liegen derzeit falsche Schadensmeldungen bei Laptops, Smartphones und Flachbildschirmen. Bei einer Sonderuntersuchung von Laptop-Schäden konnte bei 36 Prozent der Meldungen eine Betrugsabsicht nachgewiesen werden. Bei weiteren neun Prozent gaben die Kunden ihre Forderung auf, nachdem der Versicherer um Zusendung des Geräts zur Begutachtung gebeten hatte.

Dennoch werden die meisten Schadensfälle nur nach Aktenlage entschieden. "Wir orientieren uns an Checklisten, mit denen Auffälligkeiten bei der Schadensmeldung von den Sachbearbeitern leichter aufgespürt werden sollen", sagt Holger Brendel von der HUK Coburg. Gibt es in mehreren Punkten Unstimmigkeiten, wird der Fall von der Versicherung genauer geprüft. Die HUK schätzt den Betrugsanteil in der Kfz-Versicherung auf acht Prozent. Die Zurich Versicherung hat sogar ein eigenes Betrugsdezernat mit 50 Mitarbeitern eingerichtet. "Es geht darum, bestimmte Betrugsmuster schneller zu erkennen", sagt Engelien. Noch stärker leiden die Versicherer unter professionellen Tätern, die Schäden vortäuschen oder provozieren. Dazu gehören gestellte Kfz-Unfälle und fingierte Glasbruchschäden bei Autos.