Ex-Finanzminister Steinbrück lehnt weitere Hilfen für Griechenland ab, deutsche Konzernchefs plädieren dafür

Hamburg. Staatspleite? Schuldenschnitt? Milliardenhilfen? - Politiker und prominente Wirtschaftsvertreter in Deutschland sind immer noch uneins über den richtigen Weg beim Umgang mit dem hoch verschuldeten Griechenland.

So hält der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück einen Schuldenerlass für Griechenland, dessen Premierminister Giorgos Papandreou in der Nacht zu heute die Vertrauensfrage stellte, für unvermeidlich. "Es geht längst nicht mehr um das ,Ob' eines echten Schuldenerlasses, sondern nur noch um das 'Wie'", schrieb der SPD-Politiker in einem Beitrag für "Die Zeit". Eine "sanfte" Umschuldung über eine Laufzeitverlängerung oder einen Zinserlass schaffe nur kurz Luft zum Atmen. Ohne Schuldenerlass werde sich Griechenland "aus seinen Kalamitäten nicht befreien können". Steinbrück empfahl den europäischen Banken, mit einer "Initiative zur direkten Absicherung" zu helfen, damit ein Schuldenerlass für Griechenland sie nicht zu hart treffe. Dies "dürfte günstiger sein als eine fortwährende Kreditierung Griechenlands mit zunehmenden Ausfallrisiken".

Auch Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) sprach sich dafür aus, Griechenland nicht weiter mit Milliardenhilfen zu stützen. "Überschuldung bedeutet nun einmal, dass es unmöglich ist, sich gesundzusparen." Weitere Milliardenspritzen aus den europäischen Rettungsschirmen, seien sie auch mit noch so harten Reformauflagen verbunden, führten zu nichts anderem als einer "dauerhaften Alimentierung des Patienten", schrieb er in einem Beitrag für die Zeitschrift "Focus-Money".

Am Ende stehe eine dauerhafte Transferunion auf Kosten der Steuerzahler. Daher sollte so schnell wie möglich eine geordnete Umschuldung Griechenlands in die Wege geleitet werden. "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende", meint Zeil.

Ganz anderer Ansicht sind 50 Chefs und Topmanager großer Unternehmen aus Deutschland und Frankreich mit zusammen mehr als fünf Millionen Beschäftigten. Sie riefen in einer ganzseitigen Anzeige in überregionalen Zeitungen beider Länder unter der Überschrift "Der Euro ist notwendig" zu einer Rettung der Währungsunion auf. In dem unter anderem von den Vorstandsvorsitzenden Peter Löscher (Siemens), Dieter Zetsche (Daimler), René Obermann (Telekom) und Johannes Teyssen (E.on) unterzeichneten Text heißt es, "kurzfristig" müsse den von der Verschuldungskrise betroffenen Ländern finanziell geholfen werden: "Die Rückkehr zu stabilen finanziellen Verhältnissen wird viele Milliarden Euro kosten, aber die Europäische Union und unsere gemeinsame Währung sind diesen Einsatz allemal wert." Schließlich sei der Euro eine "echte Erfolgsgeschichte". Seit seiner Einführung seien fast neun Millionen neue Arbeitsplätze in der Euro-Zone entstanden.

Altbundeskanzler Helmut Schmidt warnte vor einer Dramatisierung der Griechenland-Probleme. "Wir haben eine Schuldenkrise einzelner kleiner Euro-Länder, keine Krise der Euro-Währung", sagte der SPD-Politiker der Wochenzeitung "Die Zeit". "Selbst der Bankrott eines einzelnen, kleineren Mitgliedstaates hätte nur eine vorübergehende psychologische Wirkung."

Der ehemalige Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) hält die Debatte in Deutschland, ob man die griechischen Schulden bezahlen müsse, für schlicht "lachhaft". Denn entweder komme es zu einem geordneten Zahlungsausfall oder zu einem ungeordneten, schrieb Fischer in einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung". Im Fall einer ungeordneten Insolvenz drohe ein Schneeballeffekt, "der weitere Länder der südlichen Peripherie der EU, darunter auch sehr große, und damit systemrelevante europäische Banken und Versicherungen mit in den Abgrund reißen wird". Die EU stehe am Scheideweg: "Es geht um fast alles."

Statt einer Bestrafung empfehle es sich, zahlungsunfähigen Staaten Hilfe zur Neustrukturierung zu gewähren, damit sie sich aus ihrer Krise herausarbeiten könnten. Doch die aktuellen Probleme hätten nicht nur eine wirtschaftliche Dimension, so Fischer: "Im Zentrum der politischen Krise steht die Gewissheit, dass der Euro und damit die EU als Ganzes ohne politische Union nicht überleben werden."

An den deutschen Banken soll die Griechenland-Rettung nach Angaben ihres Verbandschefs jedenfalls nicht scheitern. Die Institute wollten sich daran beteiligen, sagte Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, im Deutschlandfunk. Stimme das Gesamtpaket, seien alle mit von der Partie.

Laut Bundesbank liege das Engagement aller deutschen Banken in Griechenland zwischen zehn und 20 Milliarden Euro. Kemmer geht davon aus, dass die Institute diese Summe durchaus schultern können. Warnungen vor einer neuen Finanzkrise seien nur dann begründet, wenn sie sich auf eine erzwungene Umschuldung bezögen.