In Hamburg und Berlin ziehen 330 Mitarbeiter vor Gericht

Hamburg. Die Schließung der ersten Betriebskrankenkasse (BKK) in Deutschland durch das Bundesversicherungsamt führt zu Arbeitsgerichtsverfahren in ungewöhnlichem Ausmaß. Mehr als jeder zweite Beschäftigte der City BKK in Hamburg hat Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Hamburg eingereicht. "Uns liegen rund 80 Klagen in dieser Sache vor. Die ersten Gütetermine haben bereits stattgefunden", sagte die Vizepräsidentin des Arbeitsgerichts Hamburg, Birgit Vosskühler, dem Abendblatt.

In Hamburg hat die Krankenkasse rund 145 Beschäftigte. Sie ist aus der Fusion der BKK des Landes Berlin und der BKK Hamburg hervorgegangen. In Berlin sind 250 Arbeitsschutzklagen anhängig. Von insgesamt 400 Mitarbeitern der City BKK wehren sich damit 330 gegen ihre Kündigung.

Bei einem Gütetermin wird versucht, den Rechtsstreit im gegenseitigen Einvernehmen aus der Welt zu schaffen. "In dieser Sache hat das wenig Aussicht auf Erfolg, weil mit der Schließung einer Krankenkasse Neuland betreten wird und keiner der Verantwortlichen Entscheidungen treffen will", sagte der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht, Joachim Benclowitz, der einige Beschäftigte der City BKK vertritt. Mitte Mai wurde den Beschäftigten mitgeteilt, dass ihr Arbeitsverhältnis zum 30. Juni durch die Schließung endet. Kündigungsfristen und andere Sonderkündigungsschutzregelungen wie Schwerbehinderung und Elternzeit wurden dabei nicht beachtet.

Zwar sind in Hamburg nur rund 60 Mitarbeiter kündbar. Den anderen muss ein Ersatzarbeitsplatz angeboten werden oder sie haben ein Rückkehrrecht zur Stadt Hamburg. "Doch auch bei Ersatzarbeitsplätzen muss geklärt werden, ob sie angemessen sind, denn sie befinden sich häufig nicht in Hamburg oder führen zu Verdiensteinbußen", sagte Benclowitz.

Außerdem hat der Gesetzgeber sehr willkürliche Regelungen getroffen, was mit den Beschäftigten geschehen soll, wenn eine Krankenkasse vom Markt verschwindet. Bei einer vom Bundesversicherungsamt verfügten Schließung können sich BKK und Ersatzkassen wie Barmer oder DAK schnell von den kündbaren Beschäftigten trennen. Kommt es aber zu einer Insolvenz, haben auch die kündbaren Mitarbeiter einen Anspruch auf Beschäftigung bei einer anderen Kasse. Diese Regelungen sorgen nach Informationen des Abendblatts bei den Hamburger Arbeitsrichtern für Verwunderung. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass einige Fälle vor einem Urteil noch dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden, um zu prüfen, ob die Regelungen verfassungskonform sind.